Nicht nötig. Die verlorene Landtagswahl, ein historisch schlechtes Abschneiden der CDU bei der Bundestagswahl, den Wahlkreis Bad Kreuznach/Birkenfeld an SPD-Mann Joe Weingarten verloren, auch ihr Amt als Bundeslandwirtschaftsministerin ist folgerichtig Geschichte. Klingt wenig erbaulich und könnte am Selbstbewusstsein nagen.
Klöckner, am 16. Dezember 49 Jahre alt geworden und somit Sternzeichen Schütze, wirkt davon allerdings bemerkenswert wenig beeindruckt. Natürlich, man habe die Wahlen auf allen Ebenen analysiert. Natürlich, es kamen ein paar Falten im Gesicht hinzu. Aber es sind eher Falten, die von Reife, Erfahrung und einer neuen Gelassenheit zeugen, wie sie selbst bekennt. Die Bad Kreuznacherin scheint sich nicht mehr nur über die Politik (und ihre Rolle darin) zu definieren, sondern wirkt nachdenklicher als noch vor ein paar Jahren, als eine gewisse Getriebenheit, Verbissenheit und übermotivierter Ehrgeiz als Motor spürbar waren. Schnee von gestern. Klöckner plaudert beim Frühstück über Ella, ihre knuffige Labradoodle-Hündin, die jetzt einen wärmenden Pulli braucht, ihren Mann Ralph, den sie 2019 geheiratet hat und der morgens beim Aufwachen lächelt, egal, was vorher passiert ist, ihren besten Kumpel und Seelenverwandten, der mit einem Mann verheiratet ist und mit dem man am Abend einen Winzerglühwein trinken möchte … Auch über Friedrich Merz, den designierten CDU-Vorsitzenden, dem man gern mal Machopolitik nachsagt: „Er ist kein Macho, ernsthaft. Der hat eine ganz starke Frau, die die Hosen anhat, und tolle Töchter.“ Merz möchte, dass Klöckner CDU-Schatzmeisterin wird. Die Bundestagsabgeordnete soll auf dem Onlineparteitag am 21. und 22. Januar für das Amt kandidieren.
Die 49-Jährige weiß ganz genau, dass ihr Alter mit Blick auf die Politik schlicht als jung zu definieren ist. Weiter geht es: „Aus Niederlagen lernt man.“ Klöckner kennt die politische Bühne: Man weiß nie, was da noch kommt, ganz schnell steht man wieder ganz vorn. Und Totgesagte leben länger. Siehe Friedrich Merz.
2022 – dann wird Klöckner 20 Jahre Mitglied des Bundestags sein, eine lange Zeit, die schnell vergangen sei, wie sie betont. Und die war natürlich auch von der Kanzlerin im Ruhestand, Angela Merkel, geprägt. Beim Zapfenstreich für Merkel, da war sie live dabei: „Ja, da flossen auch bei mir Tränchen.“ Und Privatfotos von diesem historischen Ereignis hat sie auch auf ihrem Handy. Ebenso Fotos der persönlichen, handgeschriebenen Weihnachtskarte von Merkel. Keine Frage, Klöckner vermisst die Kanzlerin schon jetzt.
Die Spaltung der Gesellschaft, soziale Netzwerke, Corona („Ich verstehe auch längst nicht alles“): „Ich wünsche mir wieder mehr Mut zur Haltung, einen Wertediskurs, der nicht abgehoben ist und der Freiheit, Sinnhaftigkeit, Individualität sowie das Ehrenamt in den Fokus rückt und sich nicht in Gesinnungsschubladen bewegt. Für ein Miteinander. Wir brauchen ein gemeinsames Lagerfeuer – so wie zu guten Zeiten bei der Fußball-WM.“ Und in diesem Miteinander brauche es auch das Analoge als unmittelbare Begegnung mit den Menschen, was Onlinekonferenzen nicht leisten könnten, das stelle sie immer wieder fest.
Klöckner freut sich aufs neue Jahr, Herausforderungen und offenbar auch auf ein „Zurück zu den Wurzeln“ als „einfache“ Bundestagsabgeordnete: Riesenschokoladetafeln an DRK, Frauennotruf, Hospizdienst, Polizei, Feuerwehr, Tierheime verteilen? Das macht sie gern persönlich. Bei der Tafel aushelfen? Das hat bei ihr schon Tradition. Im Wahlkreisbüro vorbeischauen? Sich für Idar-Oberstein freuen, wenn es Gewerbesteuereinnahmen regnet? Jederzeit – mit einem dicken Lob an OB Frank Frühauf. Das ist vielleicht Klöckners größte Stärke: Ihr bricht bei nichts ein Zacken aus der Krone. Bodenhaftung und eher wieder Baumholder und Berschweiler statt vor allem Brüssel und Berlin: noch einmal näher bei „de Leut“.