Aktionen im Kreis Birkenfeld
Orange Day: Schluss mit Gewalt an Frauen
Viele orangefarbene Regenschirme und eine Fahne mit klarer Botschaft prägten am Freitag das Bild vor dem Birkenfelder Schloss. Dort wurde – unter anderem mit Unterstützung von Landrat Miroslaw Kowalski – von rund 30 Teilnehmern ein symbolisches Zeichen zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen gesetzt.
Axel Munsteiner/Kreisverwaltung

Alle zwei Tage wird eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. Alle zwei Stunden erleidet eine Frau sexualisierte Gewalt in ihrer Beziehung: Der Orange Day machte auch im Kreis Birkenfeld auf erschreckende Fakten aufmerksam.

Alles in Orange zum Orange Day am Montag: Die Kampagne wurde bereits 1991 von der UN gestartet und soll von Gewalt betroffene Frauen und Mädchen dazu ermutigen, Hilfsangebote wahrzunehmen und somit das eigene, persönliche Schicksal nicht weiter hinzunehmen. Auch sollen Unbeteiligte damit aufgefordert werden, nicht wegzusehen.

Bei der Aktion wurden klare Forderungen gestellt.
Vera Müller

Die Polizei Idar-Oberstein und die Stadt Idar-Oberstein beteiligten sich mit einer gemeinsamen Aktion an dem Tag und machten so auf das Schicksal von Frauen und Mädchen aufmerksam. Der Bahnhof und das Stadthaus wurden orange angeleuchtet. Das Dienstgebäude der Polizei wurde ebenfalls mit orangefarbenen Luftballons und orangenen Folien in Szene gesetzt. Die Polizeiinspektion Birkenfeld machte durch die Gestaltung der Dienststelle in der Farbe Orange auf die Kampagne aufmerksam.

Zum Orange Day lud der Verein Frauen helfen Frauen mit seinen Projekten Frauenhaus (Idar-Oberstein), Fachstelle Frauennotruf zum Thema sexualisierte Gewalt (Idar-Oberstein) und der Interventionsstelle des Landkreises Birkenfeld, dem Beirat für Migration und Integration sowie den „Freitagsfrauen“ aus Birkenfeld und Umgebung zu einer Kundgebung gegen geschlechtsspezifische Gewalt ein. Ab 16 Uhr wurde auf dem Schleiferplatz in Idar bei regnerischem Wetter der Frauen gedacht, die geschlechtsspezifische Gewalt erleben müssen oder gar getötet wurden. Ferner wurde eine verbesserte Hilfe und Unterstützung für Betroffene gefordert unter dem Motto: „Femizide stoppen, Gewalthilfegesetz jetzt!“ Frauennotruf-Mitarbeiterin Barbara Zschernack begrüßte die Teilnehmer, viele davon mit einem Regenschirm in Orange.

„Jede Gesellschaft muss Verantwortung dafür übernehmen, geschlechtsspezifische Gewalt zu verhindern und Betroffenen verlässliche Angebote zu machen.“
Miriam Kösterkamp, Frauennotruf-Mitarbeiterin

Am 27. November übergeben die rheinland-pfälzischen Frauennotrufe im Frauenministerium in Mainz ihre Forderungen an Frauenministerin Katharina Binz und die Landesregierung. Sie fordern darin von der Bundesregierung und allen demokratischen Parteien das Gewalthilfegesetz noch vor den Neuwahlen zu verabschieden und appellieren an die Landesregierung diese Forderung auf Bundesebene zu unterstützen und sich mit Nachdruck dafür einzusetzen, dass der Gesetzentwurf noch Anfang Dezember ins Kabinett kommt, zu den priorisierten Themen zählt und noch in der laufenden Legislaturperiode verabschiedet wird. „Gewalt wird niemals weniger, wenn wir die Festigung von Beratung, Schutz und Prävention aufschieben“, machte Miriam Kösterkamp vom Frauennotruf Idar-Oberstein klar.

Die Organisatorinnen der Veranstaltung in Idar erläuterten Hintergründe und Fakten zum Thema Gewalt an Frauen und Mädchen.
Vera Müller

„Gewaltschutz kostet Geld. Deshalb fordern wir das Gewalthilfegesetz jetzt“, machten auch Andrea Konrad-Allmann vom Frauenhaus Idar-Oberstein sowie Sabine Müller-Frank von der Interventionsstelle, die ihre Arbeit kurz erläuterten, deutlich. Karla Quint sagte: „Nach solchen Taten wird oft von Eifersuchtsdrama oder Familientragödie gesprochen – ein Narrativ, das die strukturellen Machtverhältnisse, die hinter dieser Art von Tötungen stehen, völlig aus dem Blick geraten lässt. Femizide sind die Spitze eines Ausdrucks von patriarchalen Strukturen, in denen wir immer noch leben und uns täglich bewegen.“

Nadine Dinig stellte die „Freitagsfrauen“ vor und informierte über einen Brandbrief zum Thema, der sich an Bundeskanzler Olaf Scholz richtet. Für manche nicht nachvollziehbar: Von der Idar-Obersteiner Stadtspitze war niemand bei der Veranstaltung dabei.

Auch der Idar-Obersteiner Bahnhof erstrahlte in Orange.
Hosser

Einen stärkeren Einsatz gegen Gewalt gegen Frauen - dazu haben auch die CDU-Bundestagsabgeordnete Julia Klöckner sowie Bärbel Voigt-Stöcker, Vorsitzende der Frauen Union im Kreisverband Birkenfeld, aufgerufen. „Gewalt gegen Frauen ist leider Alltag, dennoch darf man sich nicht daran gewöhnen oder das Thema ignorieren. Gewalt in Beziehungen oder aber auch Übergriffe, weil Frauen als weniger wert angesehen werden, darf uns nicht kalt lassen. Es gibt auch Männer, die aus Gesellschaften zu uns einwandern, wo Gewalt gegen Frauen, Übergriffe und enge Vorschriften an sie nichts Verwerfliches sind. Das dürfen wir nicht dulden. Ganz gleich, woher jemand kommt, wichtig ist, dass er auf dem Boden unseres Grundgesetzes steht: keine Gewalt. Frauen und Männer sind gleichberechtigt“, sagt Klöckner.

Sie ist in der Stiftung Plan International zur Stärkung von Mädchen und Mitglied im Gewaltopferschutzverein „Weißer Ring“ aktiv. 2024 legt die Kampagne am 25. November einen Schwerpunkt auf Gewalt in Partnerschaften – eine Form, die besonders häufig vorkommt und oft erst spät erkannt wird. „Gewalt in Partnerschaften beginnt oft mit scheinbar harmloser verbaler Gewalt und eskaliert schrittweise“, erklärt Voigt-Stöcker.

„Das Engagement von Politik, Gesellschaft und Hilfsorganisationen ist essenziell, um Gewalt gegen Frauen zu beenden. Jede Frau hat das Recht auf ein Leben in Sicherheit und Würde.“
Julia Klöckner und Bärbel Voigt-Stöcker zum Orange Day

Die sogenannte Gewaltspirale führe in den schlimmsten Fällen zu Femiziden. „Wir müssen hinschauen, zuhören und handeln. Es ist inakzeptabel, dass Frauen in unserem Land täglich Gewalt erfahren, nur weil sie Frauen sind.“ Voigt-Stöcker und Klöckner unterstreichen: „Es ist unsere Aufgabe, patriarchale Strukturen aufzubrechen und Opfern einen sicheren Raum zu bieten. Viele Betroffene schweigen aus Angst oder Scham. Daher braucht es niedrigschwellige Angebote und konsequenten Opferschutz. Danke allen, die hier seit Jahren im Opferschutz und der Gewaltprävention aktiv sind. Auch allen Engagierten rund ums Frauenhaus.“

Klöckner fordert eine stärkere Unterstützung von Frauenhäusern, Beratungsstellen und Präventionsprogrammen: „Es geht nicht nur um die akute Hilfe, sondern auch darum, die Ursachen zu bekämpfen. Prävention beginnt in Schulen, im Elternhaus und in der Gesellschaft.“ Neben politischen Forderungen soll auch die Öffentlichkeit sensibilisiert werden. „Der Orange Day ist ein Aufruf an alle, ein Zeichen zu setzen. „Ob durch das Tragen von Orange oder die Teilnahme an Aktionen – jede Stimme zählt“, betont Voigt-Stöcker.

Deutlich mehr Teilnehmer

Schon etwas ihrer Zeit voraus waren am Freitag rund 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die vor dem Birkenfelder Schloss ein symbolisches Zeichen mit orangefarbenen Regenschirmen gesetzt haben. Zudem wurde dort eine Fahne gehisst, deren klare Botschaft „Frei leben ohne Gewalt“ lautet. „Wir dürfen es nicht hinnehmen, dass die Zahl der von Gewalt betroffenen Opfer, die zumeist weiblich sind, weiter zunimmt. Deshalb erheben wir unsere Stimme gegen Gewalt an Frauen und Mädchen und machen den Betroffenen Mut, für ihre Rechte einzustehen und sich Hilfe zu suchen“, betonte die Initiatorin Melanie Becker-Haßdenteufel. Sie und Ulrike Simon sind die beiden Gleichstellungsbeauftragten im Landkreis Birkenfeld.

Auch Akteure des Beirats für Migration und Integration nahmen an der Aktion in Idar am Montagnachmittag teil.
Vera Müller

Erfreut zeigten sich die Initiatorinnen darüber, dass bei der diesjährigen Aktion deutlich mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer dabei waren als bei der 2023er-Auflage. Mit von der Partie waren unter anderem Delegationen der Lebenshilfe Obere Nahe, des Vereins Frauen helfen Frauen mit seinen drei Projekten Frauenhaus, Frauennotruf und Interventionsstelle, der Gruppe „Freitagsfrauen“ und des Kreisverbands von Bündnis90/Die Grünen sowie Werner Ruprecht vom Beirat für Migration und Integration im Kreis Birkenfeld. Seitens der Kreisverwaltung bekundeten mit ihrer Anwesenheit bei der Aktion auch Landrat Miroslaw Kowalski, Dezernent Roland Praetorius und Büroleiterin Christine Tasch ihre Solidarität im Kampf gegen Gewalt an Frauen.

Erschreckende Zahlen

Melanie Becker-Haßdenteufel erinnert unter Berufung auf die Angaben der Aktion „Deutschland hilft“ daran, dass die Vereinten Nationen (UN) davon ausgehen, dass mehr als 35 Prozent aller Frauen weltweit mindestens einmal im Leben Opfer sexueller oder physischer Gewalt sind. In Deutschland hat jede vierte Frau mindestens einmal in ihrem Leben körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren, wobei in etwa der Hälfte der Fälle ist der Partner für diese Taten verantwortlich. „Diese hohe Prozentzahl von Frauen und Mädchen, die weltweit und auch in Deutschland bei steigender Tendenz von Gewalt betroffen sind, ist erschreckend“, betont Becker-Haßdenteufel. Umso wichtiger sei es, auf dieses Problem aufmerksam zu machen und sich ihm entschieden entgegenzustellen.

Mehr Infos zu Unterstützungsangeboten gibt es im Internet unter www.hilfetelefon.de/aktuelles

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