Tod einer jungen Mutter
Staatsanwaltschaft geht in die Revision
Polizeieinsatz beim Auffinden der Leiche an der Preußischen Brücke bei Idar-Oberstein.
Hosser/Archiv

Warum musste die 21-Jährige sterben? Eine Nachbetrachtung zum Urteil wegen „Totschlags im minderschweren Fall“, wie das Landgericht Bad Kreuznach am 24. April urteilte.

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Es war ein Tötu ngsdelikt, das im beschaulichen Nationalparklandkreis für Aufsehen und hinsichtlich des Schuldspruches für Entrüstung gesorgt hat. Eine 21-jährige Frau und Mutter eines Säuglings war laut Urteil der 1. Großen Strafkammer am Landgericht Bad Kreuznach von ihrem Bekannten nach einem Streit vorsätzlich getötet, die Leiche an der Preußischen Brücke in Idar-Oberstein wie Müll  entsorgt worden.

Anlass für diese Extremtat sollen nach Feststellungen des Schwurgerichts unter Leitung der Vorsitzenden Richterin am Landgericht, Dr. Claudia Büch-Schmitz, Beschimpfungen und Beleidigungen sowie der Versuch des Bespuckens in Richtung des 32-jährigen Bekannten der jungen Frau und dessen an der Hand geführtem kleinen Sohn gewesen sein. Dies brachte den Verurteilten derart in Rage, dass er den kleinen Jungen nach Hause brachte - um sodann „für ein klärendes Gespräch“ wieder in die Wohnung seiner Bekannten zurückzukehren.

Keine gute Idee, wie Staatsanwältin Patricia Richter in ihrem Plädoyer anmerkte. Denn angesichts der erwartbaren Lebenserfahrung des 32-Jährigen konnte das gesuchte „klärende Gespräch“ nur schiefgehen – und endete dann schließlich auch im Desaster. Nach den Ergebnissen der mehrtägigen Beweisaufnahme und auch dem frühzeitigen Geständnis des Verurteilten gegenüber der Mordkommission habe er das ihm körperlich weit unterlegene Tatopfer bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt und ihr dann mit einem Messer mehrfach in den Hals gestochen.

Die Tatwaffe habe im Wohnzimmer, dem eigentlichen Tatort, „herumgelegen“, führte der Angeklagte aus. Eine Einlassung, die die Staatsanwältin nicht gelten lassen wollte. Zwei Mitgefangene sagten vor der Strafkammer aus, wonach der Angeklagte ihnen in der gemeinsamen Haftunterbringung anfangs eine andere Version aufgetischt habe. Demnach habe er die Frau gewürgt, bis sie zu Boden fiel. Danach erst habe er aus der Küche ein Messer geholt, mit dem er ihr in den Hals stach.

Todesursache war der hohe Blutverlust

Die Obduktion durch die Rechtsmedizin Mainz ergab als Todesursache einen hohen Blutverlust durch vier Halsstiche mit Durchtrennung der Drosselvene, die wiederum eine Gasansammlung im Herzen und in weiterer Folge eine Embolie auslöste. Beide Mithäftlinge wunderten sich über die Eiseskälte der Schilderung: „Dann hättest du ja Zeit gehabt, zu überlegen, was du da machst.“ Einer der Inhaftierten erinnerte sich auch an das Fehlen von Reue nach der Tat. Glaubhafte Aussagen ohne Belastungseifer, befand hingegen Staatsanwältin Richter. Und beantragte eine Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten wegen Totschlags, Verteidiger Martin Säzler (Idar-Oberstein) sieben Jahren wegen Totschlags in minderschwerem Fall. Beide Nebenklagevertreterinnen, die Rechtsanwältinnen Stephanie Michl und Stefanie Angermann (beide Bad Kreuznach), schlossen sich in ihren Schlussvorträgen inhaltlich der Staatsanwaltschaft an – ohne Quantifizierung im Strafmaß.

In Juristenkreisen wie in der Öffentlichkeit löste der Urteilsspruch wegen Totschlags im minderschweren Fall mit einer verhängten Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten Diskussionen bis zum völligen Unverständnis aus. Anlass für die Nahe-Zeitung zur Nachbetrachtung. Wie wird das Urteil zunächst bei den Angehörigen gesehen? Seitens der Mutter der Getöteten wurde ein Gespräch mit unserer Zeitung zurückgewiesen. Für sie, so Rechtsanwältin Michl, stehe im Vordergrund, dass sie zur Ruhe kommen wolle. Eine nachvollziehbare Reaktion.

Aber gibt es Rechtsmittel gegen dieses Urteil? Eine Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) ist grundsätzlich möglich. Die Nebenklagevertretung kann in diesem Einzelfall eine Revision allerdings nicht beantragen. Revisionsberechtigt sind ausschließlich Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Die Staatsanwaltschaft hat - so die Auskunft - fristgerecht Rechtsmittel einer Revision beim BGH eingelegt. Eine gleichartige Einlegung von Rechtsmitteln erging auch seitens der Verteidigung.

Schriftliche Urteilsbegründung liegt noch nicht vor

Solcherart Rechtsmittel der Verteidigung erstrecken sich in der Regel aber nur zur Wahrung von „Waffengleichheit“ zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung - sollte es zur Urteilsaufhebung kommen. Denn vorliegend ist Verteidiger Säzler mit seinem Antrag ja fast komplett durchgedrungen: Zwischen seiner Forderung nach sieben Jahren Haft und der des erkennenden Gerichts liegen nur sechs Monate mehr. Insoweit eher ein Erfolg für die Verteidigung. Jetzt kommt es zunächst auf die Einhaltung von weiteren Fristen an.

Das Urteil fiel am 24. April. Die 1. Große Strafkammer hat ab diesem Zeitpunkt sieben Wochen Zeit, das Urteil schriftlich auszuarbeiten. Dies wäre bis zum 12. Juni erforderlich. Und dieses schriftliche Urteil wird danach von der Staatsanwaltschaft auf Rechtsfehler hin unter die Lupe genommen: Ein Revisionsgrund muss herausgearbeitet werden. Verfahrensfehler sind jedoch relativ dünn gesät – etwa eine falsche Besetzung des Gerichts oder unzulässige Verfahrenshandlungen, zum Beispiel das Ignorieren von gestellten Beweisanträgen oder eine dürftige, lebensferne Begründung bei der Rechtsauslegung.

Es geht im Revisionsverfahren nicht um eine neue Tatsachenbewertung, sondern ausschließlich um die rechtliche Richtigkeit des Urteils. Deswegen liegt die Aufhebung von Urteilen durch die Revisionsinstanz in Deutschland im einstelligen Prozentbereich. Ein schwieriges Terrain für Staatsanwaltschaften wie Verteidiger, unter denen sich inzwischen Revisionsspezialisten etabliert haben. Ab Mitte Juli wird es also noch einmal spannend - dann kann die Staatsanwaltschaft ihre Erfolgsaussichten eher einschätzen. Unsere Zeitung wird nachfassen.

Juristen zweifeln Tatvorwurf an

In am Verfahren unbeteiligten Juristenkreisen wird eingeschätzt, dass bereits die Anklage wegen Totschlag nach Paragraf 212 Strafgesetzbuch (StGB) zu kurz betrachtet sei: Ein Täter, der zunächst sein Opfer bis zur Bewusstlosigkeit würgt, von einem als Zeugen vernommenen Hausbewohner dabei gestört wird, danach in die Küche geht, sich dort ein Messer holt und dann eine zunächst nur versuchte Tötungshandlung mit hoher Brutalität zum finalen Ende bringt – das soll keine Verdeckungstat im Sinne des Mordes nach Paragraf 211 StGB sein? Sogar ein minderschwerer Fall des Totschlags?

Die schriftliche Urteilsbegründung ist zunächst abzuwarten. Fakt aber bleibt, dass eine junge Frau brutal getötet wurde, ihr Kind seine Mutter nie kennenlernen wird, Angehörige der Getöteten leiden müssen. Ebenso wie der junge Sohn des Täters, dem der Vater viele Jahre fehlen wird. Selbst dem Täter wird nicht nur die Freiheit genommen - einen Menschen getötet zu haben, wird ihn sein ganz restliche Leben begleiten. Am Ende gibt es also nur Verlierer. 

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