Audiowanderweg in Schmißberg eröffnet - Viel ehrenamtliche Arbeit notwendig
Neuer Audiowanderweg in Schmißberg eröffnet: Apfelbäume als Zeichen für Demokratie
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Entlang der Schmißberger Obstbaumallee wurden drei Korbiniansapfelbäume gepflanzt – als Erinnerung an die Schrecken der NS-Zeit und als deutliches Zeichen für Demokratie. Foto: Jana Grauer
Jana Grauer

Schmißberg. In Schmißberg wurden drei besondere Apfelbäume gepflanzt. Sie erinnern an die Schrecken der NS-Zeit und sind ein Zeichen für die Demokratie. Mehr Informationen dazu liefert die Station acht des Schmißberger Audiowanderweges, der am Sonntag eröffnet wurde.

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Hören, was in Schmißberg vor Hunderten von Jahren passierte. Das ist in der Gemeinde jetzt auf dem Audiowanderweg „Schmißberger Geschichte/n” möglich. Und so funktioniert es: Entlang des rund fünf Kilometer langen Wanderweges befinden sich 14 Stationen. Dabei handelt es sich um Infotafeln mit einem QR-Code.

Der Wanderer kann diesen Code einscannen und landet dann auf der Internetseite der Gemeinde Schmißberg (schmissberg.de), wo die Audiodateien abgespielt werden, erläutert Sebastian Grauer, der für die digitale Umsetzung des Wanderweges zuständig war. „Wir haben einen Wander-Podcast produziert. Dabei hat uns geholfen, dass es mit unserer Internetseite in Schmißberg schon die digitalen Strukturen für so ein Projekt gab.“

Die Theatergruppe Birkenfeld half der Gemeinde ebenfalls bei der Umsetzung des Wanderweges. So sind es beispielsweise Martin Hahnefeld oder Kendra Stockmar-Reidenbach, die mit ihren authentischen Stimmen und lebhafter Umgebungsatmosphäre das Schmißberg von damals in die Gegenwart transportieren und den Wanderer mit auf eine spannende Zeitreise nehmen.

Geschichten werden gespielt

Der Protagonist des Podcasts ist Tempus Springer, ein Reporter, der sich auf Zeitreise begibt und in Schmißberg vor mehreren Hundert Jahren unterwegs ist. Er spricht unter anderem mit dem ersten Schmißberger Ludewig im Jahr 1367. Der zeitreisende Reporter wird auch Zeuge einer Hinrichtung auf dem Krausberg.

Ebenso erfährt Tempus Springer von Ludwig Mayer im Jahr 1913 vom Bau der ersten Wasserleitung. Der scheidende Ortsbürgermeister Rudi Weber freut sich, dass es in der Gemeinde jetzt neben dem bereits bestehenden Wanderweg „Im Land von Milan, Storch und Co.“ eine weitere Attraktion gibt. „Wir hoffen, dass wir mit unserem Audiowanderweg einen weiteren kleinen Baustein zur touristischen Entwicklung in der Nationalparkregion Hunsrück-Hochwald beitragen können.“

Weber dankt insbesondere der LAG Erbeskopf, die den Weg gefördert, sowie Tom Sessa, der den Antrag dafür gestellt und den Aufbau stetig unterstützt hat. Daneben geht auch viel Lob des Ortsbürgermeisters an die Schmißberger Rentnergruppe, die mit ihren regelmäßigen und ehrenamtlichen Arbeitseinsätzen den Weg freihält.

Entlang der Schmißberger Obstbaumallee wurden drei Korbinianapfelbäume gepflanzt. Der Bauernsohn und Pfarrer Korbinian Aigner, 1885 geboren, lehrte seit 1912 Zeichnen am Knabenseminar Scheyern. Der bayerische Pfarrer gehörte zu den mutigen Geistlichen, die sich offen gegen die Hitler-Diktatur wendeten. Im Religionsunterricht und in der Kanzel predigte er gegen die Verbrechen der Faschisten. Deswegen wurde Aigner denunziert und wegen „Beleidigung des Führers“ zu sieben Monaten Haft verurteilt. Danach wurde er von der Gestapo ins KZ Sachsenhausen bei Berlin gebracht. Ein Jahr später, im Oktober 1941, wurde er ohne ausreichende Kleidung, unterernährt und misshandelt ins KZ Dachau bei München verlegt.

In Dachau wurden mehr als 3000 Geistliche in einem speziellen Sammellager gefangen gehalten, die als Gegner der Nazis galten. Die im KZ inhaftierten Pfarrer und Priester wurden in einer riesigen Plantage eingesetzt. Diese nannten die Nazis „Deutsche Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung“. Ziel: Deutschland sollte unabhängig von Medikamentenimporten gemacht werden. Nach außen ging es im sogenannten Kräutergarten um die „Gesundung des deutschen Volkskörpers“. In Wirklichkeit geschah die landwirtschaftliche und gärtnerische Arbeit unter äußerst brutalen Bedingungen auf Grundlage des Programms „Vernichtung durch Arbeit“, denn schon beim Aufbau der Plantage starben mehr als 400 Häftlinge.

Pfarrer züchtete Apfelsorten im KZ

Pfarrer Korbinian nutzte die Jahre im KZ, um heimlich vier neue Apfelsorten zu züchten. Er hatte schon in seiner Jugendzeit und als Theologiestudent eine große Leidenschaft für den Obstanbau entwickelt. In Dachau züchtete er zwischen den Baracken Äpfel und nannte die Sorten KZ-1, KZ-2, KZ-3 und KZ-4. Es gelang ihm, Sämlinge der Sorte KZ-3 aus dem Lager zu schmuggeln.

Zu seinem Andenken wurde diese Sorte später in „Korbiniansapfel“ umbenannt. Aigner überlebte das KZ und die Nazidiktatur. Der sogenannte Apfelpfarrer wurde später Vorsitzender der Obst- und Gartenbauvereine in Bayern. Aigner sagte, dass die Apfelbaumzucht im KZ Dachau für ihn eine Möglichkeit gewesen sei, dem mörderischen Abgrund neues Leben entgegenzusetzen.

Korbinians Apfelbäume werden heute weltweit als Erinnerungsbaum gepflanzt, als Mahnung an die Schrecken der NS-Zeit und als Zeichen für Demokratie, so auch in Schmißberg. Die drei in der Schmißberger Obstbaumallee gepflanzten Bäume leisten zudem einen sozialen Beitrag, indem der Ertrag zur Erntezeit sozial bedürftigen Menschen aller Nationalitäten zugeführt wird, so das Ziel der Initiatoren.

  • Das Projekt Schmißberger Audiowanderweg wurde vom Bundesprogramm „Demokratie leben“ gefördert und vom Obst- und Gartenbauverein Hoppstädten-Weiersbach unterstützt.

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