Hitzige Diskussionen
VG Birkenfeld entscheidet sich trotz Empfehlung gegen Ökostrom
Solar- und Windstrom
Symbolbild: Hinter den Photovoltaik-Panelen auf einem Scheunendach dreht sich eine Windkraftanlage.
DPA - Roland Weihrauch

Einen Teil ihres Strombedarfs will die VG ab 2026 über die PV-Anlagen der AöR decken. Doch es muss zusätzlicher Strom hinzugekauft werden. Dabei wird es sich nach Entscheidung des VG-Rats um Normalstrom handeln. Das führt zu hitzigen Debatten.

Die Verbandsgemeinde (VG) Birkenfeld wird den Strombedarf, der nicht aus dem Bilanzkreis der Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) erneuerbare Energien für Birkenfeld gedeckt werden kann, als Normalstrom statt als Ökostrom beziehen. Das hat der Verbandsgemeinderat entschieden.

„Echter“ Ökostrom wird zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien erzeugt. Bei Normalstrom dahingegen handelt es sich um Strom unbekannter Herkunft, der von dem Anbieter aus einem Pool geliefert wird. Es kann hier durchaus auch Strom aus zum Beispiel PV- oder Windkraftanlagen dabei sein. Meist stammt die Energie bei Normalstrom aber zu einem gewissen Anteil aus konventionellen Quellen, wie Atomkraft, Erdöl, Kohle und Gas. Mit dem Normalstrom, der auch grauer Strom genannt wird, will die VG Birkenfeld ab 2026 den Teil ihres Strombedarfes decken, der nicht durch den Bilanzkreis geliefert wird.

Wofür wird der Normalstrom verwendet?

Beim Strombilanzkreismodell wird der vor Ort erzeugte Strom mit dem lokalen Verbrauch verrechnet – so muss nur Strom zugekauft werden, wenn dieser auch wirklich nötig ist. Im Eigenbesitz der AöR befindet sich die Photovoltaikanlage in Dambach. Weitere AöR-eigene PV-Anlagen sind auf dem Gelände der Kläranlage in Hoppstädten-Weiersbach geplant. Strom, der hier lokal produziert wird, soll in den Bilanzkreis der Verbandsgemeinde einfließen. Mit dem produzierten Strom im Rahmen des Bilanzkreises sollen dann ab 2026 die 16 größten öffentlichen Gebäude im Besitz der Verbandsgemeinde Birkenfeld versorgt werden. Darunter fallen unter anderem Grundschulen und Kitas in VG-Verwaltung, die Feuerwehr, das Birkenfelder Freibad sowie das Pumpwerk in Gimbweiler.

Was ab 2026 nicht aus dem Bilanzkreis heraus versorgt werden kann, dafür startet die VG Birkenfeld nun eine öffentliche Ausschreibung, auf die sich Energieanbieter bewerben können. Die Ausschreibung läuft dabei ausschließlich für die Lieferung von Normalstrom. So hat es der VG-Rat mit einer Mehrheit entschieden.

Dabei ging die Empfehlung des Haupt- und Finanzausschusses in eine ganz andere Richtung. Der Ausschuss empfahl dem VG-Rat Ökostrom mit einer Neuanlagenquote von 100 Prozent, womit die Investition in neue Anlagen aus dem Bereich erneuerbare Energien gefördert werden soll. Kein Wunder also, dass die Entscheidung bei den Fraktionen des VG-Rats zu teils hitzigen Diskussionen führte.

Wie bewerten die Parteien des VG-Rats die Entscheidung?

Antreiber der Normalstrom-Entscheidung war vor allem die CDU. „Da über den Bilanzkreis nur ein Teil des Strombedarfs bereitgestellt wird, ist es notwendig, die verbleibende Menge einzukaufen. Dies muss im Interesse der Steuerzahler möglichst günstig erfolgen“, heißt es dazu von der Fraktionsvorsitzenden Christine Tholey-Martens. Der günstigste Strom sei aus Sicht der CDU der Normalstrom. „Normalstrom kann auch Ökostrom sein, muss es aber nicht. Insofern ist zu erwarten, dass der Normalstrom günstiger ist, als 100 Prozent Ökostrom, da die einzuhaltenden Anforderungen geringer sind“, sagt Tholey-Martens. Sie sehe es als Pflicht gegenüber den Bürgern, deswegen diese Variante zu wählen. Immanuel Hoffmann, Ratsmitglied für die Christdemokraten, schlug vor, das aus Sicht der CDU gesparte Geld in lokale erneuerbare Energien zu stecken.

„Ein Trugschluss“, ist Grünen-Fraktionschef Hans-Walter Spindler überzeugt. „ Solarstrom ist mit rund 6 Cent pro Kilowattstunde Gestehungskosten (Kosten der Produktion) der zurzeit günstigste Strom am Markt. Fossile Energie wird aufgrund der CO2-Bepreisung konsequent teurer“, sagt Spindler. Darüber hinaus biete der Ökostrom laut den Grünen weitere Vorteile. Denn Folgeschäden der Klimakrise, wie die Ahrtalflut oder die „gegenwärtige Dürre im heißesten und regenärmsten März seit Beginn der Wetteraufzeichnungen“ würden durch den Einsatz erneuerbarer Energie verringert. So sprachen sich die Grünen für die Ausschreibung von Ökostrom mit einer Neuanlagenquote von 100 Prozent aus. „Ein moderater Mehraufwand fördert den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energie und entlastet, den CO2-Ausstoß. Statt sich über Mehrausgaben zu beklagen, sollte man unserer Meinung nach den im Bilanzkreislauf der VG-Anlagen zu viel produzierten Strom an Grünstromhändler mit einem Zusatzgewinn von rund 2 Cent je Kilowattstunde verkaufen“, sagt Spindler.

Das wiederum sieht die Liste Unabhängiger Bürger (LUB) anders. Ökostrom könne derzeit am Markt wohl der knapp günstigste Energietarif sein, jedoch nur, wenn die Voraussetzungen passen und keine Neuanlagenquoten berücksichtigt werden, sagt LUB-Ratsmitglied Wolfgang Müller. „Um im Sinne des Haushaltes, der Schuldenlage und der anstehenden Investitionsplanungen den günstigsten Stromtarif zu wählen und als Handreichung zu den Klimaschutzzielen, den derzeitigen Energiepreisen auf dem Markt, aber auch vor dem Hintergrund der Energielieferung aus dem Energiepool aller Erzeugerarten, haben wir für Ökostrom ohne Neuanlagenquote geworben“, ergänzt Fraktionsvorsitzender Joachim Jung. Als dieser jedoch keine Mehrheit erlangen konnte, gab die LUB ihre Stimmen für den Normalstrom ab.

Die Freien Wähler (FW) votierten sowohl für den Ökostrom mit einer Neuanlagenquote von 33 Prozent, als auch für den Ökostrom ohne Neuanlagenquote. „Die Freien Wähler haben auch für den Strom von der AöR gestimmt, wir waren auch grundsätzlich für Strom aus erneuerbaren Energien“, sagt Fraktionsvorsitzender Gerd Linn. Doch als beide Ökostromvarianten abgelehnt worden seien, habe die Fraktion keine andere Wahl gehabt und stimmte in der Mehrheit für Normalstrom. „Bei einer Ablehnung von Normalstrom, hätte es dann keine Ausschreibung gegeben, das ist auch keine Alternative“, sagt Linn. Der günstigste Preis sei ausschlaggebend, fügt Christian Schöpfer (FW) hinzu. „Uns ist es wichtig, durch günstige Strompreise die hier ansässigen Unternehmen und die Anwohner unserer VG in diesen schwierigen Zeiten zu entlasten.“ Da es sich bei Normalstrom auch um Strom aus erneuerbaren Energien handeln könne, bleibe der Preisvorteil erhalten.

Hat der Rat der VG Birkenfeld gegen die eigenen Klimaziele entschieden?

Die „Masterplankommune 100 Prozent Klimaschutz“, die die VG Birkenfeld seit 2016 ist, hat sich allerdings zu einem Klimaschutzkonzept verpflichtet. Hat der VG-Rat also mit seiner Entscheidung gegen die eigenen Klimaziele gehandelt? „Der Ratsbeschluss zur Ausschreibung von Normalstrom, der mit den kompletten Stimmen der CDU und LUB sowie einzelnen Stimmen von SPD und Freien Wählern gefasst wurde, konterkariert den vor fast 10 Jahren gefassten Beschluss, der sich die Klimaneutralität zum Ziel gesetzt hatte“, sagt Grünen-Fraktionsvorsitzender Spindler. Doch dafür habe die VG Auszeichnungen und Förderungen erhalten.

Dieses Ziel habe die VG in Sachen Strom jedoch bereits erreicht, heißt es seitens der CDU. „ Wir erzeugen bilanziell mehr Strom aus erneuerbaren Quellen in der VG, als wir verbrauchen. Es ist zudem sinnvoller, Geld bei uns in der VG zu investieren, als Kapital über künstlich erhöhte Strompreise aus anderen Teilen Deutschlands hinzuleiten“, sagt Tholey-Martens.

Klimaschutz sei wichtig und essenziell für den Schutz unserer Umwelt und Lebensgrundlage, sagt Schöpfer. „Dieser darf ambitioniert sein, muss aber letztlich der Lebensrealität Rechnung tragen“, fügt der stellvertretende Fraktionschef der FW allerdings hinzu.

Aus Sicht der LUB stehe die Entscheidung des VG-Rats zu Normalstrom ebenfalls nicht im Gegensatz zu den selbstauferlegten Klimazielen. Auch in Zukunft würden alle Entscheidungen und Projekte unter Einbeziehung der Klimaziele der VG betrachtet. „Dies kann und sollte aber immer mit dem Blick auf die finanzielle Situation und den konkurrierenden Erfordernissen einer gewissenhaften Abwägung unterzogen werden. Das wird im Übrigen auch von den Bürgern und Bürgerinnen erwartet“, sagt Jung.

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