Hut ab, Frau Klöckner! Endlich mal Courage, den Kirchen eine gewisse Sinnsuche zu empfehlen. Ich bin aus der Kirche ausgetreten, obwohl mir die Wertorientierung des christlichen Weltbilds so viel bedeutet. Wo ich auch unterwegs bin, ob in Italien oder Kolumbien – überall gehe ich in Kirchen und Kapellen, setze mich in die Reihen, komme zu mir und fühle mich zuhause. Nur bei mir zuhause in Deutschland nicht. Weil hier keine Sinnstiftung erfolgt, mir kein Halt geboten wird, sondern eine milieuspezifische, oft woke Belehrungshaltung vorherrscht. Die habe ich nicht nötig. Ich suche Tiefe, Sinn, das wahre Ich, meinen Weg, Trost. Aus der sich daraus ergebenden stabilen Verankerung in meiner christlichen Kultur leite ich meine mündigen Urteile und Handlungen ab. Von der Kanzel akzeptiere ich keine besserwissenden, zeigefingernden Wegweisungen, was die Bewältigung meines Alltags betrifft.
Die Kritik, die nun an Klöckner geäußert wird, ist plumpes, politisch motiviertes Missverstehen. Nirgends hat sie der Kirche den Mund verboten. Im Gegenteil, sie hat vernünftig analysiert: dass Wohlstand eine Abkehr von der Kirche bewirkt, dass Ersatzreligionen gezimmert werden (siehe Ökologie) – aber auch, dass die Kirche „nicht immer die Antworten gibt, die die Menschen gerade brauchen“. Korrekt ihr Verweis auf die Corona-Phase, doch aktuell ist die Migrationsfrage. Hier bleibt die mutige Debatte mit kritischen Sichtweisen aus, stattdessen wird halsstarrig Prinzipientreue vorgegeben, siehe die Leitsätze der Deutschen Bischofskonferenz zur kirchlichen Flüchtlingsarbeit. Viele Worte zur Hilfspflicht, kein Wort zum Asylmissbrauch, zur Problematik kulturferner Zuwanderung.
Das christliche Weltbild hat mich keineswegs verloren. Die Kirche hat mich verloren.
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