Am Montag, 25. November, findet um 18 Uhr in der Messe Idar-Oberstein die Wahl des Beirats für behinderte Menschen in der Stadt Idar-Oberstein statt. Unter anderem mit einem Artikel auf der Internetseite idar-oberstein.de , aber auch in den Sozialen Netzwerken und in Aufrufen an Institutionen und Firmen hat die Stadt dafür in den vergangenen Wochen geworben – auch mit einem Artikel in „einfacher Sprache“. Diese Methode wird angewendet, um auch Menschen mit kognitiven Einschränkungen zu erreichen.
Dort heißt es dann zum Beispiel: „Ab einer Behinderung von 20 Prozent darfst Du wählen. Du musst 18 Jahre oder älter sein... Du darfst auch vorschlagen, wer gewählt werden kann. Bringe deinen Ausweis mit. Du musst auch deinen Schwerbehindertenausweis oder einen Nachweis deiner Behinderung mitbringen.“
Bei der Lebenshilfe darf duzen, wer will
Das ist Jürgen Müller unangenehm aufgefallen. In der jüngsten Sitzung beschwerte sich der Vertreter der Linken im Stadtrat, dass mit diesem Text „die Würde behinderter Menschen massiv verletzt“ werde, „indem man eine Gruppe von Behinderten mit nicht kognitiven Fähigkeiten permanent duzt“. Auch Menschen mit Behinderung müssten würdevoll behandelt werden, so Müller.
In der Sitzung hatte der mit der Organisation der Wahl beauftragte Mitarbeiter des Hauptamtes, Christian Wahl, die Vorgehensweise beim Einsatz der „einfachen Sprache“ erläutert und verteidigt. Es handele sich um ein Zusatzangebot neben dem „normalen“ Text auf der Homepage, um auch Menschen mit kognitiven Einschränkungen anzusprechen. Der Text sei so mit der Leitung der Lebenshilfe abgestimmt und für gut befunden worden.
Lebenshilfe-Geschäftsführerin Martina Becker bestätigt dies auf Nachfrage der Nahe-Zeitung: „Die Stadt hat sich hier wirklich sehr viel Mühe gegeben, um alles richtig zu machen.“ Die Du-Ansprache sei in solchen Publikationen in einfacher Sprache üblich und bei der Lebenshilfe zum Beispiel eine Sache der Freiwilligkeit, egal auf welcher Ebene: unter den Mitarbeiter, im Gespräch mit der Leitung – ganz egal. Jeder könne zwischen Du oder Sie wählen, wie er oder sie möchte, es gebe keinen Zwang, es fühle sich aber auch niemand diskriminiert: „Das hängen wir hier bei uns nicht so hoch.“
Müller: „Weder der Staat noch andere Menschen dürfen die Würde des anderen verletzen“
Die Erklärung von Christian Wahl im Stadtrat reichte Jürgen Müller nicht aus. Er schob noch einen Leserbrief nach, in dem es heißt: „Zu meiner diesbezüglichen Anfrage in der Stadtratssitzung wurde mir mitgeteilt, dass dies mit der Leitung der Lebenshilfe so abgestimmt sei. Falls das wirklich so war, macht es die Angelegenheit nur noch schlimmer. Auch eine Leitungsebene darf diese Menschen nicht ihrer Würde berauben, indem sie sagt, die dürft ihr alle duzen. Auch sie brauchen den Schutz der Gemeinschaft. Weder der Staat noch andere Menschen dürfen die Würde des anderen verletzen. Dass nun ein großer Teil der Stadtratsmitglieder der Verwaltung auch noch Beifall zollt, zeigt, wie wenig Empathie diejenigen, entgegen all ihrer Wahlkampfaussagen, gegenüber diesen Menschen haben.“
Wahlberechtigt ist jeder mit Schwerbehindertennachweis
Wahlberechtigt sind am 25. November übrigens alle Einwohnerinnen und Einwohner, die im Sinne des Schwerbehindertengesetzes behindert sind, wie es im „normalen“ Ankündigungstext der Stadt heißt. „Dies kann durch Vorlage eines Feststellungsbescheides, bei einem Grad der Behinderung (GdB) von 20 bis 40 Prozent, oder eines Schwerbehindertenausweises, ab einem GdB von 50 Prozent, nachgewiesen werden“, teilt die Stadt mit. Diese Personen können gleichzeitig auch als Beiratsmitglieder gewählt werden.
Ziel des Beirats ist es, „die Wahrnehmung der Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten sowie die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern. Zur Umsetzung dieser Ziele soll den Menschen mit Behinderung durch den Beirat eine Plattform gegeben werden, mit der sie aktiv an gesellschaftspolitischen Entwicklungen in Idar-Oberstein teilhaben können.
Die Wahl zum Beirat erfolgt durch eine öffentliche Wahl, bei der alle wahlberechtigten Personen wählen dürfen. Die Wahlvorschläge kommen aus der Mitte der Anwesenden. Nicht-Anwesende können ebenfalls vorgeschlagen werden.“ Der Beirat soll auf eine möglichst breite Basis gestellt werden. Daher ruft die Verwaltung nicht nur über die Medien zur Teilnahme an der Wahlversammlung auf, sondern hat auch entsprechende Institutionen angeschrieben und um Mitwirkung gebeten. Außerdem sind interessierte Bürgerinnen und Bürger ebenso zur Teilnahme an der Wahlversammlung eingeladen wie in der Behindertenarbeit engagierte Kräfte und Begleitpersonen.
- Nähere Auskünfte zur Wahl oder zur Arbeit des Beirats erteilt die Stadtverwaltung unter Tel. 06781/64-1111 oder E-Mail behindertenbeirat@idar-oberstein.de