Die Kernfrage lautet: War er bei der Tat schuldunfähig? Die Kammer sagt ja, die Staatsanwaltschaft nein. Der 43-Jährige musste sich gemeinsam mit einem Usbeken wegen Mordes verantworten. Beiden wurde vorgeworfen, einen 58-Jährigen am 22. Dezember 2021 in dessen Wohnung in der Achtstraße in Birkenfeld erstochen zu haben. Nachdem die Beweisaufnahme im ersten Verfahren fast abgeschlossen war, starb ein Schöffe. Dadurch musste der Prozess in veränderter Besetzung neu aufgerollt werden.
Den Haftbefehl gegen den Usbeken, der die deutsche Staatsbürgerschaft hat, hatte das Gericht schon vorher aufgehoben. Ihm wurde nur noch die Unterschlagung von Wertgegenständen zur Last gelegt. Er hatte zugegeben, sie gemeinsam mit dem Griechen aus der Wohnung des Opfers entwendet zu haben. Der 43-Jährige, der im ersten Prozess beharrlich geschwiegen hatte, bestritt in seiner mit Spannung erwarteten Aussage bei der Neuauflage, irgendetwas mit der Tat zu tun zu haben.
Fahrradunfall „rettet“ den Angeklagten
Er behauptete allerdings auch, ein friedfertiger Mensch zu sein, der nie aggressiv gegen den 58-Jährigen aufgetreten sei. Gleich mehrere Zeugen hatten ein ganz anderes Bild gezeichnet. Gegen ihn sprach aber vor allem, dass er in von der Polizei abgehörten Telefonaten mit seiner in Griechenland lebenden Mutter zumindest seine Beteiligung an der Tat im Trinkermilieu gestanden hatte.
Die Kammer ging jedenfalls davon aus, dass er den Mann an jenem 22. Dezember abends erstochen hat. Ironie der Geschichte war, dass ein Fahrradunfall in der Schneewiesenstraße an dem Abend, an dem der Mord geschah, dem Griechen letztlich zugute kam. Denn weil er sich dabei verletzte, brachte ihn die Polizei ins Krankenhaus, wo ihm eine Blutprobe entnommen wurde. Sie ergab einen Wert von 3,32 Promille.
Trotz 3,32 Promille kein Vollrausch?
Daraus wiederum schlussfolgerte das Schwurgericht, dass er zur Tatzeit schuldunfähig war. Es verurteilte ihn somit nicht wegen Totschlags, sondern wegen vorsätzlichen Vollrausches. Was juristisch bedeutet: Wer erheblich alkoholisiert eine Straftat begeht, kann deswegen nicht bestraft werden, macht sich aber strafbar. Dafür ist eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren möglich. Sie darf jedoch nicht höher sein als das Strafmaß für die im Rausch begangene Tat.
Staatsanwältin Patricia Richter hatte dem über Jahre schwerst alkoholabhängigen Angeklagten nur eine verminderte, aber keine komplett aufgehobene Steuerungsfähigkeit zugebilligt. Sie bezog sich dabei auf das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. Sergiy Davydenko. Der Grieche habe am Tatabend keinen Filmriss gehabt, sondern im Krankenhaus sogar noch nachgefragt, warum sein Führerschein nach dem Fahrradunfall einbehalten wurde, argumentierte die Staatsanwältin, die eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten für den Angeklagten beantragte.
Bundesgerichtshof prüft Verfahrensfehler
Dessen Verteidiger Michael Küppers (Trier) forderte hingegen einen Freispruch für seinen Mandanten. Die Aussagen der Zeugen und die Spuren am Tatort belegen nach seiner Lesart keineswegs, dass sein Mandant den 56-Jährigen erstochen hat. Deshalb müsse der Grundsatz gelten: Im Zweifel für den Angeklagten.
Der Bundesgerichtshof muss jetzt prüfen, ob ein Verfahrensfehler vorliegt. Dann würde das Urteil aufgehoben. Bis zur Entscheidung vergehen erfahrungsgemäß mehrere Wochen oder sogar Monate.