Bei der Debatte in der „virtuellen Kaffeeküche“ geht es auch um Strategien sowie Thesen und Argumente, die für den Erfolg der beiden Bewerber nun wichtig werden könnten. Redakteurin Vera Müller und Redakteur Axel Munsteiner lieferten sich ein interessantes „Battle“ und schlüpften – auch mit einem Augenzwinkern – in die Rolle der Fanlager der beiden Kandidaten. Welche Argumente sollten auf den Tisch? Immer vorausgesetzt, dass das Ganze fair und seriös bleibt. Übrigens: Die beiden hätten auch die Rollen tauschen können – alles eine Frage des Blickwinkels.
Axel Munsteiner: Für mich hat der erste Durchgang am Sonntag gezeigt, dass es, was die Wählergunst angeht, auch beim Stechen wohl weniger um politische Inhalte – da habe ich bei beiden Kandidaten sowieso bisher keine wirklich polarisierenden Standpunkte vernommen – oder das Etikett „SPD“ oder „CDU“ gehen wird, sondern es zugespitzt auf ein Votum darüber hinauslaufen wird, ob die Mehrheit der Wähler für einen „erfahrenen Mann aus Birkenfeld“ oder für eine „junge Frau aus Idar-Oberstein“ ist. Kowalski ist aus meiner Sicht der Bewerber, mit dem sich eine noch größere Einflussnahme von Idar-Obersteiner Interessen auf die Kreispolitik begrenzen lässt und das Gegengewicht einer starken Stimme, die mehr die ländlichen Regionen im Kreisgebiet im Blick hat, geschaffen wird.
Vera Müller: Idar-Oberstein ist das Herz des Kreises Birkenfeld, das ist ja wohl klar. Und da muss man auch den Wählern klarmachen, dass ein Landrat nicht einfach so als Grüßonkel in Birkenfeld sitzt und die Entscheidungen dort nichts mit der Stadt zu tun haben. Verstehen manche nicht. Diese Mentalität „Wir in Birkenfeld“ und „Ihr in Idar-Oberstein“ bringt uns doch keinen Schritt weiter.
„Diese Mentalität ‚Wir in Birkenfeld’ und ‚Ihr in Idar-Oberstein’ bringt uns doch keinen Schritt weiter.“
Vera Müller
Munsteiner: Da gebe ich dir recht. Kirchturmdenken bringt auf lange Sicht nichts. Der Wunsch, „Landrat für alle“ zu sein, ist natürlich ein hehres Ziel, das beide haben. Ob sie dies erreichen, wird der Sieger aber erst später im Amt beweisen müssen. Kurzfristig geht es aber erst einmal darum, überhaupt den Platz im Schloss einnehmen zu dürfen. Und da spielen an der Urne nun mal „landsmannschaftliche“ beziehungsweise „landsfrauschaftliche“ Aspekte eine Rolle. Das mag man bedauern. Es ist aber so.
Müller: Wer die ganze Zeit gesagt hat und auch ernsthaft will, dass eine Frau das Amt übernimmt, dass die Zeit dafür reif ist, der hat ja keine Auswahl mehr. Der muss Pehlke wählen. Ist nun mal Fakt: Frauen führen anders, sind kommunikativer, wirken deeskalierend und verfügen über eine stärkere emotionale Intelligenz als Männer.
Munsteiner: Fehlende kommunikative Fähigkeiten kann man Kowalski aber nicht nachsagen. In fast zehn Jahren als Stadtbürgermeister hat er bewiesen, dass er Führungsqualitäten hat und zum Beispiel im Stadtrat trotz manch strittiger Punkte konstruktiv debattiert wird. Dort herrscht auch ein recht angenehmes Arbeitsklima. Nicht nur Frauen, sondern auch Männer können gute Chefs sein.
Müller: Was man auch mal in den Fokus rücken kann: Caroline Pehlke hat sich ganz bewusst und aus freien Stücken für die Bewerbung fürs Landrätinnenamt entschieden: Sie hat keine politische Vorgeschichte. Nicht heute Landtagskandidat, morgen Stadtbürgermeister und dann doch jetzt Landrat. Bei ihr ist das nicht beliebig. Sie ist auch partei- und kommunalpolitisch noch nicht geprägt, verschlissen und verbraucht. Kowalski konnte ja fast nicht anders, als sich nominieren zu lassen. Da saß ihm die Partei im Nacken.
Munsteiner: Zeugt das aber nicht auch von Verantwortungsbewusstsein und Pflichtgefühl? Kowalski hätte es sich auch leicht machen können. Dann hätte er die Kommunalwahl 2024 abwarten und als Birkenfelder VG-Bürgermeister kandidieren können. Da wäre ihm der Sieg fast sicher gewesen. Seine Partei musste aber einen Nachfolger für Matthias Schneider mit Erfolgschancen finden, und weil Frank Frühauf gleich abgewunken hat, war Kowalski für die CDU doch die naheliegendste Alternative.
„Nicht nur Frauen, sondern auch Männer können gute Chefs sein.“
Axel Munsteiner
Müller: Pehlke hat Perspektive, könnte für Kontinuität sorgen: Zwei Amtsperioden sind für sie mit 39 Jahren ja gar kein Problem. Darauf lässt sich gut aufbauen. Das sieht bei Kowalski mit seinen 57 Jahren ganz anders aus.
Munsteiner: Bei einem Landrat dauert die Amtszeit aber acht Jahre. Das ist doch auch so schon eine lange Strecke, die Kowalski bis zu seiner Pensionierung auch bis ans Ende gehen kann. Ich finde es ohnehin sinnvoll, politische Amtszeiten zu begrenzen.
Müller: Ein solches Amt als Mutter bekleiden? Ja und? Wenn der Partner voll und ganz den Rücken stärkt, die Familie und Freunde ein Netz bilden: Das geht! Seit Jahrhunderten ist es umgekehrt. Zeit, dass sich was dreht im Jahr 2023. Dazu kommt: Sie kennt als berufstätige Mutter dreier Töchter die Lebenswirklichkeit von Frauen, von Kitas, Schulen et cetera. Das schadet als Landrätin ganz sicher nicht.
Munsteiner: Das ist korrekt. Trotzdem möchte ich einen Punkt ansprechen, von dem ich weiß, dass er durchaus sensibel ist. Zweifelsohne ist der Posten eines Landrats ein sehr herausforderndes Amt, das mit mehr als „nur“ einem Fulltime-Job verbunden ist. Aufgrund seiner Lebensumstände dürfte es Kowalski etwas leichter als seiner Mitbewerberin fallen, sich voll auf die Arbeit zu konzentrieren und starke Präsenz zu zeigen. Denn Pehlke wird beispielsweise in ihrer Terminplanung wohl doch etwas mehr Rücksicht auf familiäre Belange nehmen müssen.
Müller: Caroline Pehlke kann auch ein Vorbild für junge Menschen sein, sich politisch zu engagieren. Für wen ist denn eine Karriere, wie Kowalski sie geht, heute noch attraktiv? Muss man sich über Jahrzehnte durch eine Partei dienen, bis man mal kandidieren darf? Dieses angestaubte Bild lebt die CDU mit diesem Personalvorschlag. Die SPD macht gerade einen Modernisierungsprozess durch, der dringend notwendig ist: Und erstaunlich viele junge Leute ziehen mit.
Munsteiner: Ich finde nicht, dass die CDU einen angestaubten Personalvorschlag gemacht hat. Ich wage einfach mal die These, dass es vor einigen Jahren für Konservative in unserer Region noch undenkbar gewesen wäre, einen Kandidaten mit ausländischen Wurzeln ins Rennen zu schicken. Kowalski ist zwar einerseits Beispiel für einen treuen Parteisoldaten, andererseits aber auch Exempel für eine musterhafte persönliche Integrationsgeschichte.
Müller: Man muss natürlich den Fokus darauf legen, Idar-Obersteiner Wähler – die, die bereits gewählt haben, und jene, die noch nicht wählen waren – jetzt an die Urne zu bringen. Und auch in Baumholder muss man noch einmal das große Rad drehen. In Birkenfeld braucht sie nicht auf Stimmenfang zu gehen.
Munsteiner: Genauso sieht es umgekehrt aus. In Idar-Oberstein wird es für Kowalski auch am 15. Oktober nicht viel zu gewinnen geben. Auch ihm muss es gelingen, in seinen Hochburgen noch mehr Wähler als im ersten Durchgang zu mobilisieren. Gerade in der Stadt Birkenfeld war bei der Wahlbeteiligung ja ebenfalls noch reichlich Luft nach oben. Für beide Kandidaten gilt: Sie müssen den Schwerpunkt ihrer Wahlkampfaktivitäten in der VG Baumholder setzen. Denn dort gibt es wegen des starken Abschneidens von „Lokalmatador“ Rouven Hebel (FW) in der ersten Runde das größte Potenzial an Wechselwählern.
Müller: Man kann ruhig auch mal die Promikarte spielen: Die SPD auf Landesebene wird sich sicher noch im Kreis Birkenfeld blicken lassen. Malu Dreyer ist ja sehr beliebt, eine Sympathieträgerin für viele. Pehlke kann ruhig zeigen, dass es dort beste Kontakte gibt. Das ist wichtig, mit Blick auf Zuschüsse und so weiter.
Munsteiner: Ob momentan Wahlkampfhilfe aus Mainz wirklich ein entscheidender Bonus ist, wage ich an dieser Stelle einfach mal zu bezweifeln.
Müller: Die SPD steht übrigens extrem geschlossen hinter Caroline Pehlke. Ist erstaunlich, ist aber so. Das kann die CDU nicht von sich behaupten. Die lebt den Streit „Idar-Oberstein gegen Birkenfeld“ offen aus. Soll das jetzt nicht nur in der Partei, sondern auch im Landratsamt weitergehen? Bitte nicht!
Munsteiner: In diesem Punkt sind wir uns einig. Was die Unterstützung ihrer Partei aus allen Gebieten des BIR-Kreises angeht, hat Pehlke einen Vorteil.
Müller: Ich würde an Pehlkes Stelle auch mal bei den Grünen im Kreis nachhören: Geben sie denn jetzt endlich eine Wahlempfehlung ab? Von denen hört und sieht man nix. Eine Meinung werden sie haben, wenn am 15. Oktober nur noch zwei Kandidaten am Start sind.
Munsteiner: Das Schweigen der Grünen finde ich ebenfalls merkwürdig. Vielleicht kommt es Pehlke und der SPD aber gar nicht so ungelegen. Wenn Wahlempfehlungen von anderen Parteien kommen, kann das ja auch schnell zum Bumerang werden. Kowalski wäre sicher auch nicht erpicht darauf, wenn sich nun der AfD-Kreisverband zu Wort melden würde und seiner Klientel ein Votum für Kowalski ans Herz legen würde.
Die Redakteure könnten noch stundenlang diskutieren. Die Entscheidung obliegt einzig und allein den Wählern im Kreis Birkenfeld.