„Ich weiß, dass es eine schwierige Entscheidung ist und jeder die Sache etwas anders sieht. Wir müssen aber aufpassen, dass wir keine politischen Preise machen, sondern wir müssen langfristig denken. Die Gebühren sollten in etwa dem entsprechen, was wir bei den Werken an Kosten haben.“ Mit diesem Appell richtete sich Bürgermeister Bernhard Alscher (BFL) an die Ausschussmitglieder. Diese sollen die Tarifvorschläge der Werkleitung nun intern in den jeweiligen Fraktionen beraten, damit der letztendlich verantwortliche VG-Rat am Mittwoch ihnen entweder folgt oder in der Sitzung in Schwollen über eine Kompromisslösung abgestimmt werden kann.
Keine Empfehlung im Ausschuss
Vom Ausschuss gab es zwar keine Empfehlung an den VG-Rat, es dürfte aber so oder so feststehen, dass es 2023 zu Preissteigerungen kommen wird. Nur in welchem Umfang sich die Gebühren konkret erhöhen werden und welche Stellschrauben dafür angewendet werden, ist noch offen.
Legt man einen Wasserverbrauch von 35 Kubikmetern pro Person zugrunde, würde ein Vier-Personen-Musterhaushalt 2023 im Vergleich zum Vorjahr 9,19 Prozent mehr an Wasser- und Abwassergebühren bezahlen. So sieht die derzeitige Berechnung der Werke aus, die darauf hinweisen, dass diese Steigerungen unter der aktuellen Inflationsrate von 10 Prozent liegen. Die Gesamtbelastung des Musterhaushalts würde somit im oben genannten Fall von 904 Euro auf 987 Euro steigen.
Die Werkleitung schlägt vor, dass in ihrem Betriebszweig Abwasser die Benutzungsgebühr pro Kubikmeter von 2,50 auf 2,65 Euro netto (also ohne Mehrwertsteuer) angehoben wird. Über diesen Punkt wurde im Ausschuss nicht eingehender debattiert.
Zählertarif soll deutlich steigen
Anders sah das im Bereich Wasserversorgung aus. Die Verantwortlichen der Werke um Leiter Jürgen Jahn und dessen Stellvertreter Torsten Gnad wollen die Benutzungsgebühr nicht antasten und diese bei 2,99 Euro netto pro Kubikmeter belassen. Allerdings soll die jährliche Grundgebühr für die in den Häusern eingebauten Wasserzähler um 60 Euro von aktuell 132 Euro auf künftig 192 Euro netto klettern. „Das sind 45 Prozent mehr, was schon sehr heftig ist“, kommentierte Ausschussmitglied Martin Samson (BFL) diesen Vorschlag.
Für größere Abnehmer – dazu zählen zum Beispiel die Sprudelbetriebe in Schwollen – gibt es eine gesonderte Grundgebühr für die Wasserzähler. Sie liegt bei 1200 Euro netto, was nach dem Vorschlag der Werke auch so bleiben soll. Das war im Ausschuss Anlass für Kritik. „Ich bin sicher fernab von jeglichen sozialistischen Umtrieben. Aber das geht nicht durch“, betonte Georg Graf von Plettenberg (CDU) seinen Standpunkt.
Auch Heiko Herber (LUB) stellte klar, dass er beim Vorschlag der Werkleitung kleinere Abnehmer, die auf wenig Verbrauch achten, im Nachteil sieht. Aus seiner Sicht sollte eher die Benutzungsgebühr pro Kubikmeter auf einen Wert über 3 Euro angehoben werden. Die Grundgebühr für den Wasserzähler, der sich in jedem Haus befindet, sollte hingegen so belassen werden, wie sie ist, oder zumindest nicht ganz so stark erhöht werden wie geplant, erklärte Herber.
Axel Schäfer (BFL) sprach zudem ein aus seiner Sicht grundsätzliches Problem an. Die Großmutter im eigenen Haus zahle eine genau so hohe Grundgebühr wie der Besitzer eines Gebäudes, in dem mehrere Familien wohnen. In diesem Punkt sei für die Zukunft eine neue Regelung erforderlich, so Schäfer.
Bürgermeister Alscher erklärte, dass die wirtschaftliche Kalkulation für die Werke mit der Grundgebühr einfacher sei als mit den stärker schwankenden Benutzungsgebühren. Zur Kritik, dass Großverbraucher mit dem neuen Gebührenvorschlag begünstigt würden, gab Alscher zu bedenken, „dass deren große Verbrauchszahlen dazu beitragen, dass die Kosten für die Werke gedrückt werden können. Würden die Zahlungen dieser Unternehmen wegfallen, müssten die Gebühren also noch stärker steigen. Insofern helfen diese Firmen als Teil unserer Gesellschaft auch der alleinstehenden Großmutter.“
Verluste sind schon so hoch
Torsten Gnad wies zudem darauf hin, was passieren würde, wenn der VG-Rat keine Zustimmung zu Tariferhöhungen gibt. Das Wasserwerk wird laut Planung schon so 2023 einen Jahresverlust von knapp 377.000 Euro einfahren. Beim Verzicht auf jegliche Preissteigerungen würde das Minus auf mehr als 820.000 Euro anwachsen. Im Bereich Abwasser liegt das für 2023 erwartete Defizit bei rund 365.000 Euro. Ohne Gebührenerhöhung würde dort der Verlust auf circa 484.000 Euro anwachsen, so die ergänzende Info der Werke, die neben den laufenden Kosten natürlich auch alle Jahre wieder millionenschwere Investitionen in ihren beiden Hauptbetriebszweigen – der dritte ist das Freibad – finanzieren müssen.
In der Ausschusssitzung gab es aber nicht nur Kritik an der vorgeschlagenen Vorgehensweise. Emil Morsch, der beim Treffen einziger Vertreter der SPD war und seit fast 50 Jahren Kommunalpolitik macht, sprach von einem „vernünftigen Vorschlag“ der Werkleitung und betonte, „dass ich persönlich keinen politischen Preisen mehr zustimmen werde“.