Der alte Laden im Mühlengebäude, den täglich 30 bis 40 Kunden besuchten, war zu klein geworden. Weil ein Anbau wegen der Brandschutzauflagen zu aufwendig geworden wäre, entschied sich die Familie für einen Neubau. Entscheidend dafür war, dass ihre 26-jährige Tochter Marina als gelernte Floristin mit einstieg und die Nachfolge dadurch gesichert ist. „Blumen und Schweinehaltung habe ich noch nie nebeneinander gesehen“, staunte die Ministerin.
Die Weitersbacher Mühle trat als einer der ersten Betriebe dem Regionalbündnis SooNahe bei. Man habe früh auf Qualität und Regionalität gesetzt, betonte Ulrich Lorenz. Er baut im elterlichen Hof in Mengerschied und in Weitersbach auf 90 Hektar das Getreide an, das dann in der Mühle verarbeitet und schließlich im Laden verkauft wird. Bundesweit ist sie ein Zwerg. Während die Marktführer täglich bis zu 24.000 Tonnen Mehl mahlen, ist es in Weitersbach gerade mal eine Tonne. Dafür ist beispielsweise der dort angebotene Eliteweizen besonders: „Wer ihn einmal probiert, will keinen anderen mehr“, schwärmt Müllermeisterin Daniela Müller-Lorenz von ihrem eigenen Produkt. Immer freitags und samstags offeriert die Bäckerei Fritzen aus Burgen Backwaren, die aus dem Mehl der Mühle hergestellt werden. Die geplanten Backkurse können wegen Corona vorerst nicht stattfinden. Im neuen Naturkostladen, der trotz viel Eigenleistung einen sechsstelligen Betrag gekostet hat, wird auch Wurst angeboten. Die stammt von den Schweinen, die in Freilandhaltung ihr Leben bis zur Schlachtung genießen können.
Das Fleisch ist begehrt: Neue Kunden, die ein Zehn-Kilo-Paket ordern, müssen bis zu vier Jahre warten. „Immer mehr Menschen sind bereit, für ein gutes regionales Produkt auch mehr zu bezahlen“, freut sich Ulrich Lorenz. Der 55-Jährige verhehlt aber nicht, dass der Weg nicht immer eben und leicht war. Er bedauert, dass die Landwirtschaft insgesamt immer mehr industrialisiert wird und nur Größe das Überleben sichert. „Die Entwicklung geht immer weiter weg vom bäuerlichen Familienbetrieb.“
Lorenz hofft, dass die Corona-Krise mit zum Umdenken beiträgt. Durch diese „hat die Stunde der Regionalität geschlagen“, ist sich Umweltministerin Ulrike Höfken, die vor ihrer politischen Karriere selbst Schweine züchtete und mästete, mit dem SooNahe-Vorsitzenden Rainer Lauf einig. Die Pandemie habe die Schwachstellen der Globalisierung offengelegt – von lückenhaften Lieferketten bis hin zu unmenschlichen Arbeitsbedingungen. Ganz zu schweigen von den Auswirkungen der Produktionsmethoden auf Klima und Umwelt.
Ein Dach wie SooNahe, das die Landkreise Birkenfeld, Bad Kreuznach und Rhein-Hunsrück abdeckt, helfe dabei, andere Perspektiven für Betriebe zu eröffnen, unterstrich Höfken, die anschließend noch den Hof Königstein in Rhaunen besuchte. Entscheidend seien letztlich die Konsumenten, machte die Ministerin deutlich: „Die Gastwirtschaft, die Bäckerei und die Metzgerei im Ort bleiben nur dann erhalten, wenn viele sie nutzen.“
Anfangs sei die Weitersbacher Mühle mit ihrem mutigen Konzept von manchen noch belächelt worden, erinnerte sich Uwe Weber, Bürgermeister der VG Herrstein-Rhaunen. Das habe sich längst geändert. Auch die Verbandsgemeinde selbst gehört zu den Kunden: Sie kauft dort Geschenkkisten für besondere Anlässe.