Camilo „Omilac“ Gierst steht in einem dunklen Wald – Laub weht in Kreisbewegungen um seinen Körper. Er rappt: „ Ich bin ein Loner jeden Tag. Ich mach immer weiter. Ja, ich schaufel mir mein Grab. Wird es wieder besser oder geht’s nochmal bergab? Ich hasse mich selbst. Ja, ich hasse, was ich mach.“
Der Zuhörer verspürt vor allem eins: Traurigkeit – aber auch eine gewisse Nähe zu dem jungen Rapper aus Brücken. Denn in dem neuen Titel „Autopilot“ des 18-Jährigen, der am 6. Juni auf allen bekannten Streamingplattformen, wie Spotify, Apple Music und Youtube erschienen ist, geht es um eine verlorene Liebe, mentale Gesundheit und den Umgang mit Drogen.
„Ich könnte zu keinem Menschen so ehrlich sein, wie zu meinem Mikrofon“
Mit seinem neuen Künstlernamen „Omilac“ (früher YNW Danger) will Gierst sich neu erfinden – raus aus der künstlerischen Pubertät, wie er sagt. „Meine alten Songs werden für die Öffentlichkeit gelöscht, ,Omilac’ ist ein absoluter Neustart“, kündigt er an. „Ich stehe nicht mehr hinter den alten Songs, das bin nicht mehr ich, ich habe mich weiterentwickelt“, fügt er hinzu. Dazu gehöre auch ein neuer Stil mit starken RnB-Einflüssen und ganz eigenem Sound. Schon im Juli soll nach „Autopilot“ der nächste Song folgen.
Als Omilac will Gierst mehr von sich selbst in seine Songs präsentieren – menschlicher, persönlicher werden. „Omilac, das ist die Person, die ich jetzt bin, ich könnte zu keinem Menschen so ehrlich sein, wie zu meinem Mikrofon“, sagt er. Die Musik sei für den 18-Jährigen ein Ventil für Erlebtes.

Denn der in Kolumbien geborene Brückener, der seit Kurzem in Mengerschied in der VG Simmern-Rheinböllen lebt, hat in seiner kurzen Lebenszeit einiges verarbeiten müssen.
So hat Gierst bereits früh Rassismus erlebt. „Ob in Brücken oder auf der weiterführenden Schule in Türkismühle, ich war immer der Einzige, der als ’anders’ wahrgenommen wurde – wegen meiner Hautfarbe, meiner Braids (Flechtfrisur, Anm. der Red.), weil ich mich gerne in Pink oder Lila kleide.“ Dass viele Mitmenschen, seine Mitschüler ihn für „Anders“ hielten, hätten sie ihn regelmäßig spüren lassen. „Du darfst nicht mitspielen, du wirst geschubst, musst dir andauernd rassistische Kommentare anhören.“ Er habe immer so getan, als sei es ihm egal. „Aber es hat mich verletzt. Ich wollte einfach ich selbst sein, aber das haben sie nicht akzeptiert. Ich habe mich oft allein gefühlt.“
Hinzu kommen persönliche Schicksalsschläge: „Menschen, die ich geliebt habe, die mich akzeptiert haben, wie ich bin, sind verstorben.“
Vom Keller des Elternhauses auf die große Bühne
Die Musik wird für Gierst zum Zufluchtsort. Jeden Tag nach der Schule beschäftigt er sich mit ihr. „Ich hab so in der siebten oder achten Klasse ganz klein angefangen, hab die Songs meiner Lieblingsrapper wie Edosayia, Absent oder 6lack gecovert und mit dem Handy aufgenommen.“ Später dichtet er eigene Texte auf die Tracks seiner Vorbilder. „Ich hab einfach über die Songs drüber gerappt, ich wusste ja noch nicht, wie man Beats macht“, sagt er lachend. Von dem Geld, das er beim Zeitungsaustragen verdient, kauft er sich mit 14 Jahren sein erstes richtiges Equipment – bringt sich das Mixen von Beats, die technische Seite des Rap, selber bei, schreibt Texte. Als Gierst Eltern merken, dass es ihm ernst ist mit der Musik, stellen sie ihm einen Raum im Keller des Elternhauses zur Verfügung, wo er in Ruhe kreativ sein kann und helfen ihm mit der Finanzierung für weiteres technisches Zubehör. „Meine Eltern haben mich immer unterstützt“, sagt er. Das musikalische Talent habe er wohl von seinem kürzlich verstorbenen Großvater geerbt, sagt Gierst. „Mein Opa war auch Musiker, hat immer Gitarre gespielt und war so mein erster Kontakt zur Musik. Auch für ihn mache ich Musik und der Gedanke an meinen Opa motiviert mich, wenn es mal schwer wird, trotzdem weiterzumachen, einfach durchzuziehen.“

Während der Corona-Pandemie widmet er sich jeden Tag seiner Musik. „Corona war für mich ehrlich gesagt ein Glücksfall. Die Schule ist ausgefallen, und ich hatte jeden Tag Zeit, Musik zu machen.“ Doch der bisher wohl bedeutendste Schritt seiner jungen Rap-Karriere war ein Praktikum bei dem Idar-Obersteiner Label All Elite Music des Rappers Kevin Quint, das Griest ebenfalls im Alter von 15 Jahren an Land zieht. Seitdem wird er von dem Label vertreten und stand bereits im Vorprogramm von deutschen Rap-Größen, wie Haftbefehl oder Azad auf der Bühne. „Darauf bin ich unglaublich stolz, das sind Leute, die ich früher nur aus ihren Songs kannte“, sagt Griest. Doch für ihn sei es trotzdem nicht das Wichtigste an seiner Label-Zugehörigkeit. „Ich verbringe fast jedes Wochenende in Idar-Oberstein, weil ich mich bei All Elite Music akzeptiert fühle, aufgehoben und verstanden, wie ich bin, ich gehöre endlich irgendwo dazu.“
Und dieses Gefühl will er auch mit seiner Musik vermitteln. „Du bist nie allein, es ist ok du selbst zu sein, es ist ok ’anders’ zu sein und es ist auch ok sich schlecht zu fühlen. Das soll die Message meiner Musik sein“, sagt Gierst.