Demokratiekonferenz zum Themenkreis Rechtsextremismus und Fake-News
Vortrag im Rahmen der Demokratiekonferenz: TikTok macht auf Thesen aufmerksam
Bei vielen Jugendlichen stehen die Gespräche mit der Familie als Informationsquelle ganz oben. Foto: Mike Decker

Idar-Oberstein. Politischer Extremismus und religiöser Fundamentalismus sind laut Prof. Dr. Daniel Hajok nur ein Teil der Themen, die in den Medien versuchen Einfluss zu nehmen. Das Fazit aus seiner langjährigen Erfahrung und Forschung: Auf TikTok werden junge Menschen nicht radikalisiert.

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Aber: TikTok kann der Erstkontakt mit extremen oder fundamentalistischen Inhalten sein. Für einige geht es danach auf anderen Plattformen weiter, wie zum Beispiel Telegramm. Ist das Interesse einmal geweckt, wird gezielt und individualisiert im Einvernehmen mit den Jugendlichen versucht, diese zu radikalisieren.

Der Vortrag von Prof. Dr. Hajok fand im Rahmen der Demokratiekonferenz der Partnerschaft für Demokratie im Nationalparklandkreis Birkenfeld statt. Sie bildete den Abschluss der Demokratiewoche mit 3 Workshops und fast 70 teilnehmenden Jugendlichen, die sich unter Anleitung der Referentin Lara Franke mit Beispielen von Rechtsextremismus und Fake-News auf TikTok beschäftigten.

Die meisten Jugendlichen wissen, wie man Inhalte meldet

Marina Ljalko vom federführenden Amt der Partnerschaft begrüßte neben dem Landtagsabgeordneten Hans Jürgen Noss auch einige Lokalpolitikerinnen und -politiker aus dem Kreis Birkenfeld. Der Kreisbeigeordnete Peter Simon erinnerte in seinem Grußwort, dass bereits 2017 die Notwendigkeit gesehen wurde, mit Unterstützung durch den Landkreis das Bundesprogramm „Demokratie Leben!“ im Kreis zu etablieren. Bereits seit acht Jahren werden viele wertvolle Projekte im Kreis dank des Teams der Partnerschaft mit Gerold Lofi, Marina Ljalko, Holger Noß und Stefan Worst sowie den institutionsübergreifend Mitwirkenden des Begleitauschusses unterstützt.

Ein Satz der Jugendlichen aus dem Workshop am Mittwoch, der große Zustimmung fand, blieb Gerold Lofi in Erinnerung: „Oh – wenn ich das hier so gehört habe, was so alles auf TikTok läuft und was da alles passiert, dann muss ich wählen gehen!“ Was in den Workshops auch deutlich wurde: Die meisten Jugendlichen kennen die Möglichkeit, Inhalte bei den Portalen zu melden.

Hajok wusste in seinem Vortrag zu berichten, was mit Inhalten geschieht, wenn diese als jugendgefährdend oder als Verstoß gegen gesetzliche Regelungen identifiziert werden. Er schildert, dass trotz Löschaufforderungen auch von offiziellen Stellen wie http://jugendschutz.net je nach Plattform mehr als 20 Prozent der gemeldeten Inhalte weiterhin online blieben, und zum Beispiel auf Telegramm sogar nur 30 Prozente der gemeldeten Inhalte gelöscht oder gesperrt würden. Mit Blick auf TikTok zeichnet sich außerdem ab, dass nicht die Jugendlichen in der Regel die Produzenten sind, inzwischen konsumieren sie immer öfter und immer länger.

Der Algorithmus füllt und sortiert die „ForYou Page“ für die Nutzer aufgrund des bisherigen und künftig vermuteten Nutzungsverhaltens stetig neu.

Gespräche mit Familie als Informationsquelle Nummer eins

Wie vielfältig die Interessen sind, die dadurch dort abgebildet wurden, zeigten die Stichworte, die bei den Workshops gesammelt wurden. Neben Themen, die sicherlich auch viele Erwachsene schnell erkennen, werden wie „Tanzen, Katzen, Sport, Fußball, Essen“ finden sich auch „Memes, Edits, Storytimes, Live Streams, Reposts, POVs, Vlogs“. Auffällig ist, dass alle „Interessenslisten“ so individuell wie ein Fingerabdruck scheinen. Und trotzdem fanden sich neben diesen auch tagesaktuelle politische Themen und Begriffe wie „Nachrichten, News, Krieg / Konflikt in …“. Dies zeigt, dass die Jugend auf TikTok neben Zeitvertreib auch Informationen zu aktuellen Nachrichten und Geschehnissen sucht.

Jährlich werden 1200 Jugendliche zwischen 12 und 19 Jahren für die JIM-Studie telefonisch sowie online zum Thema Medien und Nutzungsverhalten befragt. Etwa 40 Prozent der 12- bis 19-Jährigen nannten 2023 die Themen „Weltgeschehen, Klimawandel, Diversität/Vielfalt in der Gesellschaft“ als für sie wichtige Themen.

Danach gefragt, wo sie ihre Infos zum Weltgeschehen täglich oder mehrmals die Woche einholen, zeigt das Ranking innerhalb der JIM-Studie für einige Außenstehende vielleicht überraschend auf Platz 1 die Gespräche mit der Familie mit 63 Prozent, dicht gefolgt von Nachrichten in TV und Radio (54 %) und Gespräche mit Freunden (53 %). Erst danach folgen etwas abgeschlagen Youtube (33 %), TikTok (30 %), Instagram (29 %). Gedruckte Zeitungen und Zeitschriften mit 15 sowie deren Onlineangebote mit 13 Prozent erscheinen in dieser Umfrage mit Mehrfachnennung erst auf Platz 10 und 11, aber noch vor Snapchat.

Bei Tests mit Jugendlichen wurde festgestellt, dass sie, wenn sie auf sich allein gestellt sind, Fake-News zwar mehrheitlich erkennen, aber fast ein Viertel Schwierigkeiten hat, in Einzelfällen Falschmeldungen von Fakten zu unterscheiden. Im Anschluss an die Präsentation nutzten die Teilnehmenden die Möglichkeit, sich zu dem Themenfeld auszutauschen.

Peter Simon hob hervor, wie wichtig die Weiterführung des Programms „Demokratie Leben!“ ist. Sein Lob galt explizit jenen Jugendlichen, die in dieser Woche freiwillig an den Workshops teilnahmen und sich auch an der Demokratiekonferenz sehr engagiert beteiligten. red

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