Wohn-Pflege-Gemeinschaft in Bruchweiler ist voll belegt - Aus einer Ideenwerkstatt entstanden zwei weitere Initiativen
Wohn-Pflege-Gemeinschaft in Bruchweiler: Bei der Senioren-WG steht die Selbstbestimmung im Vordergrund
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Das gemeinsame Miteinander steht in der Senioren-WG in Bruchweiler, die mitten im Ort gegenüber dem Gemeindehaus liegt, im Mittelpunkt.
Nikola Krieger

In Bruchweiler gibt es mit der Wohn-Pflege-Gemeinschaft im Hochwald das einzige Projekt dieser Art im Kreis Birkenfeld. Dabei ist der Erhalt der Selbstbestimmung für die Senioren oberste Priörität. Das kommt an, wie der Blick auf die lange Warteliste zeigt.

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Welche Optionen gibt es, wenn ein Mensch nicht mehr fit genug ist, um allein zu leben? In Bruchweiler haben schon vor Jahren einige Bürger unter der Regie von Bürgermeister Stefan Molz viel Zeit, Energie und Herzblut in ein Konzept gesteckt, das dann schließlich als „Wohn-Pflege-Gemeinschaft im Hochwald“ verwirklicht wurde. Es ist das bisher einzige Modellprojekt dieser Art im Kreis Birkenfeld.

Ortsbürgermeister: Senioren-WGs sind für jedes Dorf ideal

Aus der damaligen Ideenwerkstatt sind aber noch zwei weitere Initiativen entstanden, die dankbar angenommen werden und mit denen Bruchweiler den meisten anderen Gemeinden ebenfalls etwas voraus hat: ein Mittagstisch und ein Bürgerbus. Der Ortschef ist der Meinung, dass es solche Senioren-WGs flächendeckend geben sollte: „Es wäre ideal, wenn nahezu jedes Dorf eine hätte.“

Dem kann Erica Neumann nur beipflichten: „Es ist gut, dass die Gesellschaft Kinder und Jugendliche fördert, aber sie sollte auch an die Älteren denken.“ Oberstes Ziel ist es, dass die Bewohner „ein so selbstbestimmtes Leben wie möglich führen können“, betont die gebürtige Niederländerin, die die Einrichtung seit der Eröffnung im Frühjahr 2020 leitet. „Ich bin gekommen, als das Haus gerade fertig geworden war.“ Es sei immer ein riesiger Schritt, das eigene Zuhause zu verlassen – und zwar endgültig, betont die 55-Jährige. Umso wichtiger ist es nach ihrem Verständnis, die Neuankömmlinge bei der Eingewöhnungsphase intensiv zu begleiten. Dabei hilft auch, dass sie ihre eigenen Möbel mitbringen können. Mit entscheidend sind die Angehörigen. „Wir sind auf ihre Unterstützung angewiesen. Sonst funktioniert es nicht“, erläutert Erica Neumann.

Selbstbestimmung: Das reicht von den Hausregeln über Anschaffungen bis hin zu der Frage, welche Ausflüge gemacht und welche Feste gefeiert werden. Natürlich geht es auch ums Essen: „Da gibt es immer wieder Diskussionen.“ Die Bewohner reden nicht nur mit, sondern sie helfen auch mit, wenn jeden Tag frisch gekocht wird. Konflikte lassen sich nicht vermeiden. Und wie in jeder Gruppe gibt es auch in dieser Dynamiken, weil manche eher schüchtern und andere eher dominant sind. „Da müssen wir dann eben vermitteln und gemeinsam Lösungen suchen.“

Gemütlichkeit, Wärme und Herzlichkeit

Gebaut hat das Haus, das mitten im Ort gegenüber dem Gemeindehaus liegt, die Arbeiterwohlfahrt. Das ebenerdige Gebäude bietet drei rollstuhlgerechte Zimmer mit einer Größe von 21 Quadratmetern und acht barrierefreie Zimmer mit einer Größe von 17 Quadratmetern sowie jeweils eigene Badezimmer. Die AWO vermietet die einzelnen Zimmer an die Bewohner. Betreut werden sie rund um die Uhr von der Sozialstation der Verbandsgemeinde Herrstein-Rhaunen, bei der Erica Neumann als Vollzeitkraft sowie die 15 Mitarbeiterinnen, davon 11 Halbtagskräfte, darunter seit Kurzem auch ein Mann, und vier Minijobber angestellt sind.

„Ob tagsüber oder nachts: Es ist immer jemand da“, unterstreicht die Leiterin. „Unser Anliegen ist es, den uns anvertrauten Menschen Gemütlichkeit und Wärme zu bieten sowie Herzlichkeit und Zuwendung zu schenken.“ Zentrum der Einrichtung ist die offene Wohnküche. Nicht zu unterschätzen ist, wie viel ein vierbeiniges Teammitglied zum Wohlbefinden beiträgt: „Unser Haushund Emma macht allen Freude.“

„Wir haben ein stabiles, kompetentes Team. Es läuft gut“, zieht Erica Neumann nach dem durch Corona erschwerten Start eine positive Zwischenbilanz. Alle Leistungen, die über Waschen und Essen anreichen hinausgehen, übernimmt der ambulante Pflegedienst, der viermal täglich kommt. Diese könne man wie in einem Baukastensystem dazubuchen. Ein sehr gutes Miteinander gibt es nach Angaben von Erica Neumann auch mit dem Hospizverein Morbach. Mit dessen zusätzlicher Hilfe habe man schon mehrere Bewohner bis zum letzten Atemzug begleitet.

Senioren WG nicht nur für wohlhabende Menschen gedacht

Die derzeitige Altersstruktur reicht von 60 bis 94 Jahren. Die Nachfrage zeige, dass das Konzept stimmig sei. Der Einzugsbereich reicht von den Nachbardörfern bis nach Idar-Oberstein. Aus Bruchweiler wohnt allerdings derzeit niemand in der Senioren-WG. Als gutes Zeichen wertet es die Leiterin, dass alle Zimmer belegt sind und es eine Warteliste gebe. Wobei sich nach ihren Angaben manche schon eingetragen haben, um sich so frühzeitig ihren Platz für später zu sichern. „Wer Interesse hat, soll einfach mal vorbeikommen“, empfiehlt sie.

Entgegen der landläufigen Meinung sei die Senioren-WG nicht nur für wohlhabendere Menschen gedacht, betont Neumann. Das Haus im Hochwaldort sei eine Einrichtung, für die den Bewohnern – eine entsprechende Antragsbewilligung vorausgesetzt – die sogenannte Hilfe zur Pflege durch das Sozialamt gewährt werden kann.

Manche Bewohner nutzen den von der Gemeinde initiierten und von Thomas Welker gestifteten, Bürgerbus, den elf ehrenamtliche Fahrer am Laufen halten. Das achtsitzige Fahrzeuge bringt nicht nur Bürger aus Bruchweiler, sondern auch aus Kempfeld, Schauren und Sensweiler beispielsweise zum Einkaufen sowie zu Arzt- und Friseurterminen. Im Jahr fallen so rund 300 Fahrten an. „Das läuft reibungslos. Bisher mussten wir noch niemandem absagen“, berichtet der Bürgermeister stolz. Zum Erfolg trägt auch bei, dass die Kosten für Reparaturen, Versicherung und fürs Tanken von mehr als 20 Firmensponsoren gedeckt werden.

Auch ein weiteres Angebot der Ortsgemeinde wird gut angenommen. 30 bis 35 Bürger, nicht alle schon im Seniorenalter, nutzen den Mittagstisch im Gemeindehaus, den eine Gruppe von inzwischen zehn Frauen unter dem Motto „Gemeinsam statt einsam“ bereits seit März 2016 organisiert – anfangs einmal im Monat, später dann wegen der großen Nachfrage alle 14 Tage. Das von einem Caterer aus Allenbach gelieferte Essen wird dabei zum Selbstkostenpreis serviert. Nach dem Essen wird bei einer Tasse Kaffee und Gebäck noch ein Plausch in gemütlicher Runde gehalten. Vereine und Firmen, aber auch Privatpersonen spenden seit dem ersten Tag das Wasser zum Essen.

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