Wie es zum Unglück kommen konnte, sei noch unklar. Der Beschlag des betreffenden Fensterflügels sei defekt gewesen, Ersatzteile seien nicht mehr lieferbar. Daher sei das Fenster verriegelt und anschließend der Fenstergriff abmontiert worden, sodass es eigentlich nicht mehr zu öffnen gewesen sei.
Schulelternsprecherin Eva Gläßer möchte das so nicht stehen lassen: „Die ersten Tage waren einer Schockstarre gleich. Es musste viel organisiert werden, Vorrang hatte dabei die Sicherung des Gebäudes und die Betreuung der betroffenen Personen.“
Im Nachhinein sei dieser Vorfall am 8. März leider nur der Höhepunkt eines leidigen Problems, auf das die Schulleitung seit acht Jahren den Schulträger hinweise: „Auch die Fachfirma vor Ort bestätigte, dass die Fenster so alt und verzogen sind, dass man sie teilweise nicht mehr vollständig verriegeln kann. Selbst in meiner kurzen Amtszeit seit Oktober 2021 waren die Fenster schon Thema. Griffe müssen abmontiert werden, oder Fenster werden mit Klebeband zugeklebt, damit man sie nicht mehr öffnen kann, da die Halterungen marode sind und keine Reparatur mehr möglich ist.“
Sicher sei es ein großes Glück gewesen, dass dem Kind nicht mehr passiert sei, „aber dabei kann es jetzt nicht bleiben“. Es herrsche dringender Handlungsbedarf, um den Sanierungsstau an der Grundschule Idar aufzuarbeiten und einen sicheren und gefahrlosen Unterricht sowie Nachmittagsbetreuung zu gewährleisten: „Leider wurde uns dazu vonseiten des Schulträgers noch nichts in Aussicht gestellt. Das Fenster wurde mit Holz zugeschlagen, damit scheint aktuell das Problem gelöst zu sein.
Aus den Augen, aus dem Sinn?“ Bei der Idarer Grundschule handelt es sich um eine S4-Schule: „Hier werden besonders viele sozial benachteiligte Kinder, häufig auch mit Migrationshintergrund, Flucht- und Kriegserlebnissen, unterrichtet. Angeregt von der aktuellen Situation in der Ukraine und den Bildern aus den Medien, sind sehr viele Kinder durch den lauten Knall massiv geschockt gewesen, weil sie dachten, jetzt wäre eine Bombe in die Schule geworfen worden.“
Der Sanierungsstau betreffe in der Schule leider nicht nur die Fenster. Die Spielgeräte auf dem Schulhof seien nicht mehr sicher, der Fallschutz müsste erneuert, Pfosten befestigt werden. Die Schule verfüge trotz ihrer Größe noch nicht einmal über einen sicheren Sportplatz: „Auch dies in Zeiten, in der Sport möglichst draußen stattfinden soll, die Lehrer aber keine Alternative haben, weil der Sportplatz unbrauchbar ist. Es gäbe ein Schwimmbad, das reaktiviert werden könnte.
Damit könnte die Situation im Stadtbad entspannt werden, Kinder müssten nicht mit Bussen zum Hallenbad gefahren werden, das Heidensteil-Becken könnte auch für anliegende Vereine und Kindergärten nutzbar gemacht werden.“ Aus Sicht der Elternsprecherin gäbe es zahlreiche Möglichkeiten, den Standort sicherer zu machen und den Kindern Chancengleichheit und Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten. Allen sei bekannt, dass Idar-Oberstein im Moment finanziell gut dastehe: „Warum wird das Geld nicht in die Kinder, die Arbeitskräfte und Unternehmer der Zukunft dieser Stadt investiert?“
Dringender Handlungsbedarf
Nach zwei Jahren Pandemie mit strengsten Auflagen, Hygienekonzepten und Maßnahmen an der Schule, ungeachtet der Folgen für die Entwicklung der Kinder (Entstehung von Lernproblemen, psychosoziale Probleme, Ängste, Depressionen, mangelnde Sprachentwicklung) zeige sich leider, dass diese Schicht der Bevölkerung in der Politik kaum Beachtung finde.
Fest stehe: „Es muss etwas geschehen. Und das zeitnah und unbürokratisch, damit die Sicherheit der Kinder gewährleistet ist. Nicht vorstellbar, wenn bald das nächste Kind zu Schaden kommt und vielleicht nicht so viel Glück hat.“ Sie lädt auch alle Eltern der Schule dazu ein, sich an den Elternbeirat zu wenden und für eine sichere Schule einzutreten, E-Mail an eltern-idar@web.de
Auch Rektorin Judith Wilhelm möchte nicht, dass der Vorfall verharmlost wird: „An jenem Dienstag wurde ich während einer Onlinefortbildung durch eine schockierte Kollegin darüber informiert, dass während der Lernzeit ein Fenster samt Fensterflügel völlig unverhofft in die Klasse fiel und dabei ein Kind verletzte. Erste-Hilfe-Maßnahmen seien sofort eingeleitet worden, ein Krankenwagen habe das verletzte Kind ins Krankenhaus gebracht.“
„Das Kind hätte tot sein können“, habe sie von vielen gehört. Im betroffenen Klassenzimmer habe sie zwei völlig aufgewühlte, unter Schock stehende Kolleginnen sowie zwei sehr verstörte, weinende Schülergruppen auf dem Schulhof (auch die Nachbarklasse war indirekt betroffen) erlebt. Die Kollegin habe den Vorgang wie folgt geschildert: Das Fenster sei plötzlich, ohne Fremdeinwirkung in den Klassenraum gefallen. Dabei habe sich das Kind, das dort saß, geduckt und wurde durch die Fensterkante am Kopf verletzt: „Das Fenster fiel auf einen unbesetzten Stuhl und zerbrach in tausend Teile.“
Viele Baustellen
Aufgrund der aktuellen politischen Situation dachten die Mädchen und Jungen, so die Rektorin, dass Putin eine Bombe geschmissen habe und der Krieg jetzt hier sei. Was sie sehr beunruhigte, war die Tatsache, dass es sich hierbei um eins der vielen Fenster handele, „bei dem irgendwann einmal der Griff abmontiert wurde, um es sozusagen stillzulegen“.
Seit vielen Jahren weise sie den Schulträger auf die marode Fenstersituation und die Sicherheitsrisiken im Schulgebäude hin. Besonders während der Corona-Pandemie mit den strengen Vorgaben zum Lüften sei das Fensterthema wieder verstärkt zum Vorschein gekommen: „Da bekanntermaßen sich nicht alle Fenster zum Lüften öffnen lassen, hakte ich bei der Verwaltung ausdrücklich nach. Der Schulträger prüfte die Anfrage und bescheinigte uns eine hervorragende Lüftungssituation, trotz der Hinweise auf die Sicherheitsmängel der Fenster, die vielfach zugeschraubt oder mit Klebeband zugeklebt waren.“
Ebenso zog Judith Wilhelm die Beratung des schulpsychologischen Dienstes hinzu, der sogleich einen runden Tisch initiierte, um gemeinsam die Krisensituation aufzuarbeiten und mögliche psychologische Folgen der betroffenen Kinder wie posttraumatische Belastungssituationen erkennen zu können oder weitere Maßnahmen abzusprechen.
Der Vorfall am 8. März sei nun leider der „vorläufige, negative Höhepunkt der ungenügenden Unterstützung durch die Verwaltung. Die vielen Baustellen (Fenstersanierung, Dachsanierung mit erneuerbaren Energien, Fassade und energetische Maßnahmen, Heizung, Außengelände samt Sportplatz, der regelmäßig von Wildschweinen beschädigt wird, Sonnenschutz auf dem Schulhof) an unserer Schule sind offenkundig“, kommentiert die Rektorin.