Der Hoch- und Idarwald gehört zu den fünf Gebieten in Rheinland-Pfalz, die für einen Nationalpark geeignet sind. Mit dieser Nachricht aus Mainz beginnt im September 2011 ein intensiver, spannender Prozess um die Standortfindung. Nach mehr als zwei Jahren mit kontroversen Diskussionen, Informationsveranstaltungen, Foren und schließlich einem Abstimmungsmarathon steht im Dezember 2013 schließlich fest: Der Nationalpark kommt in den westlichen Hunsrück. Die Nahe-Zeitung zeichnet den Weg zu dieser historischen Entscheidung nach.
Die ersten Reaktionen im September 2011 sind eher verhalten bis ablehnend. „Das würde einen Aufschrei der Ortsgemeinden nach sich ziehen. Unser Wald ist das Schatzkästchen der VG. Die Einnahmen daraus konsolidieren die Haushalte. Ich wüsste nicht, wie das funktionieren sollte“, meint beispielsweise Georg Dräger, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Rhaunen. „Ich halte den Pfälzerwald und den Soonwald für eher geeignet“, betont auch Georg Graf von Plettenberg, Leiter des Forstamtes Birkenfeld.

Sein Vorgänger Dr. Ulrich Sommer und Irene Kämpf-Konrad aus Idar-Oberstein rufen im November 2011 eine Bürgerinitiative ins Leben: „Das ist eine einmalige Chance, die wir nicht ungenutzt lassen sollten“, betonen beide. Bernhard Alscher (Freie Wähler), Bürgermeister der Verbandsgemeinde Birkenfeld, bezeichnet den Nationalpark hingegen als „politisch motiviertes Prestigeobjekt der Grünen“. Ein solches Schutzgebiet im Hunsrück bedrohe rund 800 Arbeitsplätze bei den Sägewerken der Region, warnen deren Vertreter.
Bei einem Infoabend im Dezember 2011 mit 350 Besuchern im Umwelt-Campus Birkenfeld nennt ein Morbacher Sägewerk-Chef die Pläne „dekadent und unsozial“. „Der Nationalpark ist für uns die allerletzte Chance, strukturell etwas zu verändern“, betont hingegen Landrat Matthias Schneider im Interview mit der Nahe-Zeitung. Der Kreistag bekundet einstimmig, also mit den Stimmen der CDU, sein Interesse an dem Projekt, während die Landes-CDU Stimmung gegen das Projekt macht.

„Der Hochwald ist nicht nur zweite Wahl“, versichert Umweltministerin Ulrike Höfken im März 2012 im Interview mit der Nahe-Zeitung. Hochwald und Soonwald seien als Gebiete für einen Nationalpark gleichermaßen gut geeignet. Die Alternativen Saargau, Pfälzerwald und Truppenübungsplatz Baumholder waren zuvor schon ausgeschieden.
Auf wenig Gegenliebe im westlichen Hunsrück stößt im Mai 2012 ein Vorschlag von Franz-Josef Diel (CDU), Landrat im Kreis Bad Kreuznach. Er bringt eine „Perlenkette“ mit einem lang gezogenen Park vom Binger Wald bis ins Saarland ins Gespräch. Zuvor lässt er durchblicken, dass er auch mit einer Lösung ohne Soonwald gut leben könne.
„Wie kann man so etwas sagen?“, ereifert sich sein Kollege und Parteifreund Bertram Fleck, Landrat im Rhein-Hunsrück-Kreis, der einen Park im Soonwald befürwortet. Diel wirbt kurz darauf in einer Pressekonferenz für einen zweigeteilten Nationalpark im Hochwald und im Soonwald. Aber auch mit dieser Kombi-Lösung blitzt er bei den Kommunalpolitikern im westlichen Hunsrück ab. Fleck findet auch zu diesem Vorschlag deutliche Worte: „Entweder ich will einen Nationalpark, oder ich will ihn nicht. Ein bisschen schwanger geht nicht.“

Im Juni 2012 beginnt der Bürgerdialog. In Leisel erfolgt der Auftakt mit moderierten Diskussionen über das Für und Wider eines solchen Schutzgebiets. Noch gibt es viele Vorbehalte und Bedenken, wenn auch längst nicht so massiv wie im Soonwald. Die Einheitsgemeinde Morbach, wo die ortsansässigen Sägewerke weiter gegen den Park mobil machen, soll bei der Festlegung der Gebietskulisse vorsorglich außen vor bleiben. Die saarländische Umweltministerin Anke Rehlinger (SPD) bekräftigt in einem Brief an ihre Amtskollegin Ulrike Höfken das Interesse der Landesregierung im Saarland an dem Projekt.
Am Brennholz entzündete sich im Soonwald der zum Teil sehr vehemente Widerstand gegen den Nationalpark. So weit soll es im Hochwald nicht kommen: „Die Brennholzversorgung wird sichergestellt“, betont Dr. Harald Egidi, der für die Landesregierung das Projekt koordiniert.

Die Naturschutzverbände im Kreis Birkenfeld – BUND, Gnor, Nabu und Pollichis – sprechen sich im November 2012 in einer gemeinsamen Stellungnahme für einen ausreichend großen Nationalpark im Hochwald aus. Sie widersprechen damit den Aussagen eines Greenpeace-Gutachters, wonach eine Kombilösung mit dem Soonwald mit getrennten, jeweils etwa 5000 Hektar großen Schutzgebieten die einzig tragfähige Lösung für einen Nationalpark im Hunsrück sei.
Der Premium-Park nimmt im Dezember 2012 konkrete Form an. In einem Workshop am Umwelt-Campus wird über ein Eckpunktepapier diskutiert. Es sieht ein geschlossenes Gebiet mit einer Größe von 10.000 Hektar vor. Die Kombilösung mit dem Soonwald ist damit endgültig vom Tisch.
Umweltministerin Ulrike Höfken begrüßt das von den Kommunen erarbeitete Eckpunktepapier. Sie wehrt sich gegen Kritik aus der Säge- und Holzindustrie: „Die Sägewerker haben ernsthafte Probleme, die aber nichts mit dem Nationalpark zu tun haben.“ Auch die Landwirte im Kreis Birkenfeld sind gegen einen Nationalpark. Das ist im Februar 2013 die Botschaft vom Kreisbauerntag in Veitsrodt.

Als „streng volks- und betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise“ bewertet Landrat Matthias Schneider die Aussagen seines Parteifreundes, des CDU-Kreisvorsitzenden Wolfgang Benzel. Dieser mahnt, die Vor- und Nachteile „offen und ehrlich zu analysieren statt sozialromantischen Träumereien nachzuhängen“. Es sei bedauerlich, dass manche „den Zweck eines Nationalparks auf wirtschaftliche Aspekte und kurzfristigen Profit reduzieren“, ist der Tenor bei einer Versammlung der Bürgerinitiative Pro Nationalpark.

Die Landesregierung will den westlichen Hunsrück in Verbindung mit dem Nationalpark mit einer Art Masterplan als ländliche Modellregion gezielt fördern und weiterentwickeln. Diese Botschaft steht bei einem internen Gespräch mit den Vertretern des Landes und der Kommunen im Klosterhotel Marienhöh im Mittelpunkt.
Ein Landwirt aus Talling gründet im März 2013 mit anderen Kritikern in Thalfang den Verein „Ja zur Natur, nein zum Nationalpark“, der aber kaum Akzente setzen kann. Einstimmig segnet der Birkenfelder Kreistag das kommunale Eckpunktepapier für den Nationalpark ab. Der Beschluss beinhaltet die Aufforderung an die Landesregierung, „zeitnah strukturverbessernde Maßnahmen innerhalb und außerhalb des Nationalparks“ vorzustellen.

Ulrike Höfken spürt bei der Präsentation der Ergebnisse des Bürgerdialogs in der Grundschule Wildenburg in Kempfeld „eine Aufbruchstimmung, die ich so noch gar nicht erwartet habe“. Die Sprecher der insgesamt acht Arbeitskreise begnügen sich aber nicht damit, jede Menge Vorschläge und Ideen, aber auch Bedenken vorzutragen. Eine Sprecherin fordert abschließend in einer gemeinsamen Resolution eine weitere aktive Beteiligung der Bürger.
Neben den Kreistagen Birkenfeld, Trier-Saarburg und St. Wendel befürwortet im April 2013 auch die Mehrheit der beteiligten Verbands- und Ortsgemeinden das Eckpunktepapier. Alle plädieren zugleich dafür, das Projekt Nationalpark weiter zu verfolgen.
Die CDU im Kreis Birkenfeld fordert im Juni 2013 eine Bürgerbefragung zum Nationalpark in den berührten Ortsgemeinden. Ministerin Höfken lehnt das ab: Die modellhafte Bürgerbeteiligung werde dem vielschichtigen Thema eher gerecht als einfaches Ja oder Nein.

In Birkenfeld wird im Juli 2013 der Freundeskreis Nationalpark gegründet, dem innerhalb weniger Tage 200 Mitglieder beitreten. Der Verein wird schließlich auf mehr als 500 Unterstützer wachsen und ist in der Gründungsphase ein enorm wichtiger Akteur, ehe er nach internen Querelen immer mehr an Bedeutung verliert und heute nur noch eine Nebenrolle spielt.
Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Umweltministerin Ulrike Höfken präsentieren in Kirschweiler das Landeskonzept zum Nationalpark – als besonderes Angebot an die Region, wie beide betonen. Deren Vertreter sehen aber noch Nachbesserungsbedarf. Zu wenig konkret, kritisieren sie unter anderem.
Beim Abstimmungsmarathon über das Landeskonzept und damit den Nationalpark ergibt sich im Dezember 2013 unter den beteiligten Kommunen im Saarland und in Rheinland-Pfalz eine überraschend deutliche Mehrheit pro Park. Selbst Gemeinden wie Schwollen, Börfink und Brücken, wo es lange erhebliche Widerstände gab, votieren für das Schutzgebiet. Den Schlusspunkt setzt der Birkenfelder Kreistag. Damit ist der Weg für den Nationalpark frei.

Im Dezember 2014 erhalten die ersten 16 Ranger für den Nationalpark im Bürgerhaus in Rinzenberg nach bestandener Prüfung ihre Urkunden. Das Nationalparkamt bezieht im März 2015 sein Übergangsdomizil auf dem Gelände der Elisabeth-Stiftung in Birkenfeld. Ministerin Höfken stellt im gleichen Monat das Logo für den Nationalpark vor: die Keltenkatze.
Zur großen Eröffnungsfeier an Pfingsten 2015 kommt neben Malu Dreyer und Ulrike Höfken auch die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, während die rheinland-pfälzische CDU dem Festakt geschlossen fernbleibt. Bis heute scheint sie dem Projekt eher skeptisch gegenüberzustehen.

Der Nationalpark war und ist vorrangig ein Projekt der Grünen und des von ihr geführten Umweltministeriums. Die SPD hat sich zwar klar zum Nationalpark bekannt, die von ihr geführten Ministerien zeigen aber nach wie vor kein sonderlich großes Engagement. So bleibt abzuwarten, wie es mit dem Premiumschutzgebiet nach der Landtagswahl im März 2026 mit dann möglicherweise anderen Kräfteverhältnissen weitergeht.

Viel kleiner als Yellowstone, aber doch einzigartig
Auf 10.000 Hektar erstreckt sich der Nationalpark Hunsrück-Hochwald über die Hochlagen des Hunsrücks. Das Bundesamt für Naturschutz zählt das Gebiet zu einer „Hotspot-Region für biologische Vielfalt“. In zehn Jahren hat sich viel getan.

Naturpark: Warum ein toter Wald Forscher staunen lässt
Vor den Geburtstagsfeierlichkeiten schaut die rheinland-pfälzische Umweltministerin mit einer Besuchergruppe im Nationalpark vorbei. Warum Katrin Eder immer wieder gern im Hunsrück unterwegs ist – und warum ein toter Forst auch Chancen bietet.
Nationalpark Hunsrück-Hochwald feiert Zehnjähriges
Das Programm am Samstag, 7. Juni, am Erbeskopf: 11 Uhr Eröffnung des Festwochenendes durch Ministerpräsident Schweitzer und die Umweltministerinnen Eder und Berg. Buntes Programm für Groß und Klein: ab 11.15 Uhr Autogrammstunde mit der Deutschen Edelsteinkönigin Vivian Heidrich; 14 Uhr Hunsrücker Blasmusikfreunde (Bühne im Festzelt); ab 13 Uhr Rangertouren; 14 Uhr Exkursion mit Dr. Martin Mörsdorf, 15.30 und 16 Uhr „Felix Wildkatze“ – Exkursion für Kinder (5 bis 8 Jahre), 14.30 Uhr Clown Lolek (Bühne im Festzelt);15.15 Uhr Mark Bloomer & Mia Simon (Bühne im Festzelt); 18.30 Uhr musikalischer Ausklang mit My Coverband
Sonntag, 8. Juni, und Montag, 9. Juni: ab 11 Uhr Bühnenprogramm am Nationalparktor Otzenhausen; 11 Uhr Ökumenischer Gottesdienst mit musikalischer Untermalung durch den Singkreis Primstal; ab 13 Uhr Rangertouren und geführte Wanderungen
Das dritte Nationalpark-Tor an der Wildenburg ist aufgrund der dort laufenden Umbaumaßnahmen bei den Feierlichkeiten außen vor.