Vorgesehen ist, dass die Ortsgemeinde Hellertshausen, die die Windkraftpläne von Beginn an befürwortet hat, die Straße übernimmt. Darüber wird zurzeit verhandelt, bestätigt Dezernent Jürgen Schlöder von der Kreisverwaltung auf NZ-Anfrage. Er verweist darauf, dass der Kreis Bernkastel-Wittlich den auf seinem Gebiet liegenden Teil der Kreisstraße bereits eingezogen hat. Was bedeuten würde, dass daraus ein Feldwirtschaftsweg wird.
Nur noch wenige Autos unterwegs
Grundlage dafür ist ein Schreiben des Landesbetriebs Mobilität vom 19. September 2018, in dem die Behörde betont, dass die K 56 nicht mehr die Funktion einer Kreisstraße und selbst auch nicht mehr die einer Gemeindestraße erfüllt, weil sie von zu wenigen Autos befahren wird. Dies gilt auch für die weiterführende K 125 des Landkreises Bernkastel-Wittlich.
Lange schien es so, als könnte die ungeklärte Zuwegung ein K.-o.-Argument, zumindest aber ein Hindernis für die fünf von dem baden-württembergischen Energiekonzern EnBw angepeilten Anlagen sein, von denen eine vorerst zurückgestellt worden ist. Denn der LBM und die Kreisverwaltung in Birkenfeld hatten zunächst die Position vertreten, dass über die Kreisstraße, die nur für Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen zugelassen ist, kein Schwertransport in der Größenordnung der Bauteile möglich ist. Eine Ausnahmegenehmigung komme für den Landkreis nicht infrage, betonte Landrat Matthias Schneider seinerzeit gegenüber der Nahe-Zeitung.
Jetzt aber sieht plötzlich alles ganz anders aus. Die Ortsgemeinde Hellertshausen will den Windpark wegen der Pachteinnahmen, die sie für die beiden auf ihrer Gemarkung liegenden Rotoren erhalten würde, unbedingt. Und vor allem aus diesem Grund will sie auch die Straße übernehmen. Ortsbürgermeister Norbert Alt macht keinen Hehl daraus, dass die Gemeinde eine Ausnahmegenehmigung erteilen würde, damit die Bauteile in den Vierherrenwald gebracht werden können. Das wäre grundsätzlich auch über einen Wirtschaftsweg möglich. Jetzt geht es aber zunächst einmal um die Modalitäten der Übernahme. Dabei sollten am Ende möglichst keine Fragen mehr offen bleiben, sagt Jürgen Schlöder.
Bei einer Einziehung wäre der Landkreis – anders als bei einer Abstufung zur Gemeindestraße – laut Dezernent Schlöder grundsätzlich zu nichts verpflichtet. Eine Gemeindestraße müsste der Landkreis vor der Übergabe auf eigene Kosten herrichten oder eine entsprechende Summe an die Gemeinde zahlen. Diese müsste ab dann für deren Unterhaltung aufkommen und hätte die Verkehrssicherungspflicht. Eine Gemeindestraße scheint in diesem Fall aber ohnehin abwegig: Denn sie wäre, wenn die K 125 im Nachbarkreis zum Feldwirtschaftsweg wird, für Autofahrer eine Sackgasse. Deshalb dürfte es wohl darauf hinauslaufen, dass neben der K 125 auch die K 56 zu einem Wirtschaftsweg wird.
Fruytier bietet Straßenteile an
Auch der belgische Holzkonzern Fruytier, dessen Verantwortliche vor einigen Jahren einen beispiellosen Kahlschlag im Vierherrenwald vorgenommen hatten, pocht nach NZ-Informationen im Rahmen der laufenden Verhandlungen darauf, dass seine Interessen gewahrt werden. Sie bestehen vor allem darin, dass über die Straße auch zukünftig Holztransporte laufen können. Der Familie Fruytier gehören zudem Teile der Noch-Kreisstraße, die sie dem Landkreis Birkenfeld zum Preis von 1 Euro angeboten hat.
Aber es gibt offenbar noch weitergehende Begehrlichkeiten: Sollte die Familie sich irgendwann entscheiden, ebenfalls Windenergieanlagen im Vierherrenwald zu errichten, „darf die heutige K 56 dann ebenfalls für die entsprechenden Transporte der Einzelteile für die Errichtung der WEA, auch soweit es sich um Schwerlasttransporte handelt, sowie für die laufende Wartung beziehungsweise Instandsetzung der WEA und das sogenannte Repowering genutzt und befahren werden“, fordert der Fruytier-Anwalt in einem unserer Zeitung vorliegenden Schreiben an die Kreisverwaltung.
Die Gegner des jetzt geplanten Windparks hatten von Beginn an befürchtet, dass die Ortsgemeinde Hellertshausen mit ihrem Alleingang eine Tür für weitere Windräder in dem bisher noch windkraftfreien Idarwald geöffnet hat. Nach dem neuen Landesentwicklungsplan (LEP) IV ist das auch in der Kernzone des Naturparks Saar-Hunsrück im Vierherrenwald nicht mehr völlig ausgeschlossen: Waren solche besonders geschützten Flächen vorher für Windkraft absolut tabu, so sind jetzt unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen möglich.
Uwe Anhäuser, Mitglied der Bürgerinitiative „Windkraftfreier Idarwald“ und Kreistagsmitglied der LUB, kritisiert hinsichtlich der Verhandlungen zur Einziehung der K 56 „eine Intransparenz auf allen Ebenen. Es laufen hintenrum Gespräche, von denen die Öffentlichkeit nichts weiß und nichts erfährt.“ Eine ausführliche Anfrage der LUB im Kreistag sei kurzerhand an den Infrastrukturausschuss verwiesen worden.
Anhäuser kritisiert auch das Gebaren des Ortsgemeinderates in Hellertshausen, der die Meinung seiner Bürger, die sich bei einer Umfrage der BI zu rund 80 Prozent gegen die Windräder ausgesprochen hatten, völlig ignoriert habe.
Vertrag in Windeseile unterzeichnet
Seltsam sei auch, dass seinerzeit nach Eingang des Bürgerbegehrens bei der damaligen VG-Verwaltung Rhaunen in Windeseile die entsprechenden Verträge für den Windpark unterzeichnet worden seien, sodass das Begehren, das den Windpark hätte verhindern können, nicht mehr zum Tragen kam. Aus Sicht des Kommunalpolitikers hat es zudem mehr als ein Geschmäckle, dass EnBw, der zukünftige Betreiber des Windparks, und der Projektierer Gaia der Ortsgemeinde Hellertshausen just an dem Tag, an dem die Windräder genehmigt worden seien, Spenden haben zukommen lassen.