Beratungsstelle des Diakonischen Werks:Pandemie bringt hohen Bedarf mit sich
Verschuldung meist nicht selbst verschuldet: Pandemie bringt hohen Bedarf mit sich
Die Pandemie wirkt sich aus: Zum digitalen Fachaustausch trafen sich die Akteure der Schuldnerberatungsstelle.
Diakonisches Werk

Idar-Oberstein. Die Menschen hinter den Schulden zu sehen: Dieser Ansatz stand im Fokus der bundesweiten Aktionswoche zur Schuldnerberatung. Für die Schuldnerberatungsstelle des Diakonischen Werkes mit Sitz in Idar-Oberstein ein Anlass, um im Rahmen eines digitalen Fachaustausches über den Jahresbericht 2020, die aktuellen Entwicklungen und vor allem über die Menschen hinter den Schulden zu sprechen. Vonseiten des Diakonischen Werks nahmen die Geschäftsführerin Ilona Schlegel sowie das Team der Schuldnerberatung mit Ralf Böhmert, Tatjana Jacobs und Christine Kreischer teil. Den Landkreis Birkenfeld vertrat der Leiter des Sozialamtes, Dirk Köbrich, und den Kirchenkreis Obere Nahe die Öffentlichkeitsreferentin Rebecca Bleh. Häufig würden Menschen, die Schulden haben, in der Gesellschaft kritisch betrachtet. Es herrsche oft ein Bild von Verschuldeten, die sich nicht um ihre Finanzen kümmern und selbst verschuldet in diese Situation geraten seien. Dieses Bild werde durch diverse Sendungen im Abendprogramm gern noch verstärkt.

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Das habe zur Folge, dass zu den Schulden noch die Scham kommt, waren sich die Akteure einig. Deshalb nähmen viele Menschen erst sehr spät professionelle Hilfe wie die einer Schuldnerberatungsstelle in Anspruch. Mit Blick auf die Menschen, die in die Beratungsstelle kommen, könne man das herrschende Bild des untätigen und gleichgültigen Schuldners nicht nachvollziehen. „Die meisten Menschen, die zu uns kommen, haben vorher lange Zeit selbst versucht, ihre Schulden in den Griff zu bekommen“, sagt Christine Kreischer, die schon lange bei der Schuldnerberatungsstelle des Diakonischen Werkes Obere Nahe in Idar-Oberstein tätig ist. „Oft werden noch hohe Schulden abgezahlt, obwohl die Familie am Existenzminimum lebt“, ergänzt Tatjana Jacobs aus dem Team.

Auch Dirk Köbrich kann die Nöte der Menschen nachvollziehen: „Leistungsbedürftige haben oft hohe Schulden, sodass von hier aus eine Empfehlung zur Inanspruchnahme der Schuldnerberatung ergeht und Hilfe auch entsprechend gewährt werden kann.“ „Die Zusammenarbeit mit der Schuldnerberatung ist gut und von Vorteil für die Betroffenen.“ Je nach Höhe der Schulden würden diese durch Zahlung niedriger Raten jedoch nicht abgetragen, sondern lediglich die Zinsen getilgt – davon profitierten dann letztlich nur die Inkassounternehmen.

Aber nicht nur Menschen mit niedrigem Einkommen können in Verschuldungsprobleme geraten. Ralf Böhmert, ebenfalls Mitarbeiter der Schuldnerberatungsstelle, erklärt: „Überschuldung kann jeden treffen. Krankheit, Arbeitslosigkeit oder auch Trennung und Scheidung sind die Lebensereignisse, die am häufigsten ein zuvor funktionierendes System ins Wanken bringen.“ Die Corona-Pandemie habe gezeigt, wie schnell das gehen könne. Das wird auch in der Schuldnerberatungsstelle deutlich spürbar. „In den vergangenen Monaten ist eine erhebliche Steigerung der Anfragen zu verzeichnen, unter anderem auch durch Selbstständige, die ihr Gewerbe durch Corona nicht mehr aufrechterhalten können“, erläutert Ilona Schlegel, die Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes Obere Nahe in Idar-Oberstein.

Die Schuldnerberatungsstelle ist und war auch während der Corona-Pandemie erreichbar. Die Beratungen finden verstärkt telefonisch und digital statt. Aufgrund der gestiegenen Nachfrage kann es allerdings zukünftig zu längeren Wartezeiten kommen.

Von unserer Redakteurin Vera Müller

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