Von Kurt Knaudt
Ihr liegt sehr daran, den Blick auf den ureigensten Sinn und Zweck des Nationalparks zu richten – die streng geschützte, unbeeinflusste Entwicklung der Natur.
Das Interesse daran von außen ist groß: Acht Universitäten und mehr als 20 Institute sind neben diversen öffentlichen Stellen bereits wissenschaftlich im Hunsrück-Hochwald tätig – auf ganz unterschiedlichen Feldern. Während sie jeweils das Kleinste vom Kleinen untersuchen, „schauen wir auf das große Ganze“, beschreibt die gebürtige Westerwälderin, die mit ihrem Mann schon seit 1997 in Idar-Oberstein lebt, ihren Ansatz. Es gehe darum, ein Netzwerk zu schaffen, in dem man sich gegenseitig austauscht und befruchtet – um die so gewonnenen Erkenntnisse dann der Öffentlichkeit zu präsentieren.
In Arbeitsgruppen sollen in einem ersten Schritt all jene an einen Tisch zusammengeholt werden, die zu einem Thema forschen oder aber viel wissen. Diese Arbeit dient der Wissenschaft. Es gehe aber auch darum, Forschungsgelder für bestimmte Vorhaben zu generieren, um sie überhaupt erst möglich zu machen. „Das ist ein nicht zu vernachlässigendes Ansinnen“, erläutert Sören Sturm, als Abteilungsleiter im Nationalparkamt für Umweltbildung, Naturerleben, Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation zuständig.
„Ich fahre jeden Morgen mit einem Lächeln zur Arbeit. Es ist toll, bei diesem Werdungsprozess dabei zu sein“, beschreibt Andrea Klaus-Thiel ihre Einstellung zum neuen Job, den sie nach Lehrtätigkeiten am Heinzenwies-Gymnasium und an der IGS Herrstein-Rhaunen übernommen hat. Ihr Leitspruch ist ein Satz von Aristoteles: „Der Beginn aller Wissenschaften ist das Erstaunen, dass die Dinge so sind, wie sie sind.“ Das passt zum Nationalpark. Denn dort geht es in der Kernzone, die zunächst 25 Prozent beträgt, ehe sie dann bis 2020 auf 50 und schließlich auf 75 Prozent erweitert wird, um die für Andrea Klaus-Thiel im höchsten Maße faszinierende Frage: „Was macht die Natur, wenn man sie machen lässt – unabhängig von unserem Empfinden, was passieren sollte?“ Deshalb brauche man vor allem die Gelassenheit, die Dinge geschehen zu lassen.
Ohnehin sind, so betont die 48-jährige Mutter von zwei Kindern, im Nationalpark Zeit und Geduld das Wichtigste: Schließlich dauert es Jahre, ja Jahrzehnte, bis aus einem bewirtschafteten Wald allmählich Wildnis wird. Im Kerngebiet geht dabei Prozessschutz vor Artenschutz. Was bedeutet: Es kann sein, dass in dem sich verändernden Lebensraum manche Arten im Lauf der Zeit verschwinden, dafür andere neu dazu kommen.
Im Büro der Biologin hängt ein großformatiger Papierbogen, auf dem sie die unterschiedlichen Forschungsfelder – mit möglichen Verbindungen zueinander – skizziert hat. Das reicht von der Vogelwelt über Moose, Flechten, Moore und das Thema Wasser bis hin zu den Tieren. Die Wildkatze, das Symboltier des Nationalparks, wird ab Herbst systematisch ins Visier genommen: Mit Lockstöcken, die dann per DNA-Untersuchung ausgewertet werden, soll der Bestand im Schutzgebiet erfasst werden. Für die Fledermaus läuft ein solches Monitoring bereits. Auch Flechten und Moose werden kartiert. Das alles sowie das Erbe der Kelten und Römer, die Edelsteine und die reizvolle Landschaft: „Diese Region ist so vielfältig wie kaum eine andere“, schwärmt Andrea Klaus Thiel von ihrer Wahlheimat. Sie hofft, dass dieses Potenzial durch den Nationalpark besser ausgeschöpft werden kann. Aber auch dafür brauchen die Beteiligten Zeit und Geduld.