Mit ihren eigenen Gedichten, Geschichten und Gedanken traten sie zum freundschaftlichen Wettstreit gegeneinander um die ersten drei Plätze an, immerhin mit 75, 50 und 25 Euro dotiert. Organisatorin Ingrid Raagaard konnte sich bei ihrer Begrüßung über ein so volles JAM freuen, dass auch die nachgestellten Stühle nicht reichten, sodass etliche der Besucher mit Stehplätzen vorliebnehmen mussten. Im Gegensatz zu den Bildenden Künstlern oder den Musikern, so erklärte sie, hätten die Schreibenden kaum die Gelegenheit, sich öffentlich zu präsentieren, sondern seien mit ihrem Schaffen in die Einsamkeit verbannt.
Erwartungen wurden nicht enttäuscht
Der Poetry Slam solle eine solche Gelegenheit bieten. Die Erwartungen des dicht gedrängten Publikums wurden nicht enttäuscht: Souverän moderiert von der 19-jährigen Cecilia Wahl, jüngstes Mitglied der Autorengruppe Nahe, berichteten die jungen Menschen, gereimt und ungereimt und häufig beides auch kreativ gemischt, eindringlich und ernsthaft über ihre Sorgen und Nöte, fantasierten lustvoll über das Überleben und Sterben in einer Zombiewelt oder forschten nach geheimnisvollen Interaktionen zwischen Stuhl, Kuchen und Gabel. Die Finalisten wurden durch 23 im Publikum verteilte Karten ermittelt. Sie konnten mit Rot (5 Punkte), Gelb (3 Punkte) oder Grün (1 Punkt) stimmen, die Punkte wurden zusammengezählt.
Um es vorwegzunehmen: Auch die Teilnehmer, die am Ende keine Siegerurkunde in den Händen hielten, wussten zu überzeugen. Wie eng das Feld war, zeigten auch die Bewertungen, die Punktzahlen lagen mit 71 bis 97 dicht zusammen, sodass auch die in der Vorrunde ausgeschiedenen Kandidaten Marlies Leifeld, Nayla Hißnacher, Fynn Königs, Saskia Mildenberger und Miya Mertens mit reichlich Applaus bedacht wurden.
Neben den Inhalten wussten die Teilnehmer auch durchweg mit ihren Vorträgen zu überzeugen. Hier hatte das zuvor von der Schauspielerin und Performance-Künstlerin Claudia Stump angebotene Coaching „Fit For Slam“, Früchte getragen. Mit eben so viel Spaß wie Konzentration und Ernsthaftigkeit hatte sie die Kandidaten auf ihren Auftritt vorbereitet, an Körperhaltung und Betonung gearbeitet, ihnen dabei geholfen, das, was sie zu sagen hatten, authentisch und überzeugend rüberzubringen.
Im Finale entschied das Publikum mit Dauer und Stärke des Beifalls über die Platzierung. Den dritten Platz belegte Julia Ertel mit einer ebenso lyrischen wie tiefsinnigen Meditation über verschiedene Formen des Glaubens. Zweite wurde Amira Islamyar mit ihrem provokanten Text „Schule ist Scheiße“. Als Sieger des Wettbewerbs ging der zwölfjährige Norwin Mertens hervor, der bereits beim ersten Poetry Slam im Herbst vergangenen Jahres den zweiten Platz belegt. Mit einer Liebeserklärung an sein Kuscheltier „Summsi“ begeisterte er das Publikum.
Ich bin überzeugt, dass dies nicht die letzte Veranstaltung dieser Art war.
Jörg Staiber
Ein wenig hatte er wohl schon insgeheim mit seinem Sieg gerechnet, hatte er doch schon in der Pause vor dem Stechen ausgerechnet: „Davon kann ich mir 75 Bällchen Eis kaufen.“ Jörg Staiber, Sprecher der Autorengruppe im Kunstverein Obere Nahe, die das Erlebnis gemeinsam mit dem JAM organisiert hatte, durfte am Ende den Siegern die Urkunden überreichen. „Ich fand das wirklich toll, was wir da heute gehört und gesehen haben“, erklärte er im Anschluss. „Ich bin überzeugt, dass dies nicht die letzte Veranstaltung dieser Art war. Wir Autoren freuen uns, dass wir einen solchen Nachwuchs haben, und möchten ihnen auch in Zukunft Gelegenheit geben, sich öffentlich zu präsentieren.“
Dieser Meinung waren ganz offensichtlich auch die Teilnehmer, denn auf die Frage auf dem Auswertungsbogen, wie oft ein solcher Poetry Slam stattfinden sollte, antworteten die meisten „einmal im Monat“. „Das werden wir sicher nicht schaffen“, erklärte Staiber. „Aber zweimal jährlich haben wir ins Auge gefasst.“ Gefördert wurde der Poetry Slam vom Programm „Demokratie leben im Landkreis Birkenfeld“ mit Bundesmitteln. red