Drei Verhandlungstage benötigte die 2. Große Strafkammer am Landgericht Bad Kreuznach unter Vorsitz von Richterin Annegret Werner, um Licht in das Dunkel einer im Ergebnis schockierenden Straftatenreihe zu bringen. Das Urteil: Vier Jahre Freiheitsstrafe. Weiter ist mit dem Widerruf einer Restfreiheitsstrafe von weiteren zirka eineinhalb Jahren aus vorangegangener Verurteilung zu rechnen – der Angeklagte stand bei der Tat unter Bewährung.
Angeklagt war ein 28-jähriger Maurer, dem Staatsanwalt Dominik Radzivilovskiy Diebstahl mit Waffen, Wohnungseinbruchsdiebstahl und sexuellen Übergriff vorwarf. Zum Tathergang: Der Angeklagte hatte sich im August 2024 nachts Zugang zum Keller eines Mehrfamilienhauses in Idar-Oberstein verschafft. Dort fand er unter anderem ein Luftgewehr im Wert von etwa 200 Euro.
Noch vor Eintreffen der Polizei konnte er flüchten, setzte aber die Suche nach Stehlbarem fort. In der warmen Sommernacht war für ihn ein gekipptes Fenster an einem nur wenige 100 Meter vom ersten Tatort entfernten Reihenhaus kein Hindernis. Drinnen fand er zwei Handys, eine Suppentasse mit Kleingeld sowie ein Zigarettenetui im Gesamtwert von etwa 1000 Euro. Aufgrund eines vorgefundenen Damenrads vermutete der Angeklagte, dass dort eine Frau lebt und begab sich auf die Suche nach ihr. Im ersten Obergeschoss fand er im Schlafzimmer eine seit etwa 23 Uhr tief schlafende 68-jährige Rentnerin – es war inzwischen etwa 2.30 Uhr.
Alptraum wurde zur Gewissheit
Was dann geschah, schilderte die Frau mit scheinbarer Gelassenheit ganz nüchtern als Zeugin. Sie sei plötzlich wach geworden: „Es war stockdunkel im Schlafzimmer, als ich sexuelle Handlungen an mir registrierte. Ich war total erschrocken.“ Mit dem sexuellen Übergriff wurde ihr bewusst, dass es sich um eine fremde Person handeln musste. Instinktiv schubste sie die auf ihre liegende Person von sich und rief in die Dunkelheit den Namen ihres Bekannten, der im Untergeschoss ebenfalls fest schlief. Als Antwort bekam sie einen falschen Vornamen des Eindringlings, der im gleichen Augenblick mit seiner Beute flüchtete.
Nachdem sie sich innerlich gesammelt hatte, ging sie ins Untergeschoss und weckte ihren Bekannten. Für diesen war die erste Schilderung eines sexuellen Übergriffs zunächst völlig unvorstellbar, wie er vor Gericht schilderte. Erst, als man gemeinsam ins Schlafzimmer ging, dort eine zurückgelassene Mütze sowie Sperma und eine Blutspur auf dem Laken feststellte, wurde auch für den Bekannten der Alptraum zur Gewissheit – die Polizei wurde sofort verständigt. Und mit ihr der Bereitschaftsdienst der Kripo.
Noch in der Nacht kam es zu intensiven Ermittlungen und Fahndungen aller polizeilichen Einsatzkräfte. Für die Geschädigten bedeutet das ein Gefühl, mitten in einem Krimi zu sein: Vernehmung, Spurensuche, Spurensicherung und psychologische Betreuung.
Polizei hatte es mit einem „alten Bekannten“ zu tun
Ein halbes Jahr später hat die Hausbesitzerin den Schrecken jener Nacht offenbar verarbeitet. Selbst die Schilderung des sexuellen Übergriffs in ihren Einzelheiten bewältigte sie vor Gericht erstaunlich gelassen. Es dürfte auch an der einfühlsamen Befragung der Vorsitzenden Annegret Werner und der übrigen Prozessbeteiligten gelegen haben, die die Erinnerungen hervorholen mussten. Täterhandeln muss zum Straftatbestand passgenau subsumiert werden: War es „nur“ ein sexueller Übergriff oder doch eine Vergewaltigung durch vaginale Penetration? Die genaue Schilderung des Erlebten ist unumgänglich notwendig – kann aber für Betroffene erneut belastend sein.
Für solche Momente bieten sich Hilfsangebote von Weißer Ring, Frauennotruf, Psychologen und Opferanwälten beiderlei Geschlechts an. Auch wenn der Prozessverlauf in diesem Falle sich unproblematisch gestaltete – die Erinnerung bleibt dennoch lange wach – ein Teilaspekt, den die Vorsitzende Richterin mitfühlend hinterfragte: „Ja, ich verrammele heute mein Schlafzimmer, wenn ich allein im Haus bin“, sagte das Tatopfer auf entsprechende Fragen.
Ein wichtiger Baustein war sicherlich auch die höchst erfolgreiche Arbeit der Polizei, die wenige Tage später das Verbrechen rasch aufklären konnte. Dazu wurden quasi alle Register polizeilicher Kompetenz gezogen: intensive Spurensuche, Auswertung von Videokameras, und selbst ein polizeilicher Personenspürhund (Mantrailer) kam zum Einsatz. Den entscheidenden Durchbruch lieferten die von der Kriminaltechnik akribisch gesicherten und von Biologen des Landeskriminalamtes Mainz ausgewerteten Tatortspuren. Die verfingen sich in gespeicherten Daten der Polizei.
Schnell war klar, dass man es mit einem „alten Bekannten“ zu tun hatte, der seit 2011 bereits 18 Eintragungen im Bundeszentralregister angesammelt hatte: Körperverletzung, Diebstähle, Wohnungseinbrüche, Drogendelikte, schwerer Bandendiebstahl und zuletzt Steuerhinterziehung. Ein Spezialeinsatzkommando (SEK) kümmerte sich um die Festnahme, als der Aufenthaltsort in Idar-Oberstein feststand. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung wurde Diebesgut aus beiden Tatobjekten sichergestellt. (Weiterer Bericht folgt.)