Ein katholischer Pfarrer aus Kirn baute eine offenbar zu große Nähe zu einem Flüchtling auf. Der junge Mann beging später Suizid. Jetzt erklärt sich der Geistliche seinen Gemeinden.
„Zwar gibt es nach allem, was wir wissen, keinen direkten Zusammenhang zwischen unserem Kontakt und der Entscheidung des Mannes, sich das Leben zu nehmen“, teilt Barzen mit. Die Gründe seien stattdessen vermutlich in der schweren Traumatisierung des 23-Jährigen zu suchen. „Dessen ungeachtet belastet mich die Tatsache sehr.“
Der Flüchtling hatte vor seinem Suizid Anzeige gegen den Pfarrer erstattet. Das Verfahren sei aber kurz darauf eingestellt worden, weil es sich nicht um eine Straftat gehandelt habe. „Dennoch bedauere und bereue ich das Vorgefallene zutiefst“, unterstreicht Barzen, der seit mehr als einem Jahr krankgeschrieben ist.
Er geht auch auf die Vorgeschichte ein: Auch er habe sich wie viele andere in der Flüchtlingshilfe und -betreuung engagiert. Dabei seien ihm immer mehr Aufgaben zugewachsen und schließlich „auch über den Kopf gewachsen“, erkennt der Seelsorger rückblickend. Der 23-Jährige habe in besonderer Weise den persönlichen Kontakt gesucht. „Ich habe das Vertrauensverhältnis in nicht angemessener Weise ausgenutzt.“ Abschließend bittet der Priester die Glaubensgemeinschaft, „sofern Ihnen das möglich ist, mir zu verzeihen“.
Pfarrer will in Therapie das Erlebte und sein Verhalten reflektieren
Heribert Barzen hat am Freitag seine Therapie, die er im November vorigen Jahres begonnen hatte, mit einem stationären Klinikaufenthalt fortgesetzt. Deshalb ist er vorerst auch nicht zu erreichen.
Dabei will er „das Erlebte und mein Verhalten reflektieren und bearbeiten, um eine gefestigte Handlungssicherheit für die Zukunft zu gewinnen“. Nach Kirn wird er aber nicht mehr zurückkehren: Der Trierer Bischof Stephan Ackermann habe sein Angebot angenommen, auf die Pfarrstelle zu verzichten. Mit ihm sei vereinbart, erst nach Ende der Therapie über Barzens zukünftigen Einsatz als Priester zu entscheiden. Er sei gern Pfarrer und Seelsorger in der Pfarreiengemeinschaft gewesen, zu der neben Kirn auch noch Becherbach, Bruschied und Oberhausen gehören, bekundet Barzen.
In dieser Woche hat dieser bereits die Pfarrverwaltung und den Pfarreienrat informiert, berichtet Dechant Günter Hardt. Die Erklärung sei dort mit großem Respekt zur Kenntnis genommen worden. Dafür sei Heribert Barzen auch sehr dankbar, weiß Hardt. Die Gemeinde will der Dechant, der die Vertretung für Barzen übernommen hat, in der Messe am Sonntag unterrichten, die um 10.30 Uhr in der katholischen Kirche in Kirn-Sulzbach beginnt. „Danach stehe ich auch für Gespräche zur Verfügung.“ So schlimm diese Beichte auch sei: „Für Heribert Barzen ist sie eine Befreiung“, betont Hardt, der klarstellt: „Es handelt sich hier nicht um einen Missbrauchsfall.“
Brief soll der Aufarbeitung innerhalb der Gemeinde den Boden bereiten
Nachdem der Pfarrer sich ihm anvertraut hatte, sei das weitere Vorgehen gemeinsam mit der Bistumsleitung abgesprochen worden. Auch wenn die Kirche in solchen Fällen andere Kriterien als der Staat anlege: Heribert Barzen bleibe Priester. Mit dem ungewöhnlich offenen Brief, der größte seelische Not erkennen lässt, soll auch der Boden für die Aufarbeitung innerhalb der Gemeinde bereitet werden, kündigt der Dechant an.
Der aus Reil an der Mosel stammende Pfarrer hatte bis September 2011 die Pfarreigemeinden in Rhaunen und Bundenbach betreut. Mit kreativen Ideen und rot gefärbten Haaren hatte er diese Stelle 1999 angetreten. Bei seiner Verabschiedung wurden insbesondere sein Humor und seine menschliche Art gewürdigt. Im April 2012 hatte er zusätzlich zu seiner Aufgabe im Gemeindeverband auch die Krankenhausseelsorge in Kirn übernommen. Seinen Vorgänger hatte das Bistum mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden, nachdem dieser eingeräumt hatte, in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre Minderjährige in der Ukraine missbraucht zu haben.
Von Kurt Knaudt
Kreis Bad Kreuznach. Ein schönes Zeichen von Menschlichkeit in Zeiten, bei denen populistische Phänomene wie Pegida Zulauf haben: Die VG Kirn nimmt doppelt so viele Flüchtlinge auf wie vorgeschrieben. Freiwillig, und unter großer Hilfsbereitschaft vieler Einwohner.Archiv (8. Januar 2015) Hilfsbereitschaft pur: Kirn-Land schafft neuen Platz für Flüchtlinge