Corona bringt Tafel auf vielen Ebenen in Schwierigkeiten
Tafel: Mittel für den Mittagstisch werden langsam knapp
Tanja Schweizer von der Tafel Idar-Oberstein sortiert die Spenden. Foto: Hosser
Hosser

Idar-Oberstein. „Wir würden es sehr begrüßen, wenn wir ähnlich wie in Altenheimen und Einrichtungen der Behindertenhilfe die Schnelltests in der Notunterkunft und in den stationären Wohngruppen nutzen könnten. Leider sind Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe laut der Testverordnung von der Nutzung präventiver Schnelltests ausgeschlossen“, kritisiert Dieter Groh-Woike, Leiter der Wohnungslosenhilfe der Kreuznacher Diakonie. Deshalb habe er auch größte Bedenken, „dass es bei der Priorisierung von Gruppen zum Impfen genauso laufen könnte. Da wir trotz unserer dezentralen Struktur eine Gemeinschaftseinrichtung sind, würden wir eine schnelle Impfung unserer Bewohner für sehr notwendig erachten.“ Bisher waren lediglich Verdachtsfälle und kein bestätigter positiver Fall in den Wohngruppen zu verzeichnen: Aber man müsse täglich damit rechnen, dass sich das ändere.

Lesezeit 3 Minuten

Groh-Woike und seine Kollegen machen auf ein weiteres Thema aufmerksam: Es werden Spenden benötigt, viele vorweihnachtliche Aktionen, die traditionell dem Tagesaufenthalt Horizont, der Tafel etc. zugutekommen, fanden nicht statt. Es wurden Briefe verschickt, die die Notwendigkeit finanzieller Unterstützung untermauern. Ein Beispiel veranschaulicht die Problematik: Erika S. wohnt in der Nähe von Idar-Oberstein. Nach einer langen Krankheit hat sie ihren Job und auch ihre Wohnung verloren. Man sieht ihr nicht an, dass sie keinen festen Wohnsitz hat. Sie hält sich mit einem Minijob über Wasser und versucht, ein paar Euro für ihre nächste eigene Wohnung zurückzulegen. Frau S. hat Angst vor Corona. Sie kann sich keine Hamsterkäufe leisten, und sie gehört zur Risikogruppe. Ein Lockdown, bei dem alle zu Hause bleiben, hat für sie keine Bedeutung, denn sie hat kein Zuhause. Sie nutzt jeden zweiten Tag die kostenlose Essenausgabe im Horizont. Hier erhält sie eine warme Mahlzeit, kann eine Dusche nehmen und ihre wenige Kleidung waschen. Die Gespräche mit den Mitarbeitenden geben ihr ein Gefühl von Geborgenheit und Zugehörigkeit. Die Corona-Krise trifft Menschen wie Frau S. besonders hart. Soziale Begegnungen im Tagesaufenthalt Horizont sind nicht möglich, nach der Corona-Verordnung musste sie geschlossen werden. Durch das Essen „to go“ soll der Kontakt gehalten werden. Bei der Ausgabe werden E-Mail-Adressen ausgetauscht, Spaziergänge verabredet, Beratungsgespräche vereinbart oder ganz einfach mal ein nettes Wort gewechselt. Bei dringenden behördlichen Angelegenheiten wird ein zeitnaher Termin vereinbart. Mit großem Sicherheitsabstand ist es möglich, Einzelfallberatung durch professionelle Mitarbeitende anzubieten. Frau S. hat Angst. „Wir von der Wohnungslosenhilfe der Stiftung Kreuznacher Diakonie wissen nicht, wie wir ihr diese nehmen sollen. Wir können das Fehlen von sozialen Kontakten nur teilweise ausgleichen, und unsere Mittel für den Mittagstisch werden knapper“, sagt Groh-Woike. Vor ein paar Tagen haben alle Kinder, deren Eltern Kunden der Tafel Idar-Oberstein sind, Weihnachtsgeschenke erhalten, Spielzeug zum Beispiel. Die üblichen Geschenke zu Hause unter dem Weihnachtsbaum werden sicher für die meisten Kinder alles andere als üppig ausfallen, deshalb wird das Auspacken der Präsente von der Bedürftigen-Einrichtung der Kreuznacher Diakonie ein ganz besonderer Moment für sie gewesen sein. Die Geschenke wurden auch in diesem Jahr im Rahmen der Aktion „Leuchtende Kinderaugen“ von Ehrenamtlichen gesammelt und verpackt. In der Corona-Krise ist die Zahl der Haushalte, die von der Idar-Obersteiner Tafel mit Lebensmitteln versorgt wird, von früher 160 bis 190 in der Woche auf jetzt 220 angestiegen: Nun auch Menschen, die ihren Job verloren haben oder in Kurzarbeit sind, sie können nicht von dem, was sie als Lohn nach Hause bringen, die Familie ernähren. Die Informationen auf den Internetseiten des Dachverbands der Tafeln bestätigen es: Seit dem Ausbruch der Corona-Krise würden die Tafeln in Deutschland eine neue Armut beobachten, heißt es dort. Tanja Schweizer, die Leitung der Tafel Idar-Oberstein, sagt: „Wir kommen in der Tafel Idar-Oberstein langsam an unsere Auslastungsgrenze.“

Um die gestiegene Zahl der Bedürftigen bedienen zu können, wird jetzt nicht mehr wie bisher an zwei Nachmittagen, sondern die ganze Woche über gearbeitet: An vier Nachmittagen können die angemeldeten Bedürftigen die Lebensmittel abholen, am Freitag, dem fünften Tag, werden Waren an Corona-Risikogruppen – ältere Menschen und solche mit Vorerkrankungen – von den Tafel-Helfern ausgeliefert.

Damit wird ein Problem umgangen, auf das der Dachverband hinweist: Ältere Menschen gehen aus Angst, sich mit dem Virus anzustecken, nicht zu den Tafeleinrichtungen. Corona hat die Arbeitsweise der Tafel-Mitarbeiter kräftig durcheinandergewirbelt. Die Lebensmittel werden jetzt nicht mehr über die Bedientheke ausgegeben, sondern in Kisten verpackt und zum Abholen bereitgestellt. Um den Hygienevorschriften gerecht zu werden, wurde das komplette Konzept der Tafel zu Beginn der ersten Welle im März neu entwickelt und immer wieder angepasst. Die Dienste der Tafel annehmen darf jeder, der seine Bedürftigkeit nachweisen kann. Bei Vorlage des Einkommensnachweises wird eine Abholkarte ausgestellt, auf der Termin und Uhrzeit stehen. Jeder Angemeldete darf einmal in der Woche immer am gleichen Tag zur gleichen Stunde seine Lebensmittelration abholen.

Spendenkonto: IBAN DE50 1006 1006 1006 1006 40, BIC GENODED1KDB, Bank für Kirche und Diakonie eG – KD-Bank. Bei der Überweisung soll das Stichwort „WLH-Hilfen-KH“ angegeben werden. Weitere Infos unter www.kreuznacherdiakonie.de

Von Vera Müller und Karl-Heinz Dahmer

Top-News aus der Region