Bericht der Wehrbeauftragten beinhaltet massive Kritik mit Blick auf Einrichtungen der Bundeswehr in Idar-Oberstein
Wehrbeauftragte Eva Högl: Zustand der Idar-Obersteiner Kasernen ist katastrophal
Kritik übt die Wehrbeauftragte am Zustand der Idar-Obersteiner Kasernen – hier die Rilchenbergkaserne: Dort steht perspektivisch ein Umbau an, der eher ein Neubau sei, wie Joe Weingarten sagt. Foto: Hosser (Archiv)
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Das sind Aussagen, die sitzen: In ihrem Bericht übt Eva Högl (SPD), Wehrbeauftragte des Bundestages, scharfe Kritik am Zustand der Bundeswehr-Einrichtungen in Idar-Oberstein.

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Undichte Fenster und kaputte Dächer, Hygiene- und Baumängel in der Küche... An Deutlichkeit lassen diese Worte nichts vermissen: „Die Kaserne ist ein trauriges Paradebeispiel für den schlechten Zustand von Liegenschaften der Bundeswehr.“ Eva Högl (SPD), Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, fällt in ihrem am Dienstag in Berlin veröffentlichen Wehrbericht ein vernichtendes Urteil. Evidenter Handlungsbedarf bestehe am Standort Idar-Oberstein mit seinen beiden Artilleriekasernen, wie die Wehrbeauftragte bei ihrem Truppenbesuch im März des Berichtsjahres festgestellt hatte und nun in aller Klarheit benennt.

Indiskutable Verhältnisse

Es sei unübersehbar, dass die Rilchenbergkaserne seit den 1960er-Jahren in Nutzung sei, ohne dass es in der Zwischenzeit zu substanziellen Sanierungen gekommen sei. 85 Prozent der Bausubstanz seien sanierungsbedürftig oder gänzlich abgängig: „Zu sehen waren undichte Fenster, Wasserschäden infolge von Rohrbrüchen und Dachschäden, nicht nutzbare Sanitärbereiche und Unterkünfte in inakzeptablem Zustand.“ Wie die Soldatinnen und Soldaten vor Ort berichteten, seien die Verhältnisse in der Truppenküche kritisch, die Arbeitsbedingungen und die Küchenausstattung seien modernisierungsbedürftig, Hygiene- und Bauauflagen könnten jederzeit zu einer Schließung der Küche führen.

Die Decken der Instandsetzungshallen seien seit 2018 einsturzgefährdet. Immer wieder müssten die Arbeiten wegen Einsturzgefahr für einige Zeit ruhen, weshalb die Heeresinstandsetzungslogistik GmbH die vertraglich vereinbarten Vorgaben zur Instandsetzungskapazität nicht erfüllen könne. Zugleich sei ein Gebäude, in das in jüngerer Vergangenheit 700.000 Euro unter anderem für neue Fenster investiert worden seien, kurz danach aufgrund von gravierenden Mängeln aus der Nutzung genommen worden, berichtet Högl.

Restlose Resignation ...

Selbst während der Covid-19-Pandemie sei es nicht für die Isolationen Erkrankter zu nutzen gewesen. Für das vorhandene Schwimmbad werde eine neue Filteranlage nicht bewilligt, weil das künftige liegenschaftsbezogene Ausbaukonzept kein Schwimmbad vorsehe, weshalb die kurz- oder mittelfristige Schließung drohe. Schon seit Langem existiere ein umfassendes Ausbau-, Umbau- und Sanierungskonzept, die ersten Bauarbeiten hätten schon 2019 beginnen sollen.

Es sei jedoch nichts passiert, vor 2023 sei mit keinem Baubeginn zu rechnen. Ursächlich seien lange, bürokratische Verfahren, fehlender Pragmatismus und die Vielzahl beteiligter Akteure. So seien bei einem Runden Tisch Infrastruktur 35 Personen anwesend gewesen, die 35 unterschiedliche beteiligte Dienststellen und Ämter vertraten. Mit restloser Resignation berichteten die Verantwortlichen der Wehrbeauftragten: Im „Idealfall“ könne die Kaserne im Jahr 2042 und damit in knapp 20 Jahren ihre Zielstruktur erreichen ...

Unsere Bundeswehr muss uns mehr wert sein. Am Ende geht es um Friedens-sicherung. Für uns alle.

Die heimische Bundestagsabgeordnete Julia Klöckner (CDU) zum Bericht der Wehrbeauftragten

Bei der Klotzbergkaserne, deren Hauptnutzer das Artillerielehrbataillon 345 ist, erfolgte die letzte Kernsanierung im Jahr 1985. Sie liegt damit fast 40 Jahre zurück. Teilsanierungen fanden zuletzt 2008 statt. Die Stützmauern der zum Teil historischen Gebäude seien sanierungsbedürftig, es drohen immer wieder Mauerstücke herauszubrechen, weshalb bestimmte Mauerabschnitte durch Sandsäcke abgestützt seien. Viele Sanitäranlagen stammten aus den 1980er-Jahren. Die Ertüchtigung der veralteten Abwasserleitungen dauere seit 2015 an und soll erst im Jahr 2027 abgeschlossen sein.

Der Zustand beider Kasernen sei untragbar, insbesondere weil dort auch internationale Lehrgänge stattfinden. Bekanntlich werden seit einigen Monaten auch ukrainische Soldaten in Idar-Oberstein an der Panzerhaubitze 2000 ausgebildet. „Völlig nachvollziehbar ist die Kritik, dass es Kasernenkommandanten kaum möglich ist, die Durchführung und Begleitung solch herausfordernder Infrastrukturvorhaben als Zweit- oder Drittaufgabe neben den originären Aufträgen wahrzunehmen.

Das Reservoir gründlich ausschöpfen

Hier ist hauptamtliches Personal gefordert, das bestenfalls über eine entsprechende Vorausbildung und Qualifikationen wie ein Ingenieursstudium oder eine handwerkliche Ausbildung verfügt. Die Bundeswehr sollte zudem das Reservoir an Reservisten, die über bauspezifische Berufsabschlüsse verfügen, gründlich ausschöpfen, um auch auf diesem Feld für unterstützende Tätigkeiten besser aufgestellt zu sein“, heißt es in dem Bericht der Wehrbeauftragten weiter.

Die heimische CDU-Bundestagsabgeordnete Julia Klöckner kommentiert den Bericht, der aus ihrer Sicht „alarmierend“ sei. „Ein Jahr lang ist nichts passiert, um die dringend benötigte Modernisierung und Aufrüstung der Bundeswehr voranzutreiben. Dies ist eine fatale Entwicklung, insbesondere angesichts der zunehmenden globalen Herausforderungen und Bedrohungen. Der Verteidigungshaushalt wird trotz der dringend benötigten Ausrüstung und Ausstattung der Bundeswehr nicht angepasst. Wir erwarten, dass die Bundesregierung zur Einhaltung des 2-Prozent-Ziels der NATO steht und der Verteidigungshaushalt mindestens um die geforderten 10 Milliarden Euro angehoben wird“, betont Klöckner.

Klöckner: Kaserne sollte mit Haushaltsmitteln ausgestattet werden

So sei aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr im Umfang von 100 Milliarden Euro, das die Union mit ihren Stimmen ermöglicht habe, bislang kaum Geld abgeflossen. „Der Verteidigungsetat schrumpft sogar. Wer die Kaserne in Idar-Oberstein, die Artillerieschule, regelmäßig besucht, weiß um den Zustand. Erst einmal gilt mein Dank allen Soldatinnen und Soldaten, die trotz dieser Umstände einen hervorragenden Dienst leisten, Hut ab!“ In der vergangenen Legislaturperiode sei es der damaligen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) genau darum gegangen, die Kaserne mit entsprechenden Haushaltsmitteln auszustatten.

Der damalige Finanzminister Olaf Scholz (SPD) habe das aber abgelehnt: „Scholz sagte in einer Sitzung in der vergangenen Legislaturperiode, an der ich teilnahm, er wolle keinen Aufrüstungshaushalt, deshalb hätte die Bundeswehr genug Geld. Das war falsch. Im Wahlkampf warb die SPD noch mit einem Plakat, dass man lieber Geld in Kitas als in Kasernen stecken möchte. Das sehe ich anders. Wir verlangen unseren Bundeswehrkameradinnen und Bundeswehrkameraden viel ab, und deshalb dürfen sie auch entsprechende Arbeitsbedingungen erwarten: bei Gebäuden, Kleidung oder auch Ausrüstung“, erklärt die CDU-Politikerin Klöckner.

Weingarten schreibt Pistorius

Der heimische SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Joe Weingarten hatte schon vor dem Bericht der Wehrbeauftragten an Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) appelliert, für den Erhalt der Klotzbergkaserne durch die Bundeswehr einzutreten: „Die Idar-Obersteiner Traditionskaserne sollte im Rahmen der Neuaufstellung der Bundeswehr dauerhaft weiter genutzt werden.“ Weingarten betont im Schreiben an Pistorius: „Der ‚Klotz‘ ist stadtbildprägend für Idar-Oberstein und steht symbolisch für die lange Verbindung der Bundeswehr mit unserer Region.“

Der SPD-Abgeordnete kennt den großen Sanierungsstau der Gebäude, über deren Zustand er sich in Gesprächen mit der Bundeswehrverwaltung informiert hat. „Einige Gebäude sind in einem durchaus zufriedenstellenden Zustand, andere sind ohne erhebliche Renovierungsmaßnahmen nicht nutzbar“, so Weingarten weiter. „Als Wahlkreisabgeordneter ist es mir wichtig, dass dieses Stück Geschichte in unserer Region mit Leben gefüllt wird und einen Teil zu unserer Verteidigungsfähigkeit beiträgt. Dafür muss in die Bausubstanz der Klotzbergkaserne investiert werden.“

Die Idar-Obersteiner Traditionskaserne sollte im Rahmen der Neuaufstellung der Bundeswehr dauerhaft weiter genutzt werden.

Dr. Joe Weingarten

Er sei überzeugt, dass die Klotzbergkaserne in Zukunft wieder umfassend von der aktiven Truppe genutzt werden kann. Die Artillerie der Bundeswehr solle im nächsten Jahrzehnt von fünf auf neun Bataillone aufwachsen. Das werde auch positive Auswirkungen auf den Bundeswehrstandort Idar-Oberstein haben. „Davon wird vor allem die Rilchenbergkaserne profitieren, weil der Ausbildungsbedarf des Heeres und damit die Anforderungen an die Artillerieschule steigen werden“, betont Weingarten.

Der Klotzberg könne, insbesondere in Fragen der Unterbringung von Soldaten, die Infrastruktur der Artillerieschule stärken. Es sei aber auch eine Nutzung durch andere Einheiten des Heeres denkbar. „Ich bin dankbar für die klaren Worte der Wehrbeauftragten. Wir stehen aber nicht bei Null. Es gibt architektonisch wie auch mit Blick auf die Ingenieurexpertise ganz konkrete Planungen. Mit Blick auf den Bereich Rilchenberg, der im Grunde neu bebaut werde, müsse man indes wohl ein Jahrzent einplanen. „Wir sind deutlich weiter als noch vor ein paar Jahren“, zeigt sich Weingarten zuversichtlich.

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