Von unserem Redakteur Andreas Nitsch
Allerorten schrillen die Alarmglocken. Von Ärztemangel ist die Rede, von einem Versorgungsdefizit. Denn die Statistik der KV zeigt auch, dass mehr als die Hälfte der derzeitigen Hausarztstellen bis zum Jahr 2020 – das sind keine sechs Jahre mehr – neu besetzt werden muss, weil ein Allgemeinmediziner aus Altersgründen (die KV nimmt ein mittleres Ausscheidealter von 62 Jahren an) seinen Praxisbetrieb aufgibt.
Fakt ist auch: Es gibt 59 Hausärzte im Kreis Birkenfeld, die Bedarfsplanung der KV sieht sogar nur 50 Stellen vor. Folglich herrscht mit einem Versorgungsgrad von mehr als 117 Prozent laut KV sogar eine Überversorgung.
Ein Blick in die Altersstruktur der 59 im Kreis Birkenfeld praktizierenden Hausärzte zeigt die Brisanz des Themas. Allein 16 Ärzte sind zwischen 60 und 64 Jahre alt, vier kommen auf 65 bis 69 Jahre, einer ist schon über 70. Und von unten kommt kaum etwas nach. Jeweils neun Mediziner sind zwischen 50 und 54 Jahre beziehungsweise zwischen 45 und 49 Jahre. Dann wird's noch dünner. Sechs Hausärzte rangieren zwischen 40 und 44 Jahre, drei zwischen 35 und 39 Jahre, und nur einer ist noch jünger. Die Zahlen decken sich weitgehend mit den Verhältnissen in ganz Rheinland-Pfalz.
Da fällt es schwer, allen Formulierungen aus dem von Gesundheitsministerium und KV vereinbarten Masterplan zuzustimmen. Beispielsweise steht da geschrieben: „Rheinland-Pfalz verfügt über eine gute, zum Teil sehr gute ärztliche Versorgung sowohl im stationären wie auch im ambulanten Sektor. Dennoch zeigt sich, dass es in einigen ländlichen Regionen des Landes schwieriger wird, frei werdende Arztsitze zeitnah wieder zu besetzen.“ Gleichwohl könne „von einem generellen Ärztemangel derzeit nicht gesprochen werden“, heißt es im Masterplan.
Schere geht immer weiter auseinander
Allerdings droht „insbesondere bei den Hausärzten, denen eine besondere Rolle in der wohnortnahen Versorgung der Bevölkerung zukommt, die Schere zwischen altersbedingten Abgängen und den Zugängen auf mittlere und lange Sicht auseinander zu gehen“.
Das sieht Dr. Rudolf Schwarz, Obmann der Kreisärzteschaft, genauso. Bei Infoveranstaltungen in Herborn und am Wochenende bei der Kombimesse in Idar-Oberstein belegte er dies auch mit Zahlen. Demnach müsse man angesichts der Altersstruktur bei den niedergelassenen Ärzten, von denen die Hälfte älter als 50 und ein Drittel älter als 60 ist, damit rechnen, dass sich ihre Zahl innerhalb der nächsten zehn Jahre halbiert. Besonders kritisch sei die Situation in den Verbandsgemeinden Baumholder und Herrstein, wo 85 beziehungsweise 50 Prozent der Ärzte älter als 60 sind. Im Hinblick auf den zu erwartenden Ärztemangel und die Tatsache, dass inzwischen mehr als zwei Drittel der Absolventen eines Medizinstudiums weiblich sind, forderte Schwarz dazu auf, bei der Infrastruktur ein besonderes Augenmerk auf die Bedürfnisse von Frauen, vor allem aber auf die Versorgung von Kindern und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu richten.
Mit Aussagen wie „Hausarzt in Rheinland-Pfalz – das ist eine attraktive Kombination aus einem interessanten und erfüllenden Beruf mit Zukunft und einem wunderschönen Land in der Mitte Europas, dessen Menschen für ihre fröhliche, offene und zugleich bodenständige Art bekannt sind“ (Internetpräsenz des Gesundheitsministeriums) lassen sich wohl keine neuen Hausärzte in den Kreis Birkenfeld locken, weiß Schwarz. Wie schwer es ist, Hausarztstellen neu zu besetzen, zeigen drei Beispiele. In jüngster Vergangenheit haben zwei Ärzte aus Nahbollenbach und Sien ihre Praxis geschlossen, ein Kollege verstarb. Ein Nachfolger konnte in keinem dieser Fälle gefunden werden.
Schwarz: Programm kann Trend nicht erfolgreich begegnen
So erscheint Dr. Schwarz das jetzt von Landesregierung und KV beschlossene Kompaktprogramm gegen Ärztemangel („Gesundheit und Pflege 2020“) ungeeignet, um diesem Trend erfolgreich zu begegnen. „Das sind doch alles nur Peanuts. Damit lockt man doch keine Ärzte aufs Land“, sagt er. Schwarz denkt da an ganz andere Anreize. „Ein zinsloses Darlehen über 200 000 Euro beispielsweise, um eine Praxis einzurichten, oder eine Einkommensgarantie für die ersten fünf, sechs Jahre, in denen das Land eventuell fehlende Einkünfte aufstockt, das wären mal vernünftige Signale. Für Schwarz steht fest: “Da haben unsere Politiker heftig gepennt."