Es gibt Fälle, die klingen nach. Ein solcher ist jener, der am Montag vor Jugendrichter Johannes Pfeifer am Amtsgericht Idar-Oberstein verhandelt wurde (die NZ berichtete). Das Amtsgericht hat das Verfahren gegen zwei heute 19-Jährige wegen Beleidigung ihrer Lehrer im Internet gegen Auflagen vorläufig eingestellt und letztlich „nur“ angeordnet, dass die beiden ehemaligen Heinzenwies-Gymnasiasten insgesamt 80 Sozialstunden in einem Pflegeheim ableisten müssen – und dennoch: Pfeifer war es nach eigener Aussage wichtig, dass die Geschichte erzählt wird und vor allem auch die Opfer zu Wort kommen, nämlich die betroffenen Lehrer: „Das ist zu selten der Fall. Vielen Opfern ist es aber sehr wichtig, wahrgenommen und gehört zu werden.“
Zudem habe er sich einen umfassenden Eindruck der beiden jungen Männer, die via Twitter Beleidigungen der übelsten Art sowie Fotos ihrer Lehrer veröffentlicht hatten, verschaffen wollen. Den habe er tatsächlich gewonnen. „Zwei dumme kleine Jungs“ – so nannte er die beiden. Wohl wissend, dass diese Wertung ohne Frage ihr Ziel nicht verfehlt, wie Pfeifer gegenüber der NZ betonte. „Die Jungs hatten nach Anerkennung gesucht. Die haben sie jetzt erhalten. Aber nicht auf die Weise, die sie sich gewünscht hatten ...“
Vor gut einem Jahr hatten zwei Abiturienten des Idar-Obersteiner Heinzenwies-Gymnasiums Hassbotschaften auf Twitter verbreitet. Dafür mussten sie sich nun vor dem Amtsgericht verantworten.Hass-Tweets abgesetzt: Zwei Abiturienten aus dem Kreis Birkenfeld müssen Sozialstunden leisten
Pfeifer hofft, dass sie erkannt haben, wie „unterirdisch“, peinlich und beschämend sie agiert haben. Die jungen Männer gaben vor Gericht an, dass die Tat auch für sie persönliche Konsequenzen gehabt habe. Es habe unter anderem Streit mit den Eltern gegeben, Freunde hätten sich abgewandt. Er mache sich allerdings keine Illusionen, ob und inwiefern dieser Vorfall nun eine Lehre für die Abiturienten sei: „Von jungen Leuten, die wie die beiden ein Studium anstreben, zur gesellschaftlichen Elite gehören wollen, erwarte ich anderes. Sie müssen Demut lernen.“
Pfeifer würde es befürworten, wenn Sozial- oder Wehrdienst noch einmal verpflichtend würden: „Das ist nötig, um Regeln akzeptieren und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu lernen.“ Schule, Elternaus, Medien: Faktoren, die hierbei eine Rolle spielten und noch einmal stärker auf allgemeingültige Werte und respektvolle Sprache verweisen sollten. Jugendliche loteten Grenzen aus, Erwachsene müssten diese setzen.
Mit Schimanski im TV- ,Tatort‘ wurde plötzlich das Wort ,Sch…‘ wohnzimmertauglich. Früher haben die Kommissare eine andere, viel feinere Sprache gewählt.
Jugendrichter Johannes Pfeifer beobachtet die sprachliche Veränderung in der Gesellschaft, die im schlimmsten Fall in extrem heftiger Ausdrucksweise mündet, mit Sorge.
Der Zeitgeist produziere solche Fälle wie den nun verhandelten: Beleidigungen gegen Polizeibeamte seien an der Tagesordnung, würden aber kaum angezeigt. Er berichtet von einem Fall von virtuellem sexuellen Missbrauch: Ein Junge wird via Smartphone aufgefordert, Fotos und Videos von sich weiterzuschicken. Und wird später damit erpresst …
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft führten die Beleidigungen der Schüler bei einer Lehrkraft zu einem Trauma, weil sie auf einen persönlichen Schicksalsschlag abzielten: Die Staatsanwaltschaft hatte einem der beiden Angeklagten deswegen auch fahrlässige Körperverletzung zur Last gelegt. Nach Einschätzung von Richter Pfeifer könnte auf jenen Angeklagten weitere Folgen außerhalb des Gerichts zukommen: Denkbar sei durchaus, dass die ADD mit Blick auf die mögliche Dienstunfähigkeit der Lehrkraft finanzielle Forderungen geltend mache.
Nur Sozialstunden? Ein zu mildes Urteil? „Entweder hat jemand die Fähigkeit zur Selbstreflexion – oder er hat sie nicht. Da hätte auch eine härtere Strafe nichts verändert“, ist Pfeifer überzeugt.