Wer von Birkenfeld auf der Bundesstraße 269 in Richtung Morbach fährt, blickt unwillkürlich auf den Rand des Hochwalds. Dort klafft im Wald eine riesige Lücke. Der Borkenkäfer hat hier ganze Arbeit geleistet. Etwa zehn Hektar groß ist die Kahlfläche, deren oberer Teil zum Nationalpark gehört.
Dort lässt man die Natur im Kernbereich zwar walten, aber in ausreichend großen Randzonen werden die Käferfichten zum Schutz der benachbarten Waldbesitzer eingeschlagen. Lediglich Bäume, die der Käfer bereits verlassen hat und von denen keine Gefahr mehr ausgeht, verbleiben als Totholz auf der Fläche. Bei den Maßnahmen arbeitet der Nationalpark eng mit dem Forstamt im Lagezentrum Borkenkäfer zusammen. Für die Fachleute ist klar, dass der Borkenkäfer kein lokales Phänomen ist.
Die Borkenkäfer sind überall
„Der Frage nachzugehen, woher der erste Käfer kam, der zum Rinzenberger Loch geführt hat, ist müßig“, sagt Revierleiter Philipp Conrad, der für den betroffenen Gemeindewald zuständig ist. „Die Käfer sind überall, und am Anfang sind nur einige wenige Einzelbäume betroffen. Man kann aber davon ausgehen, dass der Käfer so oder so gekommen wäre.“
Die Frage ist. Was geschieht nun auf diesen Flächen? Der Nationalpark greift nicht ein. Hier beobachtet und analysiert man. Forschung und Monitoring sind Daueraufgaben, um die Entwicklung der Natur ohne menschliche Einflüsse zu beobachten und dabei wichtige Erkenntnisse für den Umgang zu gewinnen.
Sollte man im Gemeindewald Rinzenberg auch so vorgehen? Denn: Lässt man der Natur ihren Lauf, stellt sich auf Kahlflächen wieder Wald ein. Zunächst sprießt eine üppige Schlagflora aus krautigen Pflanzen, aber schon nach wenigen Jahren recken kleine Bäume die Köpfe über Weidenröschen und Kreuzkraut.
Das sind nicht immer jene Baumarten mit dem erwünschten Nutzholz, aber das ist heute ohnehin nicht mehr das Streben der Förster. Hier erfolgte vor wenigen Jahren ein Paradigmenwechsel bei Landesforsten für den Staatswald, und auch den Kommunen wird diese Herangehensweise empfohlen: Landesforsten sehen im Erhalt des Waldes, welcher Ausformung auch immer, ihre Zukunftsaufgabe.
Es geht darum, Wald für die kommenden Generationen zu erhalten, und infolge des Klimawandels ist es fast schon sicher, dass er nicht mehr so aussehen wird wie heute. Da kann die Erforschung im Nationalpark wichtige Impulse liefern. Die Förster werden nehmen, was die Natur ihnen gibt und mit trockenresistenten neuen Arten wie beispielsweise der Baumhasel aufwerten. Man hegt die Hoffnung, dass im schlimmsten Fall wenigstens diese überleben. „Naturwald plus“ heißt dieser Ansatz einer ökologischen Wiederbewaldung, die sich im Grunde auf die vor Ort vorkommenden Baumarten stützt. Eine künftige Holznutzung schließt dies nicht aus, sie ist aber kein Bestandteil der Wiederbegrünung.
Esskastanien lieben die Wärme
„Palmen pflanzen wir noch nicht, aber mit dem kleinflächigen Anbau von wärmeliebenden Esskastanien haben wir in Rinzenberg schon begonnen“, berichtet Revierleiter Conrad. Kann Naturwald plus auf der Rinzenberger Fläche gelingen? Zwar haben sich auf den entstandenen Lücken Laub- und Nadelhölzer etabliert, vor zehn Jahren gepflanzte Douglasien trotzen aller Unbill, und am schattigen Rand breiten sich Buchen und Eichen aus – 180 Meter pro Generation, wenn man der Wissenschaft glaubt. So wäre die Fläche in 600 Jahren wieder geschlossen. Da helfen leichtsamige Pionierbaumarten wie Pappel und Birke und – man glaubt es kaum – die Fichte. Am feuchten Hangfuß könnte sie massenhaft einfliegen. Aber dann ist es an der Zeit, einer Nadelholzdominanz entgegenzuwirken, um die Wiederholung der Katastrophe in 100 Jahren zu vermeiden. Gelenkte Sukzession ist das Motto.
Auf dem überwiegenden Teil des Rinzenberger Loches besteht die Befürchtung derzeit aber nicht. Der Hang ist nach Richtung und Neigung exakt auf die Mittagssonne ausgerichtet. Trocknender Ostwind streift über die Fläche, und das Wasser versickert hangabwärts. Es gibt kein Moospolster, das es aufsaugt. Im staubtrockenen Boden ist kein Keimling zu finden, weder von Baum noch Kraut. Auch die Pflanzung vermeintlich klimawandeltauglicher neuer Baumarten dürfte hier an seine Grenzen stoßen. Folgen weitere extrem trockene Jahre, wird die Fläche versteppen. Da kommt einem der Satz mit der Palme wieder in den Sinn...