Dabei handelt es sich um quadratische Messingtafeln mit abgerundeten Ecken und Kanten, die meist vor den einstigen Wohnhäusern von den Nazis vertriebener und/oder getöteter Juden eingelassen werden. Und zwar von Hand, wovon sich die zahlreichen Besucher der Gedenkveranstaltungen am Mittwoch überzeugen konnten.
An jedem der neuen Standorte gab es, während Demnig die Betonwürfel akribisch verankerte, Informationen zu Leben und Leidensweg der NS-Opfer. Rund 90.000 dieser Minimahnmale hat Gunter Demnig bereits in ganz Europa verlegt, unlängst noch in Oslo gemeinsam mit der norwegischen Kronprinzessin Mette-Marit. Die 100.000 will er im kommenden Jahr knacken, so der unermüdliche Künstler gegenüber der NZ.
In Idar-Oberstein hatte es eine längere Pause gegeben: „Erst gab es Unklarheiten hinsichtlich der Datenlage in Bezug auf mehrere NS-Opfer, für die Steine verlegt werden sollten. Dann erzwang die Pandemie eine lange Pause“, erläuterte Axel Redmer, der Vorsitzende des Shalom-Vereins. Nun ging es aber weiter. In Weierbach fanden sich vor dem früheren Wohnhaus der Familie Scharawner zwei Dutzend Gäste ein, um der Gedenksteinlegung beizuwohnen.
Christoph Ackermann aus Berlin, der die hier verlegten vier Steine finanzierte, erinnerte an die bis Ende der 1920er-Jahre in die Dorfgemeinschaft integrierte Familie. Dann begann die Nazi-Hetze – am Ende waren bis auf Sohn Erich alle tot. Ihm war 1938 die Flucht in die USA geglückt. Er kehrte mit der US-Armee zurück in seine Heimat und suchte anschließend mehrere Jahre nach seinen Angehörigen. Vergebens: Ihre Spur verliert sich in den Vernichtungslagern rund um das polnische Lubin.
Ein Hauch von Hoffnung
Nach den bedrückenden Schilderungen, die Ackermann aus einem Aufsatz im Heimatkalender 2015 der ebenfalls anwesenden Ruth Eckhoff aus Sien entnommen hatte, gab es in Nahbollenbach einen Hauch von Hoffnung: Die Familie Siesel, die in der Nahbollenbacher Straße 54 eine Gemischtwarenladen betrieben, überlebte Verfolgung und Flucht: „Das ist sehr, sehr selten“, merkte Gunter Demnig an.
Hier wie auch in der Breslauer Straße und in Tiefenstein, wo fehlerhafte Stolpersteine für die Arztfamilie Spitzer erneuert wurden, sorgte Stadträtin Sonja Gottlieb für die musikalische Umrahmung: Sie brachte jüdische Klagelieder aus jener dunklen Zeit zu Gehör.
Premiere für Gunter Demnig
Der Stolperstein, der für Günter Barth in der Breslauer Straße 7 verlegt wurde, war auch für Demnig eine Premiere. Nie zuvor hatte er den Begriff „Rheinlandbastard“ gehört. Barth, der wegen seiner sportlichen Erfolge beliebt und anerkannt war, war als Kind eines französischen Besatzungssoldaten aus Marokko 1937 zwangssterilisiert worden. 13 der jetzt verlegten 17 Stolpersteine wurden über Spenden der Kreissparkasse Birkenfeld, des Shalom-Vereins, der Offenen Gruppe Nahbollenbach sowie mehrerer Privatpersonen finanziert. Sie sollen helfen, dem Vergessen entgegenzuwirken und die Erinnerung an die Opfer der NS-Herrschaft aufrechtzuerhalten, wie es Bürgermeister Friedrich Marx formulierte.
Denn auch das ist Deutschland im Jahr 2022: An einem der Verlegeorte kam ein Hausbewohner nach draußen und fragte, was hier los sei. Ihn habe niemand gefragt, ob „so was“ vor seinem Haus installiert werden darf. Da müsse auch niemand gefragt werden, unterrichtete Marx: „Der Gehsteig ist im Eigentum der Stadt.“