Walter Faust ist die gute Seele des gleichnamigen Gasthauses - Domizil zahlreicher Ortsvereine
Serie zur Kneipenkultur im Kreis Birkenfeld: Ein halbes Jahrhundert hinterm Tresen im Gasthaus Faust
Anfang der 1990er-Jahre lacht Tom Schilp (2. von links) in die Kamera. Vorn sitzen Gerhard Fried und Anja Becker. Walter Fried (links) und Axel Weyand stehen hinter der Theke, rechts davon Sabine Schilp und Andreas Hey.
Andreas Nitsch/Archiv

Es wird wieder nostalgisch: In unserer Serie zur Kneipenkultur im Kreis Birkenfeld gehen wir in die nächste Runde. Diesmal an der Reihe: das Gasthaus Faust in Hottenbach.

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Anfang der 1990er-Jahre lacht Tom Schilp (2. von links) in die Kamera. Vorn sitzen Gerhard Fried und Anja Becker. Walter Fried (links) und Axel Weyand stehen hinter der Theke, rechts davon Sabine Schilp und Andreas Hey.
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Die besten Schnitzel weit und breit – zubereitet von Barbara Bleisinger – gab es Erzählungen zufolge einst im Hottenbacher Gasthaus Faust. „Es hat geschmeckt wie bei der Oma“, lobte einst eine Besucherin aus Koblenz. Doch schon lange ist in dem Lokal in der Ringstraße 19 die Küche kalt. Letztmals hat Gastronom Walter Faust seine Gäste am 15. März 2020, einem Sonntag, bedient. Dann bekamen er und seine Lebensgefährtin die Auswirkungen der Corona-Pandemie zu spüren.

Gut 50 Jahre hinterm Tresen

Walter Faust steht hinter dem Tresen, „seit ich etwa 18 Jahre alt war“, erzählt der 73-Jährige. Das ist mehr als ein halbes Jahrhundert. Von 1963 an bis 1980 führten seine Mutter Hedwig und sein Vater Reinhold Faust die Gaststätte, dann übernahm Walter, Anfang der 1990er-Jahre stieg Barbara Bleisinger mit ein.

„Eröffnet wurde die Wirtschaft etwa 1885“, berichtet Walter Faust. Pfarrer Erik Zimmermann indes hat herausgefunden, dass der Betrieb im Gasthaus Faust vermutlich mit Philipp Groß (1853 bis 1944), der seine Konzession 1887 bekam, begonnen hat. Sein Nachname bildete wohl den Grundstein für die Bezeichnung Großmanns, unter der das Gasthaus im Ort ebenfalls bekannt ist. Den heute geläufigen Namen Faust erhielt das Lokal von Wilhelm Faust (1878–1950). Er übernahm das Geschäft nach der Hochzeit mit Charlotte Groß, Tochter von Philipp Groß. Walter Faust, 1949 geboren, ist der Urenkel von Philipp Groß. Er führt das Gasthaus in der vierten Generation.

Der schönste Platz war schon 2010 an der Theke (von links): Barbara Bleisinger, Gisela und Rudi Wilde, Erwin Weyand und Walter Faust
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Anfang der 1990er-Jahre lacht Tom Schilp (2. von links) in die Kamera. Vorn sitzen Gerhard Fried und Anja Becker. Walter Fried (links) und Axel Weyand stehen hinter der Theke, rechts davon Sabine Schilp und Andreas Hey.
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Was geschieht mit den Unterlagen des Musikvereins?
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Barbara Bleisinger und Walter Faust erinnern sich beim Betrachten der Bilder oben im Saal gern an vergangene Zeiten.
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Im Saal hängt an einer Holzbalustrade ein historisches Tenorhorn.
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Letztmals war das Gasthaus Faust am 15. März 2020 geöffnet.
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Sohn Adrian (damals drei Jahre alt) hat sich einiges vorgenommen.
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Walter Faust und Barbara Bleisinger führen seit rund drei Jahrzehnten gemeinsam das Hottenbacher Gasthaus Faust in der Ringstraße 19.
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Walter Faust – „lang, lang ist's her“, sagt er selbst.
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So sah Maler Tom Schilp den Gastwirt zu dessen 60. Geburtstag.
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Aber nicht nur das Lokal an sich erfreute sich großer Beliebtheit. Im Saal ein Stockwerk höher pulsierte einst das Leben. In dem massiven Holzboden sind heute noch Befestigungsvorrichtungen für ein Reck zu sehen. Der Turnverein hielt dort seine Trainingsstunden ab.

An einer Holzbalustrade hängt ein altes Tenorhorn – eins der letzten Zeugnisse des Musikvereins, der regelmäßig in dem Saal probte und Mitgliederversammlungen abhielt. In einem Regal am Rand der geräumigen Bühne stehen noch zahlreiche Ordner, in denen die Aktivitäten der Musiker für die Nachwelt dokumentiert sind. „Ich weiß gar nicht, was ich damit machen soll“, sagt Walter Faust. Er möchte bei der Ortsgemeinde nachfragen, ob sie dafür Verwendung hat.

Kurios: Nach internen Konflikten spaltete sich etwa um 1925 der 1863 gegründete Männergesangsverein auf. Ein Teil übte nun im Gasthaus Faust – als Eintracht Hottenbach, der andere im Gasthaus Dahlheimer. Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb der Männergesangverein, der um 1900 zeitweise auch als gemischter Chor auftrat, im Gasthaus Faust. Einige fast verblasste Fotografien an den Wänden im Saal erinnern an diese gute, alte Zeit.

Geburtstag des Kaisers gefeiert

Auch andere Vereine nutzten den Saal im Gasthaus Faust gern als Domizil. So wurde – das belegen Recherchen von Pfarrer Zimmermann – 1894 nach dem Aufruf des damaligen Pfarrers Hackenberg (1852 bis 1912) ein Ortsverein des Hunsrücker Bauernvereins gegründet. Die Mitglieder trafen sich jeden ersten Sonntag im Monat im Saal der Familie Groß, um landwirtschaftliche Themen zu diskutieren. Und 1915 wurden die Feierlichkeiten anlässlich des Geburtstags des Kaisers zusammen mit dem Kriegerverein begangen.

Walter Faust und Barbara Bleisinger stehen in dem Saal – frisch ist es dort oben, geheizt wird ja schon länger nicht mehr –, betrachten die Bilder an den Wänden und sinnieren. „Die Tische und Stühle stehen noch so, wie wir sie nach dem letzten Fest notdürftig zusammengestellt haben“, sagt die 67-Jährige. „Hier oben haben wir viele schöne Feste erlebt“, fügt der 73-jährige Faust hinzu. Auch Ortsbürgermeister Hans-Joachim Brusius hat dort seine Vermählung gefeiert.

Originale gehören in Lokale.

Das entgegnete einst ein Gast, als ihn seine erboste Ehefrau aus dem Gasthaus Faust abholen wollte.

Hochzeitsfotos weiterer Ehepaare schmücken einen Teil der Wände – wie auch einige Gemälde von Tom Schilp, einem guten Bekannten des Wirtspaares. Schilp hat auf einem seiner Bilder das Leben in dem Lokal auf abstrakte Art und Weise festgehalten. Zu sehen ist unter anderem auch ein Polizeiauto. Walter Faust erklärt dazu: „Es gibt in der Nachbarschaft einen Mitbürger, der gern und oft die Polizei angerufen und sich beschwert hat.“ Details wollte Faust allerdings nicht nennen.

Tanzveranstaltungen fanden in dem Saal ebenfalls statt. Noch heute erzählt man sich diese nette Anekdote: Da die Tanzfläche nicht sehr groß war, wurden die Menschen von Zeit zu Zeit mit einem Seil von der Fläche heruntergeschoben. So wurde Platz für neue Tänzer gemacht.

Faust und Bleisinger verhehlen allerdings nicht, dass die glorreichen Zeiten der Gastronomie insgesamt wohl vorüber sind. „Schon das 2008 eingeführte Rauchverbot hat uns – wie anderen Gaststätten auch – damals zu schaffen gemacht. Aber das haben wir auch irgendwie überstanden“, sagt Barbara Bleisinger. Doch dann ist im Jahr 2020 das Coronavirus ausgebrochen –, und das Kneipenleben kam auch im Gasthaus Faust zum Erliegen. Ob sich die Kneipentür zu dem einst so beliebten Lokal noch einmal öffnen wird, entscheidet sich wohl dieser Tage.

Zeitzeugen, Bilder und Anekdoten

Eine Serie wie „Letzte Runde“ lebt von den Menschen, die die darin enthaltenen Geschichten erzählen, sie lebt von historischen Bildern und Dokumenten, von Anekdoten und Zeitzeugen, die sich erinnern. Sie, liebe Leser, können hierbei gern mitwirken. Wenn Sie alte Fotos, Schriftstücke, Urkunden oder Bierdeckel von ihrem Lieblingslokal haben, über Episoden, Skandälchen oder lustige Begebenheiten berichten können, melden Sie sich bei der NZ. Die Redaktion ist zu erreichen unter Tel. 0151/ 142 462 81 oder per E-Mail an idar-oberstein@rhein-zeitung.net, Stichwort „Letzte Runde“

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