Kaum einer wusste vorab, wer sich am 8. März in der Verbandsgemeinde (VG) Herrstein-Rhaunen treffen würde. Denn für eine Veranstaltung in einer Gaststätte wurde nur in geschlossenen Netzwerken geworben. Ein Infoblatt, überschrieben mit dem Namen „Hunsrück Forum“ – der Untertitel lautet „Nur der organisierte Wille bedeutet Macht“ – lud in die Gaststätte ein.
Auch über die Zielsetzung des „Hunsrück Forum“ gibt der Zettel Auskunft.„Die herrschende Politikerkaste gerät mit ihren Lakaien ins Schwanken. Um auch in unserer rheinland-pfälzischen Heimat die Voraussetzungen für eine politische Neugestaltung zu schaffen, treffen wir uns monatlich zum Hunsrück Forum“, steht dort. Die Einladung richtet sich explizit nur an Deutsche. Diese sollen sich dort zum Zwecke der „politischen Neugestaltung“ vernetzen. „Die vielen Deutschen, die es noch sein wollen, müssen einander kennenlernen und eine effektive Gemeinschaft bilden“, heißt es auf dem Infoblatt.
Vortragsthema: „Buntland ist abgebrannt“
Als Redner zur Veranstaltung in der VG Herrstein-Rhaunen war der Steuerberater Michael Dangel aus Heilbronn geladen. Dangel ist in seiner baden-württembergischen Heimat unter anderem für die Organisation rechtsextremer Treffen wie dem „Thing der Titanen“ bekannt. Zu diesem „Seminarwochenende“ der Szene treffen sich regelmäßig bekannte Vordenker der Rechtsextremen aus dem In- und Ausland. So begrüßte Dangel dort bereits Frank Kraemer, Frontmann der Rechtsrockband Stahlgewitter, NSU-Rechtsanwältin Nicole Schneiders, aber auch den US-Psychologen Kevin MacDonald, der für seine antisemitischen Thesen einer „jüdischen Gruppenstrategie“ bekannt ist.
Dangel wurden ebenfalls Kontakte in das direkte Umfeld des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) nachgesagt, einer neonazistischen Terrorgruppe, die für mehrere Morde in ganz Deutschland verantwortlich war. Er musste 2017 dazu im NSU-Ausschuss des Landes Baden-Württemberg als Zeuge Stellung nehmen.
Ein direkter Kontakt Michael Dangels zum NSU oder eine Unterstützung der Terrorgruppe konnten ihm nie nachgewiesen werden. Der Vortrag von Michael Dangel am 8. März in der VG Herrstein-Rhaunen stand unter dem Titel „Buntland ist abgebrannt“.
„Wann wurden die meisten Kinder in Deutschland geboren?“, fragt Dangel das Publikum. „1964“, antwortet ein Zuschauer. „Fast, aber es war 1941“, sagt Dangel. „Warum war das damals so? Familien werden gegründet und Kindern das Leben geschenkt, wenn Hoffnung und Zuversicht da ist.“ Dieser Austausch fand am 7. Februar in Kaiserslautern bei einem Vortrag von Michael Dangel zum Thema „Buntland ist abgebrannt – Auswege aus dem wirtschaftlichen Niedergang Deutschlands“ statt. Es ist das gleiche Vortragsthema, zu dem Dangel auch in der VG Herrstein-Rhaunen sprach. Ein Videomitschnitt, den Dangel auf seinem YouTube-Kanal veröffentlichte, dokumentiert den Vortrag in Kaiserslautern.
Was genau in der Gaststätte am Rande des Hochwalds am 8. März gesagt wurde, darüber liegen der NZ keine Informationen vor. Doch was Michael Dangel vorträgt, wenn das Thema „Buntland ist abgebrannt“ heißt, darüber gibt das Kaiserslautern-Video Aufschluss. Dangel spricht unter anderem über Nullzinspolitik, E-Autos und Atomkraft. Doch eigentlich geht es darum, wie „autonomes Handeln“ in der „bundesrepublikanischen Ordnung“ möglich sei. Denn diese werde Dangel zufolge bestimmt durch die „ökosozialistische Einheitsfront Deutschlands“. „Sie sind Gefangene dieser Ordnung“, teilt er den Zuhörern in Kaiserslautern mit.
Wie eine Ordnung aussehen könnte, wie Dangel sie wünscht, scheint immer wieder durch. Dann sagt der Steuerberater Sätze wie: „Demografischer Wandel – was heißt das auf gut Deutsch? Volkstod! Beziehungsweise das allmähliche Abdanken aller weißen Völker.“ Oder: „Die eigentliche Überfremdung findet in den Kreißsälen statt“, womit Dangel auf eine angeblich höhere Geburtenrate bei Einwanderern anspielt. Er rät zur Ablehnung staatlicher Transfers wie dem Bürgergeld und dem Umstieg auf Kryptowährungen und Bargeld, um unabhängiger von der „bundesrepublikanischen Ordnung“ zu sein.
Veranstalter im Kreis Birkenfeld bekannt
Der auf dem Infoblatt genannte Organisator der Veranstaltung in der VG Herrstein-Rhaunen ist Frank Dumke. Dumke bestätigte gegenüber der NZ seine Rolle als Veranstalter. „Grundsätzlich muss der rasant wachsenden Totalisierung der Gesellschaft in der BRD entgegengewirkt werden. Die genannte Veranstaltung ist ein Teil des Einsatzes für eine offene Gesellschaft im Sinne Karl Poppers“, teilt er auf NZ-Anfrage mit. Frank Dumke ist im Kreis Birkenfeld kein Unbekannter. Er tritt als Mitglied der Autorengruppe des Kunstvereins Obere Nahe immer mal wieder in Erscheinung.
Eines seiner Gedichte veröffentlichte die Autorengruppe auf ihrem im Oktober 2023 eröffneten Lyrikweg, der vom Marktplatz Oberstein, am Turm „Im Gebück“ vorbei zur Felsenkirche und wieder zum Marktplatz führt. An dem Weg sind 15 Texttafeln mit lyrischen Texten angebracht. Die Gedichte stammen von der Autorengruppe, eines mit dem Titel „Stolze Stadt“ von Frank Dumke: eine Art Abgesang auf das einst schillernde Idar-Oberstein. Dumke war zudem an Lesungen der Autorengruppe beteiligt.
„So wichtig und dankenswert die Aufdeckung rechtsradikaler Verbindungen in unserem Kreis auch sind, im Hinblick auf den Kunstverein Obere Nahe und die Autorengruppe Nahe scheinen uns einige Klarstellungen erforderlich zu sein“, meldet sich die Autorengruppe Nahe in einer Stellungnahme zum Artikel ...Bleibt Dichter mit rechtsextremen Kontakten Teil des Lyrikwegs Oberstein? Autorengruppe diskutiert „kontrovers”
Dumke war ebenfalls Teil des Organisationsteams der 700-Jahr-Feier seines Wohnorts, der Ortsgemeinde Rötsweiler-Nockenthal. Dort sollte er einen Gottesdienst gestalten. Dumke habe sich auf einer Infoveranstaltung im April 2023 für das Orga-Team gemeldet, teilt Ortsbürgermeister Joachim Rothfuchs mit. „Frank Dumke machte den Vorschlag, einen Gottesdienst in die 700-Jahr-Feier für Nockenthal aufzunehmen. Er würde den Gottesdienst organisieren“, so Rothfuchs.
Verschwörungstheorien und rechtsextreme Symbolik
Trotz dieser Mitarbeit in der Kulturszene des Kreises Birkenfelds und seiner Heimatgemeinde versteckt Dumke seine Gesinnung nicht. Auf seinem öffentlichen Facebook-Profil kommentiert er den Mord an Alex W. – dem jungen Mann, der an einer Tankstelle in Idar-Oberstein erschossen wurde – durch Mario N., der mit dem Mord, wie N. selbst in einer Vernehmung gegenüber Ermittlern aussagte, ein Zeichen gegen die Corona-Politik setzen wollte.
„Leider gibt es immer noch indoktrinierte Menschen, die die Tat an Alex W. mit der AfD, Reichsbürgern, Querdenkern etc. in Verbindung bringen. Benutzt doch mal euer Hirn und plappert nicht jeden Scheiß der Medienkartelle nach!“, schreibt Dumke dort und wiederholt somit die Verschwörungstheorie, die Medien seien fremdgesteuert, um AfD und rechte Strukturen in Verruf zu bringen.
Auch rechtsextreme Symbolik taucht auf der Facebook-Seite Dumkes auf: „Fliegen die Raben noch um den Kyffhäuser? Deutschland braucht dich. Jage die dekadente Regierung in Berlin davon. Hinein ins Heilige Römische Reich Deutscher Nation!“ Darunter ein Foto der Statue Kaiser Barbarossas am Kyffhäuser-Denkmal.
Der Sage nach schläft Barbarossa im Kyffhäuser, einem Berg in Thüringen. Bei Rechtsextremen hat die Sage sich zur Symbolik entwickelt: Barbarossa soll erwachen und sie in ein neues Reich führen. Auch der Reichsbürgerszene, einer Denkrichtung der Rechtsextremen, nach der die BRD kein souveräner Staat sei, zeigt Dumke sich einem seiner Facebook-Posts zufolge verbunden. „Warum haben die Deutschen immer noch keinen Friedensvertrag, warum ist die BRD eine Firma?“, fragt Dumke dort und bezweifelt so die Souveränität Deutschlands. Denn die Reichsbürger glauben, dass nach dem Zweiten Weltkrieg nie Frieden zwischen den USA und Deutschland geschlossen worden sei.
So sei die BRD eine GmbH unter Verwaltung der USA. Die Reichsbürger sehen sich im Widerstand gegen diese „Fremdverwaltung“ und so auch gegen die deutsche Demokratie. Ob die BRD ein souveräner Staat sei, fragte die NZ Frank Dumke per E-Mail. „Durch die NATO und die EU hat die BRD systemimmanente Souveränitätsdefekte. Diese Lage wird noch erheblich verschlechtert, indem führende Figuren der politischen Klasse der BRD unsinnige und gemeingefährliche Äußerungen in Bezug auf den Staat Israel verbreiten“, antwortet Dumke. Welche Äußerungen zum Staat Israel er meint, führt Dumke nicht weiter aus.
In seinen Beiträgen auf Facebook finden sich weitere Begriffe und Inhalte, die in der rechtsextremen Szene beliebt sind. Er spricht von einer „Holocaust-Manie“, teilt ein Musikvideo der rechten Neo-Folkband Sonne Hagal und bezeichnet die Nationalsozialisten als linke Partei.
Verbindungen in die rechtsextreme Szene
Dabei ist Dumke offenbar nicht nur auf Facebook vernetzt mit Teilen der rechtsextremem Szene, wie schon die Einladung Michael Dangels in die VG-Herrstein Rhaunen zeigt. Zu Dumkes Facebook-Freundeskreis gehört auch der Neonazi Sascha Wagner.
Diese Verbindung hat einige Brisanz. Denn Wagner, unter anderem ehemaliger Vizelandeschef der mittlerweile in „Die Heimat“ umbenannten NPD in Rheinland-Pfalz, organisierte auch den Vortrag Dangels in Kaiserslautern. Auf dem Flyer, der die „politischer Gesprächskreis Kaiserslautern“ genannte Veranstaltung bewirbt, ist Sascha Wagners Handynummer zu finden.
Was auffällt: Wagners Flyer für die Veranstaltung in Kaiserslautern gleicht dem Frank Dumkes und des „Hunsrück Forums“ beinahe aufs Wort. Auch hier lautet der Untertitel: „Nur der organisierte Wille bedeutet Macht“. Der Einleitungstext zur Zielsetzung ist ebenfalls identisch. Es besteht aufgrund der Übereinstimmung des Werbematerials die Möglichkeit, dass Wagner ebenfalls an der Organisation des „Hunsrück Forum“ beteiligt sein könnte. Mindestens ließ Dumke sich von der Veranstaltung des ehemaligen NPD-Kaders inspirieren.
Wagner ist in der Region kein unbeschriebenes Blatt. Schon öfter versuchte er, rechtsextreme Strukturen in Pfalz und Hunsrück aufzubauen. Als die NPD 2006 die alte Dorfschule in Morbach-Gonzerath zu einem Schulungszentrum machen wollte, war Wagner maßgeblich beteiligt und verlegte seinen Zweitwohnsitz in die Gemeinde.
Als Wagner 2022 Hausverwalter einer Immobile in Bledesbach wird, einem Ortsteil von Kusel, finden dort regelmäßig Veranstaltungen „im extrem rechten Spektrum“ statt, wie die „Rheinpfalz“ zu der Zeit berichtete. Sascha Wagner hat Erfahrung mit dem Aufbau solcher Strukturen. 2015 gründete er die Gruppe „Saarländer gegen Salafisten“, aktuell organisiert er gemeinsam mit Michael Dangel den „Thing der Titanen“. Ein Onlineportal unter dem Namen „patriotisches Netzwerk“ betreibt Wagner ebenfalls. Dessen selbst erklärtes Ziel: „Die wirtschaftliche Erpressbarkeit patriotischer Menschen zu vermindern und gleichzeitig die Kapitalströme aus dem patriotischen Lager heraus zu minimieren, um so die Finanzkraft von Volkstreuen zu stärken.“
Dort ist auch Dangels Steuerberatungsfirma vertreten. Auf Dangels YouTube-Kanal ist Wagner ebenfalls ein häufiger Gast. So könnte Wagner wohl von der Veranstaltung im Hunsrück, deren Werbematerial der seinigen in Kaiserslautern gleicht wie ein Ei dem anderen, mindestens gewusst haben. Frank Dumke bestätigt eine Mitwirkung Wagners am „Hunsrück Forum“ gegenüber der NZ nicht, leugnet diese aber auch nicht. Doch am Freitag gegen 10 Uhr postet Wagner die von der NZ per Mail an Dumke gestellten Fragen samt dessen Antworten auf seinem Facebook-Profil. Diese kann er nur von Dumke selbst erhalten haben.Die NZ hat auch Sascha Wagner und Michael Dangel schriftlich die Möglichkeit zu einer Stellungnahme gegeben, jedoch ohne eine Antwort zu erhalten.
Für Veranstaltungen des „Hunsrück Forum“ hatte Dumke nach Informationen unserer Zeitung bereits monatlich bis in den Juni hinein die besagte Gaststätte in der VG Herrstein-Rhaunen gebucht. Im Januar und Februar sollen nach NZ-Informationen bereits Veranstaltungen stattgefunden haben. Zu diesen liegen der Nahe-Zeitung keine Informationen vor.
So reagiert die Region
Doch es gibt Gegenwind gegen die Veranstaltungen. „Rechte haben in unserer Demokratie nichts verloren. So was darf in unserer Verbandsgemeinde nicht hochkommen und muss im Keim erstickt werden. Wir wollen keine rechten und keine linken Diktaturen mehr“, sagt Uwe Weber, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Herrstein-Rhaunen.
Auch Dumkes Heimatgemeinde distanziert sich klar vom Veranstalter des „Hunsrück Forums“: „Die Ortsgemeinde Rötsweiler-Nockenthal, vertreten durch den Gemeinderat, positioniert sich ganz klar gegen den Bürger Frank Dumke“, teilt Ortsbürgermeister Joachim Rothfuchs auf NZ-Anfrage mit.
Deswegen muss das Ziel sein, dass durch einen revolutionären Prozess eine offene Gesellschaft im Sinne Karl Poppers in der BRD errichtet wird.
Frank Dumke, Veranstalter des „Hunsrück Forums“
Rothfuchs, der Gemeinderat und das Organisationsteam der 700-Jahr-Feier der Gemeinde haben Konsequenzen gezogen. „Nachdem bekannt wurde, dass Herr Dumke in die rechtsextreme Szene verstrickt ist, wurde er aus dem Organisationsteam 700 Jahre Nockenthal genommen und ist nicht mehr Teil des Teams. Wir werden gemeinsam mit den einzelnen Vereinen der Ortsgemeinde die Demokratie verteidigen. Die Ortsgemeinde ist kein Ort für Rechtsextreme“, bezieht der Ortsbürgermeister Position.
Dumke kommentiert die Reaktion seiner Heimatgemeinde so: „Die Repressalie zeigt, in welchem moralisch verkommenen und verwahrlosten Zustand Teile der Gesellschaft der BRD sind. Die Repressalie ist ein Merkmal einer totalitären Gesellschaft. Grundsätzlich muss der rasant wachsenden Totalisierung der Gesellschaft in der BRD entgegengewirkt werden. Deswegen muss das Ziel sein, dass durch einen revolutionären Prozess eine offene Gesellschaft im Sinne Karl Poppers in der BRD errichtet wird.“
Von der Autorengruppe des Kunstvereins Obere Nahe gibt es nach einer NZ-Anfrage noch keine Stellungnahme zur Zusammenarbeit mit Frank Dumke.