Kassenabschlag steigt - Viele Medikamente sind nicht lieferbar - Es gibt schon den ersten Stellenabbau
Umfrage im Landkreis Birkenfeld: Neues Gesetz trifft Apotheken hart
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Hauke-Christian Dittrich. DPA

Kreis Birkenfeld. Geht es angesichts der Pläne der Bundesregierung auch für viele Apotheken im Nationalparkkreis um die Existenz, wie es die CDU-Bundestagsabgeordnete Julia Klöckner formuliert? Achim Nauert will das nicht ausschließen. Eine akute Gefahr für seinen eigenen Betrieb befürchtet er zwar nicht, „aber es wird auch uns hart treffen“, sagt der Inhaber der Hirsch-Apotheke in Birkenfeld zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz.

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Dieses nun im Bundestag beschlossene Gesetz sieht vor, dass der Kassenabschlag, den die Apotheken den Krankenkassen pro abgegebener rezeptpflichtiger Packung gewähren, von derzeit 1,77 Euro auf 2 Euro in den Jahren 2023 und 2024 ansteigen wird. Faktisch bedeutet das für die Apotheken eine Honorarkürzung.

Wie groß seine finanziellen Einbußen sein werden, könne er noch nicht prognostizieren. „Diese Neuregelung ist aber natürlich vor allem für Apotheken auf dem Land problematisch. Denn anders als in der Stadt haben wir nicht viel Laufkundschaft, sondern wir sind sehr rezeptlastig. Zu uns kommen zu 90 Prozent Kunden mit einem verschriebenen Rezept.“

Die Lage für Apotheken sei aber noch aus anderen Gründen „derzeit sehr schwierig“, so Nauert weiter. Die Personalkosten steigen ebenso wie die Energiekosten („Zum Glück haben wir da vor einigen Jahren investiert, auf LED-Lampen umgestellt und eine Fotovoltaikanlage aufs Dach gesetzt“), und schließlich gibt es da noch einen aus seiner Sicht von der Bundesregierung zu verantwortenden Missstand, der für die Apothekenteams „einen großen Mehraufwand und puren Stress bedeutet“: der Medikamentenmangel.

Abhängig von anderen Ländern

„Derzeit ist es so, dass fast jedes zweite Medikament nicht lieferbar ist. Es fehlt zum Teil an ganz banalen Dingen. Wir bekommen zum Beispiel schon seit drei Wochen keine Zäpfchen für Säuglinge. Wenn wir dann versuchen, verfügbare Alternativen auf dem Markt zu organisieren, kostet das zusätzliche Zeit, die wir eigentlich nicht haben“, sagt Nauert. Sein ernüchterndes Fazit lautet: „Derzeit kommt für uns jeden Tag ein neues Problem dazu.“

„Ein unsinniges Gesetz. Ich bin verärgert und frustriert“, sagt Dr. Martin Dietz, Inhaber der Achat-Apotheken in Tiefenstein und im EKZ in Idar-Oberstein. Im Grunde hätte man es wissen müssen, betont er: „Denn Karl Lauterbach hat noch nie einen Hehl daraus gemacht, dass er die inhabergeführte Apotheke abschaffen und auf Ketten setzen will.“

Eine so geringe Wertschätzung der Arbeit, die in den Apotheken geleistet wird, habe noch kein Minister vorher gezeigt: „Wir leisten immer mehr für immer weniger Vergütung. Wem macht da noch das Arbeiten Spaß?“ Dazu kämen die derzeitigen Lieferengpässe, die zusätzlich zum Umsatz- und Einkommensverlust beitrügen. Dietz nennt Beispiele: Betablocker, Cholesterinsenker, Paracetamol, Ibuprofen-Säfte … „Da sind wir viel zu abhängig von Ländern wie China oder Indien, was die Grundstoffe anbetrifft.“

Täglich müsse man improvisieren. Gerade in Zeiten wie diesen kürze Lauterbach die Vergütung in einem solchen Umfang, dass viele kleine Apotheken nicht mehr wirtschaftlich arbeiten könnten: „Die Löhne der Angestellten steigen, die laufenden Kosten sowieso. Was die verminderte Vergütung konkret für mich bedeutet, kann ich noch nicht genau abschätzen. Aber die Filiale wird sich sehr wahrscheinlich nicht mehr allein tragen ...“

Verwaltung des Mangels

„Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz trifft uns – wie alle Apotheken und uns vor allem als Landapotheke – existenziell“, sagt Johannes Jaenicke von der Adler-Apotheke in Rhaunen. „Als Landapotheke haben wir einen Anteil von mehr als 90 Prozent verschreibungspflichtiger Arzneimittel in der vor Vor-Ort-Versorgung unserer Kunden. Jetzt sorgt dieses Gesetz dafür, dass wir insgesamt 2 Euro pro verschreibungspflichtiger Packung an die Krankenkasse zwangsabgeben müssen“, fügt er hinzu. Gleichzeitig steigen wie bei allen die Kosten für Energie, Softwarekosten, Botendienst-Benzin oder die Großhandelsgebühren.

Die Preise für verschreibungspflichtige Arzneimittel seien aber gesetzlich festgeschrieben. „Wir können die explodierenden Kosten also nicht einfach wie ein Stromunternehmen oder ein Supermarkt an unsere Kunden weitergeben – was ich eigentlich auch fair im Sinne des Patientenschutzes finde“, betont Jaenicke. „Parallel investieren wir vermehrt Zeit in die ebenfalls von der Politik zu verantworteten Lieferengpässe bei Medikamenten. Allein uns kostet diese Verwaltung des Mangels 50.000 Euro im Jahr an Personalstunden.

Dieser Mix aus stark gesunkener Marge, steigenden Kosten und Mehraufwand sorge für eine Schließungswelle bei Apotheken. „1,5 Apotheken verschwinden pro Tag vom deutschen Markt, Tendenz steigend“, betont der Apotheker aus Rhaunen. Jaenicke selbst musste bereits sechs familienfreundliche Arbeitsplätze abbauen, „um der finanziellen Situation Herr zu werden und weiter vor Ort für unsere Kunden auf dem Land da sein zu können“.

Von Vera Müller, Andreas Nitsch und Axel Munsteiner

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