Sondersitzung in Birkenfeld
ÖPNV unter der Lupe: IWUK will ans Busangebot ran
Der Nationalparklandkreis Birkenfeld hat vor drei Jahren sein ÖPNV-Angebot deutlich ausgeweitet und neue Busverbindungen sowie Haltestellen – wie hier am Zimmerbach in Birkenfeld – geschaffen.
Axel Munsteiner/Kreisverwaltung Birkenfeld

Auch drei Jahre nach Einführung des neuen, deutlich attraktiveren ÖPNV im Nationalparklandkreis sieht man weiterhin „Geisterbusse“ auf einzelnen Linien. Jetzt soll optimiert werden. Über das „Wie“ wird aber noch gestritten.

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Thomas Roland brachte es auf den Punkt: „Der neue ÖPNV kostet uns 8,6 Millionen Euro im Jahr. Wenn wir da 20 Prozent sparen könnten, wären das umgerechnet 7 Prozentpunkte bei der Kreisumlage.“ Und: „So gerne wir das System aufrechterhalten würden: Das können wir uns im Moment nicht leisten.“ So oder so ähnlich sehen das fast alle politisch Verantwortlichen im Landkreis, auch wenn Landrat Miroslaw Kowalski und Marco Remy korrigieren: „20 Prozent Leistungskürzung (wie sie vertraglich möglich sind; Anm. d. Red.) bedeuten nicht automatisch auch 20 Prozent Kosteneinsparung.“

Der Koordinator Verkehrsplanung und Prokurist beim Rhein-Nahe-Nahverkehrsverbund (RNN) hat in einer Sondersitzung des Ausschusses für Infrastruktur, Wirtschaft, Umwelt und Klimaschutz (IWUK) am Donnerstag die neusten Fahrgastzahlen vorgestellt. Sie waren im April erhoben worden, es war die vierte Zählung im dritten Jahr nach der Optimierung des Busnetzes im Nationalparklandkreis – die bisherigen Erkenntnisse wurden dabei bestätigt, wie Remy ausführte.

Man habe extra einen Zeitraum mit zwei Wochen Schulferien ausgesucht, um zu sehen, wie sich die Fahrgastzahlen ohne die Schülerauslastung präsentieren: Die bisherigen Problemlinien sind dieselben. Da, wo es bisher gut lief– etwa im Stadtverkehr Idar-Oberstein –, waren auch die Zahlen im Frühjahr sehr gut. Die aktuelle Untersuchung setzte auch einen Fokus auf die Nutzung der Rufbusse. Und dort waren die Ergebnisse zum Teil doch erschütternd.

Liste zeigt, wo Rufbusse nicht nachgefragt werden

Remy gab dem Ausschuss eine Liste von Orten respektive Haltestellen zur Hand, bei denen binnen eines Jahres (Mai 23 bis April 24) „praktisch keine Nachfrage“ bestand – registriert wurden weniger als fünf Anforderungen am Bunker Erwin, in Thranenweier, Hüttgeswasen, Oberhambach (Ferienpark), Gollenberg, Ellenberg, Achtelsbach (Weiher), Bleiderdingen, Leitzweiler, Rohrbach (alle Linie 822), in Wilzenberg, Heupweiler, Oberhambach, Ellenberg (Linie 829), Sonnschied (Linie 869) und in Langweiler (899). Dabei unterstrich Remy: „Das Rufbussystem funktioniert.“ Er wies auch darauf hin, dass bei Streichungen in diesem Segment „keine Millionenbeträge“ zusammenkommen.

Doch auch bei den regulären Linien mit großen Bussen gibt es Ausreißer nach unten: So werden vor allem die Nationalparklinie (890), die Linie 820 Idar-Oberstein–Reichenbach und der Bus 870 Idar-Oberstein–Fischbach–Sien am Wochenende kaum genutzt. Sorgen bereiten auch die Linien 823 Baumholder–Birkenfeld (über Nohen), 845 Idar-Oberstein– Allenbach–Morbach, 857 Rhaunen–Horbruch–Rhaunen, Rhaunen–Schwerbach–Rhaunen sowie 860 Rhaunen–Bundenbach–Hennweiler–Kirn (die überregionale Linie wird allerdings vom Schienenzweckverband finanziert, nicht vom Landkreis). Hier regte der RNN-Vertreter an, über die Umwandlung in Rufbusse nachzudenken.

Rückgänge im Vergleich zu den früheren Untersuchungen gab es bei den Linien 840 und 845 sowie bei der innerstädtischen Linie 804, was wohl an der Vollsperrung in Tiefenstein liegt. Im Stadtverkehr falle darüber hinaus derzeit wochentags nur die Linie 813 Idar–Breitheck–Algenrodt negativ auf. An den Wochenenden könnte die Auslastung generell höher sein, so der RNN-Prokurist.

„Genau so viel, wie wenn Leute im Bus sitzen.“
Marco Remy (RNN) auf die Frage von Dirk Rohde (AfD), was es den Kreis koste, wenn ein leerer Bus von Regulshausen nach Oberstein fahre.

Dirk Rohde (AfD) wollte von RNN und Verwaltung wissen, was es koste, wenn Busse leer durch den Landkreis fahren. Das sei so einfach nicht zu berechnen, lautete die Antwort. Remy warnte aber davor, die Strategie zu ändern, indem man Linien mit geringer Auslastung einfach streiche. Dann sei man ganz schnell wieder da, wo man vor der Umstellung war: bei einem unattraktiven Bussystem. Rohde sprach hingegen von einem „Fass ohne Boden“. Dezernentin Kathrin Alfers räumte ein, dass es schwierig sei, zu taxieren, was genau mit welcher Maßnahme eingespart werden kann.

Hans-Joachim Billert (Grüne) erinnerte daran, dass das ÖPNV-Angebot im Nationalparklandkreis in einer aktuellen Greenpeace-Studie mit einem Top-5-Platz deutschlandweit für die ÖPNV-Qualität in dünn besiedelten Kreisen belohnt worden sei. Man solle das neue ÖPNV-Angebot auch unter diesem Gesichtspunkt und nicht nur anhand der hohen Kosten sehen. Er plädierte wie auch Thomas Roland, bei den aktuellen Überlegungen von „Optimierungen“ statt von „Streichungen“ zu sprechen. Sandra Wenz (Freie Wähler) warnte davor, „das Vertrauen in den ÖPNV, das wir gerade mühsam aufbauen“ durch unüberlegte Streichungen wieder zu verspielen: „Wir sollten in diesem Arbeitskreis viel mehr überlegen, wie wir mehr Menschen in die Busse bekommen.“

Uwe Weber (SPD) vertrat die Auffassung, dass bei einer Kürzung des Linienangebots von 20 Prozent, wie es der ÖPNV-Vertrag ausdrücklich zulässt, der Aspekt „Daseinsfürsorge“ noch nicht bedroht sei – gerade angesichts dürftiger Auslastungen auf einzelnen Linien. Am Ende der Sitzung zeigte sich Marco Remy zuversichtlich, dass die ins Auge gefasste Optimierung erfolgreich sein werde und auch deutlich Geld eingespart werden könne: „Wir kriegen das hin, da bin ich mir sicher.“

ÖPNV-Arbeitskreis kommt doch nicht

Die eigentlich für die jüngste IWUK-Sitzung vorgesehene „Übertragung der Vorbereitung von Fahrplanänderungen auf einen Arbeitskreis“ wurde vom Ausschuss verworfen. SPD und CDU sind sich einig, dass diese Aufgabe der Ausschuss selbst übernehmen könne. Dabei sollten zunächst – anders als von der Verwaltung vorgesehen – auch die Busunternehmen außen vor bleiben, bis die Selbstverwaltung wisse, was genau man will, argumentierte Thomas Roland (SPD). In einem zweiten Schritt sei dann der Sachverstand der Betreiber gefragt, etwa um Linien zu optimieren oder neu zu schneidern. Diesem Vorgehen muss der Kreistag noch zustimmen. Der IWUK jedenfalls stimmte dem Vorgehen am Donnerstag einstimmig zu. Dezernentin Alfers warnte jedoch, dass die Zeit knapp werden könnte, will man die Optimierung des ÖPNV doch vor der Umstellung auf den neuen Fahrplan Ende des Jahres in trockenen Tüchern haben. Heißt: Auf den IWUK kommen zahlreiche Zusatzsitzungen zu. sc

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