Über Plattformen wie YouTube, Tik Tok oder Instagram können auch Kinder mit dem Smartphone uneingeschränkt und größtenteils kostenlos auf zahlreiche Videos zugreifen. Zum Problem wird das besonders, wenn sie mit Inhalten konfrontiert werden, die nicht altersgerecht sind. „Das kann die Kinder verstören, verängstigen und in ihrer Entwicklung hemmen“, sagt Uta Schmitt, Schulleiterin der Grundschule in Birkenfeld, gegenüber unserer Zeitung.
An ihrer Schule sorgte ein solcher „Internet-Hype“ im Februar dieses Jahres für Besorgnis bei Kollegium und Eltern. „Mehrere Kollegen hatten bei der Pausenaufsicht beobachtet, wie Schüler Szenen aus der Serie Squid Game auf dem Schulhof nachspielen“, berichtet Schmitt.

Die Netflix-Serie aus Südkorea fand mit ihrer ersten Staffel im Jahr 2021 viele Fans und große Verbreitung auf Social-Media-Plattformen. Ende 2024 folgte die zweite Staffel und wurde ähnlich breit angenommen. Die Grundhandlung: Hochverschuldete Menschen werden mit dem Versprechen einer Lösung für ihre Geldprobleme in einen Bunker gelotst. Dort müssen sie südkoreanische Kinderspiele spielen, auf den Sieger wartet eine große Geldsumme. Der Haken an der Sache: Wer verliert, wird erschossen – mit jedem Toten steigt die Gewinnsumme. Die Serie will zeigen, was Menschen für Geld tun würden und dass, wenn einer reich werden will, viele leiden müssen. Dabei bedient sie sich allerdings expliziter Gewaltdarstellungen.
Grundschule Birkenfeld reagiert auf Squid-Game Hype
Offensichtlich hatten auch einige Birkenfelder Grundschüler Zugriff auf Inhalte aus der ab 16 Jahren freigegebenen Serie und erklärten ein Spiel den anderen. Schmitt zufolge hätten sie auf dem Schulhof das Spiel „grünes Licht - rotes Licht“ aus dem Netflix-Hit gespielt. Jemand steht den Rücken gewandt zu den Spielern, die ihn möglichst schnell erreichen müssen. Dreht die Person sich um, hat verloren, wer sich noch bewegt. Weniger das Spiel selbst, sondern dass die Grundschüler die Serie kennen, erregte bei Schmitt Besorgnis. „Dass Kinder Gesehenes nachspielen, gibt es schon seit Winnetou, allerdings sind die Gewaltdarstellungen in Squid Game besonders verstörend und definitiv nicht für Kinder geeignet“, sagt Schmitt. Die Birkenfelder Grundschule reagiert im Februar sofort, informiert die Eltern und tritt mit ihnen und den Schülern ins Gespräch. „Wir legen sehr viel Wert auf die Vermittlung von Medienkompetenz, arbeiten auch mit dem Medienkompass des Landes Rheinland-Pfalz zusammen“, erklärt die Schulleiterin.

Zumindest die genaue Situation scheint ein Einzelfall an der Grundschule Birkenfeld zu sein. „Wir sind über den Vorgang informiert, weitere Vorfälle dieser Art wurden uns nicht angezeigt. Im eigentlichen Sinne gab es auch an der GS Birkenfeld keinen Vorfall, schon gar nicht wurden Kinder beim Spiel verletzt oder verstört“, teilt die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier auf Anfrage unserer Zeitung mit.
Was Pädagogen aus der Region Eltern im Umgang mit Internettrends raten
Dass allerdings Kinder und auch Jugendliche über Video- oder Social-Media-Portale mit Inhalten konfrontiert werden, die nicht für sie geeignet sind, ist kein Einzelfall. „Natürlich finden auch bei uns solche Inhalte von Ballerspielen wie Fortnite bis zu TikTok-Trends in Gesprächen zwischen Schülern auf dem Schulhof und im Klassenzimmer statt“, sagt Doris Müller, Schulsozialarbeiterin an der Realschule plus und Fachoberschule Birkenfeld. Das thematisiere die Schule auch bei Elternabenden, sowie unter anderem bei Präventionsgesprächen mit Eltern und Schülern. Doch was können Eltern tun, um ihre Kinder durch den Dschungel der digitalen Medien zu leiten? Sogenannte Parent-Watch-Apps können Eltern ermöglichen, die Mediennutzung ihres Kindes im Auge zu behalten. Es gebe auch die Möglichkeit, bestimmte Apps auf dem Handy der Kinder zu sperren. Aber: „Verbote schaffen Neugier“, sagt Müller. Deswegen sei es wichtig, mit den Kindern im Gespräch zu bleiben. „Klärt auf, sprecht mit ihnen über das, was sie gesehen haben“, rät Müller besorgten Eltern. Dabei solle diese Offenheit auch aufrechterhalten werden, wenn das Kind einmal etwas geschaut oder gespielt habe, was eigentlich verboten sei. „Das Kind weiß dann: Die Eltern sind ein guter Ansprechpartner, wenn ich etwas gesehen habe, dass mich verstört oder verängstigt hat“, sagt die Schulsozialarbeiterin.

„Der Medienkonsum ist deutlich extremer geworden, es kommt nicht selten vor, dass Schüler berichten, bis in die Nacht Videos geschaut zu haben“, sagt der Schulleiter des Birkenfelder Gymnasiums Tino Schmitt. Die jeweiligen Trends, ob Squid Game oder andere, seien dabei austauschbar – wichtig sei es als Schule und als Elternteil dort auf dem Laufenden zu bleiben. „Das Medienkonzept unserer Schule setzt darauf, Schüler im Umgang mit der Vielfalt an Möglichkeiten zu sensibilisieren.“ Dabei gehe es nicht nur um das Konsumieren, sondern auch das Erstellen eigener Inhalte. „Schüler filmen bei Schulveranstaltungen oder in der Freizeit andere Schüler, die Videos werden über Whatsapp verschickt“, beschreibt Schmitt. Hier sei es wichtig, im Elternhaus und an den Schulen über das Recht am eigenen Bild aufzuklären. „Reden sie mit ihrem Kind darüber, welche Inhalte es auf WhatsApp verschickt, wer darauf zu sehen ist und auch welche Inhalte es sich selbst anschaut.“ Eltern, die Neugier am Leben und auch den Internetaktivitäten ihrer Kinder zeigen würden, statt ausschließlich mit Strafen zu agieren, würden meist automatisch eingeweiht.
Lehrer und Lehrerinnen müssten bei Gesprächen über Medieninhalte aber auch immer darauf achten, nicht der „Türöffner“ zu sein, sagt Barbara Fuss, Schulleiterin der Grundschule Hoppstädten-Weiersbach. „Nicht jedes Kind kennt die Inhalte, es muss immer abgewogen werden, ob ein Gespräch in der Klasse oder ein Einzelgespräch geboten ist.“ Sie rät Eltern zu Handynutzungsverträgen mit den Kindern. „Wenn es Verbotszonen bei Aktivitäten, wie dem gemeinsamen Essen gibt, müssen sich auch die Eltern daran halten“, fügt Fuss hinzu.