Theatergruppe Birkenfeld erinnert an das 75-jährige Bestehen von Bundestag und Bundesrat
Szenische Lesung in Birkenfeld: Theatergruppe erinnert an das 75-jährige Bestehen von Bundestag und Bundesrat
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Zwei Frauen und fünf Männer vertraten die Theatergruppe bei der szenischen Lesung (von links): Matthias Müller, Svenja Müller, Kendra Stockmar-Reidenbach, Werner Schäfer, Ingo Reidenbach, Martin Hahnefeld und Björn Schmidt.
Gerhard Ding

„Drei Tage im September oder Die geglückte Demokratie“ benannte die Theatergruppe Birkenfeld ihren Auftritt. Dabei ging es um die ersten Wahlen in der jungen deutschen Demokratie.

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Nicht nur in Berlin und Bonn, sondern auch in Birkenfeld rückte das 75-jährige Bestehen des Bundestags und des Bundesrats in den Blickpunkt. Dafür sorgte die Theatergruppe Birkenfeld. Ihre szenische Lesung „Drei Tage im September oder Die geglückte Demokratie“ bezog sie auch auf die Wahl von Theodor Heuss und Konrad Adenauer zum ersten Bundespräsidenten respektive ersten Bundeskanzler am 12. und 15. September 1949. Konnte sich das Ensemble in der Vergangenheit oft über ein volles Haus freuen, so gab es diesmal nur 20 Zuhörer.

Theatergruppe leiht Oskar Negt und Edgar Wolfrum ihre Stimme

Für den kürzlich verstorbenen Philosophen Oskar Negt war die Demokratie „die einzige staatlich organisierte Gesellschaftsordnung, die gelernt werden muss, und zwar Tag für Tag“, wie Werner Schäfer in seinem Skript zitierte. Exzellent verknüpfte er darin historische Quellen und eigene Kommentare. Zu seinem Bedauern gelang es nicht, den Nationalen Gedenktag im Feier- und Festtagskalender der Bundesrepublik zu etablieren – trotz verheißungsvoller Anfänge: 1952 berichtete die Birkenfelder Zeitung, dass sich „ein großer Teil der Bevölkerung“ am 7. September „auf dem von hohen Bäumen umgebenen“ Schlossplatz der Kreisstadt einfand.

In seinem 2006 erschienenen epochalen Werk „Die geglückte Demokratie“ notierte der Zeithistoriker Edgar Wolfrum über den Bundestagswahlkampf 1949: „Zwischen den beiden großen Parteien herrschte eine politische und emotionale Radikalität, die sich bis zu ungehemmter Feindseligkeit und Diffamierung steigern konnte.“ Als „Plebiszit über die Politik des bisherigen Wirtschaftsdirektors der Bizone, Ludwig Erhard, der die Zwangswirtschaft aufheben wollte und auf die Freisetzung der Kräfte des Marktes setzte“, bezeichnete Schäfer den Urnengang. Somit stand die konservativ ausgerichtete CDU „für das Neue, Hoffnungsvolle, während die Rezepte der Sozialdemokraten ...an das Alte, zu Überwindende und Klassenkampf erinnerten“.

Von Heuss, Adenauer und der DDR

Darüber hinaus verdeutlichte der pensionierte Gymnasiallehrer, wie Konrad Adenauer „mit großem Geschick“ durch die Kür des FDP-Manns Theodor Heuss zum Bundespräsidenten den Weg zu einer Koalition der CDU/CSU und der DP (Deutsche Partei) mit den Liberalen ebnete. „Wenn ich den anderen auch etwas geben muss, dann gebe ich ihnen das, was mir am unwichtigsten zu sein scheint“, argumentierte der drei Tage nach dem Votum für Heuss mit hauchdünner Mehrheit zum Kanzler gewählte Christdemokrat.

„Im Jahr 1949 ist es aber noch so, dass sich der sozialistische Einparteienstaat mit seinen Scheinwahlen und seinem wuchernden Denunziantentum als das dem kapitalistischen Westen überlegene System begreift“, blickte die Theatergruppe nach Osten, wo renommierte Dichter wie Bertolt Brecht ihre Sympathie für die DDR und ihren Hass gegen den Klassenfeind zum Ausdruck brachten.

Erste Ernüchterung sei beim „großen Meister des epischen Theaters“ nach dem niedergeschlagenen Aufstand vom 17. Juni 1953 aufgekommen: „Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?“ Nicht gemerkt habe das Regime, „wie gefährlich nahe man in Verhalten und Gesinnung dem am 8. Mai 1945 untergegangenen Dritten Reich immer war“, meinte Schäfer, mit dem Martin Hahnefeld, Matthias Müller, Svenja Müller, Ingo Reidenbach, Björn Schmidt und Kendra Stockmar-Reidenbach auftraten. „Sehr unterhaltsam“ empfand Stadtbürgermeister Hans-Peter Lampel den Abend im Festsaal der Kreisverwaltung.

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