Nahe-Zeitung
Sarah Schott ein Jahr nach der Lungentransplantation: Und jetzt den Krebs besiegen
Ein Jahr ist die Transplantation her: Ein Grund zum Feiern, wenngleich die Krebsdiagnose Sarah vor neue Herausforderungen stellt. Aber auch die will die junge Frau meistern.
privat

Das Schicksal ist ein mieser Verräter. Viele würden wohl diesen bekannten Titel eines Romans zitieren, wenn sie Sarah Schotts Geschichte hören. Die 24-jährige Idar-Obersteinerin sieht das anders: „Wenn das Leben dir Zitronen gibt, mach Limonade draus. Auch wenn sie bitter ist.“ Dieser Spruch trifft es eher. Die Grundschulpädagogikstudentin war zehn Monate auf der Warteliste für eine Lungentransplantation registriert. Sie ist an Mukoviszidose erkrankt – eine Erbkrankheit, die ihre Lunge verschleimen ließ und an der ihre Schwester mit 15 Jahren starb. Vor genau einem Jahr kam die Nachricht, die alles verändert: Eine Spenderlunge wird ihr in einer Gießener Klinik transplantiert. Fünf Stunden dauert die OP, die gut verläuft. „Ich bin unendlich dankbar für die Zeit, die mir geschenkt wird“, sagt sie einige Zeit später. Sarah läuft Treppen, kann Wäsche waschen, spazieren und einkaufen gehen: „Es sind viele Kleinigkeiten, die ich jetzt wieder mache. Ich genieße jeden Augenblick und lebe sehr bewusst im Hier und Heute.“

Und dann kommt kurz vor Ostern die Diagnose: Sarah hat Krebs. „Aufgrund von Bauchbeschwerden musste ich operiert werden, und intraoperativ hat man dann einen bösartigen Tumor entdeckt. Das war für uns alle erst einmal ein großer Schock – damit hatte niemand gerechnet.“ Konkret lautet die Diagnose „PTLD“ (Post-transplant lymphoproliferative disorder): eine spezielle Form des Lymphdrüsenkrebs, der nur nach Transplantation auftreten kann, was im Zusammenhang mit den Medikamenten zur Immunsuppression, damit die Lunge nicht abgestoßen wird, steht. Sarah muss sich einer Chemotherapie unterziehen.

Mit als Erstes rasiert sie sich die langen Haare ab und gewöhnt sich schnell an die Glatze. „Die Chemo hat viele Nebenwirkungen und kostet viel Kraft. Aber ich bin mir sicher, dass ich auch das schaffe. Der Lunge geht's bislang übrigens trotz allem gut.“ Und unter anderem deshalb wurde „Lungengeburtstag“ gefeiert: mit einem Lungenkuchen, anatomisch korrekt gestaltet, mit Zuckerguss versehen. „Den Kuchen haben mein Freund Pascal und ich gebacken. Ich wollte unbedingt einen Lungenkuchen, keinen normalen Geburtstagkuchen. So hat man direkt gesehen, worum es geht. Ums Leben. Ums Atmen können.“

Auf ihrer Instagram-Seite@pinguinkuh schreibt sie an den Spender der Lunge. An einen Menschen, der starb und ihr ein neues Leben ermöglichte: „Auch wenn ich jeden Tag an dich denke, möchte ich heute noch einmal ganz bewusst innehalten. Es soll dabei nicht um mich, mein neues Leben oder dein großartiges Geschenk gehen, sondern um dich. Ich konnte dich nie kennenlernen, aber ich bin mir sicher, du warst eine tolle Person. Ich bin mir sicher, dass heute viele Menschen an dich denken und auch ich möchte dir sagen: Du bist unvergessen. Ich hätte gerne auf diese Lunge verzichtet, wenn das bedeuten würde, dass du noch leben könntest. Hätte deiner Familie und deinen Freunden gerne diesen Schmerz erspart, dich zu verlieren. Doch das konnte ich nicht. Ich bete heute für dich, dass es dir gut geht – wo auch immer du bist. Ich bete für deine Familie, dass sie die Kraft und Liebe haben, auch an glücklichen Erinnerungen mit dir festzuhalten und diesem schmerzvollen Tag heute mit ein klein wenig innerem Frieden begegnen können. Ich bete für deine Freunde, die gern noch so viel mit dir erlebt hätten.“

Im Gespräch mit unserer Zeitung sagt sie: „Zum einen ist es einfach ein Bedürfnis, diese tiefe Dankbarkeit, die man empfindet, auszudrücken. Zum anderen ist es mir einfach ganz wichtig, nicht zu vergessen, dass hinter meinem Leben ein anderer Mensch steht. Ein Mensch, der sich für Organspende entschieden hat und damit Leben weitergetragen hat. Aber dieser Mensch lässt eben auch Familie und Freunde zurück, und ich denke, für diese ist es auch etwas ganz Besonderes, von den Empfängern zu hören oder zu lesen. Ich möchte dieser Familie zum einen Danke sagen, zum anderen, dass es mir unendlich leidtut, dass sie einen geliebten Menschen verloren haben, aber vor allem möchte ich ihnen zeigen, welchen Unterschied ihre Entscheidung in meinem Leben bewirkt hat, sodass sie auch darin etwas Trost finden können und etwas daran teilhaben können, welch großes Geschenk sie mir da gemacht haben.“

Woher nimmt Sarah die Kraft, Schicksalsschläge immer wieder hinzunehmen? „Gute Frage. Ich habe tatsächlich das Gefühl, dass dort irgendwie, irgendwo eine unsichtbare Verbindung zu meinem Spender besteht und ich auch daher Kraft geschenkt bekomme. Trotz der zwei großen Bauchoperationen, den folgenden Intensivaufenthalten, der Chemo etc. kann ich so gut atmen. Die Lunge trägt mich förmlich dadurch. Und bei jedem Atemzug – der so einfach geht – weiß ich, dass es sich immer lohnt, zu kämpfen. Ich bin mir einfach sicher, dass auf mich und diese Lunge noch so viele wunderschöne Jahre warten, wir sind so ein tolles Team geworden. Abgesehen davon helfen mir natürlich auch Familie und mein Freund sowie Freunde, die nach wie vor und trotz Corona immer für mich da sind.“ Vera Müller

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