Von unserem Redakteur Volker Boch
Um 10 Uhr geht es im Pro-Winzkino los mit diesem heimatlichen Frühwerk, einem Dokumentarfilm, der vieles aus der Zeitgeschichte und von den Hunsrücker Menschen erzählt, die sich in diesem Wandel der Zeit bewegten. „Wir haben uns überlegt, dass dieser Film sehr gut in den Kontext des Premierentages passen könnte“, erklärt Wolfgang Stemann vom Kino-Team, „damit beginnt die Vorbereitung auf das Heimat-Werk von Edgar Reitz.“
Im Herbst 1980 entstand der Dokumentarfilm, den das Kino als Einstieg in den inhaltlichen Rahmen der Premiere zur anderen Heimat anbietet. Es ist die Zeit, in der sich der damals 47 Jahre alte Edgar Reitz gemeinsam mit seinem Co-Autor Peter Steinbach auf die „Heimat“ vorbereitet. Die beiden arbeiten Woppenroth als „Schabbach“ heraus, einen fiktiven Ort, der in die Filmgeschichte eingeht.
Es entsteht ein elfteiliger erster Teil von „Heimat“ und aus diesen Anfängen letztlich eine Trilogie in 30 Teilen und mehr als 52 Stunden Dauer. Zwischen 1982 und 2004 erscheint ein monumentaler Filmzyklus von „Heimat 1“ bis „Heimat 3“, der weltweit Anerkennung findet und als zeitloses Gesamtkunstwerk gilt. Der am 1. November 1932 in Morbach geborene Edgar Reitz ist mit der „Heimat“ berühmt geworden und hat seine Heimat berühmt gemacht. Der Sohn eines Uhrmachers und einer Modistin ging in Simmern zur Schule und machte am dortigen Herzog-Johann-Gymnasium 1952 sein Abitur.
In seinen filmischen Werken sind immer wieder auch Parallelen zu seiner eigenen Biografie und Wegbegleitern zu finden. So zog es Reitz – wie die Filmfigur Hermann Simon – selbst nach dem Abitur zum Studium der Theaterwissenschaften, Publizistik und Kunstgeschichte nach München. Auch Reitz musste erst einmal raus aus dem engen Hunsrück der 1950er-Jahre. Aber er kam immer wieder zurück, weil die Region seine Heimat blieb und er nur hier in der ihm eigenen Intensität von „Heimat“ erzählen konnte.
Solche Parallelen finden sich auch in „Die andere Heimat“. Auch Vorfahren von Reitz sind im 19. Jahrhundert nach Brasilien ausgewandert, um dort einen neuen Anfang zu wagen. Weggehen, um neu anzukommen – diese Maxime begleitete auch ihren Weg, wie so den vieler anderer Hunsrücker und Rheinland-Pfälzer, die nach Süd- und Nordamerika gingen. Ihre Heimat war in den 1840er- und 1850er-Jahren von Armut und Hungersnöten geprägt.
Damals war der Hunsrück wie andere Regionen im ländlichen südwestdeutschen sehr karg. Sie verließen Orte wie „Schabbach“, um in Regionen wie Rio Grande do Sul eine Zukunft zu haben. Am Premierentag gibt es in Simmern die Beurkundung einer Städtepartnerschaft zwischen Simmern und der brasilianischen Stadt Igrejinha. Von dort kommen in den vergangenen Jahren immer wieder Reisegruppen in den Hunsrück, um die Heimat ihrer Ahnen kennen zu lernen. Sie reisen zurück in der eigenen Geschichte, in die andere Heimat.