Strohbärenumzug Dienstweiler
Wenn der hungrige Strohbär durch das Dorf zieht
„Hahn, Äppelche, Hahn, die Faasenacht geht aahn. Gebt uuhs Eier orra Speck, sonschd geh mer net von der Dier eweg, Hahn, Äppelche, Hahn“, singen der Bär und sein Gefolge und fordern so Lebensmittel ein.
Niels Heudtlaß

Der Strohbärenumzug am Karnevalsdienstag ist in Dienstweiler eine Fastnachtstradition. Auch in diesem Jahr zogen der Bär und seine närrischen Begleiter durch die Gemeinde und verlangten an den Haustüren nach Eiern und Speck.

Stoisch steht Marcel Märker in einer Scheune des landwirtschaftlichen Betriebs Finck in Dienstweiler. Stück für Stück verschwindet Märker hinter Strohseilen, die mithilfe von Schnüren an seinem Körper befestigt werden. Mehr und mehr verwandelt er sich in eine Dienstweilerer Fastnachtstradition: den Strohbären.

In welchem Jahr genau der erste Strohbär in Dienstweiler geknüpft wurde, weiß im Dorf niemand mehr so recht. Mindestens seit 70 Jahren jedoch wird der Brauch in der Ortsgemeinde gepflegt. Da sind sich die Dienstweilerer einig. Bis in die 1990er-Jahre führte das Dorf getrennte Umzüge für Kinder und Erwachsene durch, mittlerweile ist es üblich, dass alle Narren, ob groß oder klein, am Fastnachtsdienstag gemeinsam mit dem Strohbären durch den Ort ziehen. Der leitet sich von der Figur des wilden Mannes ab, der wie der Narr dem Mittelalter entstammt.

Noch ist der Kopf von Strohbär Marcel Märker zu sehen. Doch schon bald hat Bernd Finck (rechts) auch den eingewickelt.
Niels Heudtlaß

Der wilde Mann symbolisierte wohl Unheil, Gottesferne und den Teufel. Besonders in Gegenden mit landwirtschaftlicher Tradition ist der Strohbär noch heute weit verbreitet, so zum Beispiel in der schwäbisch-alemannischen und in der fränkischen Fastnacht. Im Hunsrück ist der Strohbär eher eine aussterbende Art, die nur noch in wenigen Dörfern gepflegt wird. So zum Beispiel neben Dienstweiler auch in Ruschberg in der VG Baumholder, wo der Brauch seit 1918 ebenfalls am Fastnachtsdienstag begangen wird, und in Wirschweiler.

Wie ein Mensch sich in Dienstweiler in einen Bären verwandelt

Seit 2018 bekleidet Märker in Dienstweiler die Rolle des struppigen Bären aus Stroh. „Man darf weder Platzangst noch eine Reizblase haben. Wenn wie heute die Sonne scheint und es warm ist, komme ich zudem ziemlich ins Schwitzen“, sagt er lachend, während auch sein Kopf unter den Strohseilen verschwindet. „Es ist wichtig, diese Tradition zu bewahren. Wenn das ausstirbt, würde unserem Dorf etwas von seinem Charakter verloren gehen“, erklärt Märker seine Motivation, sich einmal im Jahr in Stroh verpacken zu lassen. Das Stroh für den Strohbären stammt aus dem Betrieb von Elmar Finck. Bei der Ernte der Wintergerste lege er das für den Strohbären infrage kommende Stroh für die Tradition beiseite, sagt er. Bereits am vergangenen Samstag seien einige Menschen aus dem Dorf vorbeigekommen, um die langen Seile zu drehen. Dabei verwenden die Dienstweilerer keine Hilfsmittel, die Seile bestehen ausschließlich aus dem beiseitegelegten Stroh.

Rund zwei Stunden dauert die Einwickelprozedur mit den langen Strohseilen. In dieser Zeit muss Märker möglichst still stehen.
Niels Heudtlaß

Am Dienstagmittag ab 12 Uhr schlägt dann die Stunde von „Chefeinwickler“ Bernd Finck. Er bringt für rund zwei Stunden die Seile am Körper von Märker an. „Mein Vater hat das schon gemacht, ich habe mir die Technik bei ihm abgeschaut“, sagt Finck, der schon seit vielen Jahren hauptverantwortlich für die Herstellung des Dienstweilerer Strohbären zuständig ist. Langsam füllt sich der Platz vor Elmar Fincks Scheune mit gut gelaunten Dienstweilerern in Karnevalskostümen. „Der Strohbärenumzug ist jedes Jahr ein Muss, es ist schön, dass die Dorfgemeinschaft zusammenkommt und zusammen feiert“, sagen Janina Hasanov und Stina Schuch, die sich, seit sie nach Dienstweiler gezogen sind, jedes Jahr auf den Umzug freuen.

Durch große Teile von Dienstweiler führt Bärenführer Torsten Banner den Strohbären Marcel Märker an einer Eisenkette. Den Umzug der Narren aus dem Dorf haben sie dabei immer im Schlepptau.
Niels Heudtlaß

Gegen 14 Uhr geht es los, der Strohbär beginnt seinen Gang durchs Dorf an der Leine von Bärenführer Torsten Banner, die Narren folgen ihm. Manche Dienstweilerer haben vor ihren Häusern kleine Verpflegungsstationen aufgebaut und empfangen den Strohbären mit dem traditionellen frittierten Hefegebäck und auch Getränken. Bei anderen müssen der Bär und sein Anhang erst Überzeugungsarbeit leisten. „Hahn, Äppelche, Hahn, die Faasenacht geht aahn. Gebt uuhs Eier orra Speck, sonschd geh mer net von der Dier eweg, Hahn, Äppelche, Hahn“, singen der Strohbär und vor allem die mitgelaufenen Kinder. Meist werden sie belohnt. „Die Alteingesessenen wissen, dass sie die Tür nicht zu weit aufmachen dürfen, sonst rennt der Strohbär durchs Haus und verteilt sein Stroh überall auf Teppichen und Betten. Bei manchen Zugezogenen klappt das noch“, berichtet eine Dienstweilerin. So überreichen die meisten ihre Gaben in Form von Eiern, Speck und Brot lieber direkt auf der Straße. Aus den erbeuteten Lebensmitteln wird später im Gemeindehaus ein Abendessen für das ganze Dorf zubereitet.

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