NZ-Wahlcafé bei Ella's im Bahnhof entwickelte sich zu einer munteren Diskussionsrunde - Aktion der Behindertenwerkstatt
Muntere Diskussion im NZ-Wahlcafé: In vielem sind sich die Kandidaten einig
HOSSER. Hosser

Idar-Oberstein. Es war ein neues Konzept, um den Wählerinnen und Wählern in Idar-Oberstein die Ideen und Motivationen der Spitzenkandidaten der bei der Kommunalwahl am 9. Juni antretenden Kandidaten und Kandidatinnen für den neuen Stadtrat kurzweilig zu präsentieren.

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Im Café Ella's im Bahnhof Oberstein diskutierten Moritz Forster (SPD), Frederik Grüneberg (CDU), Monja Roepke (Bündnis 90/Die Grünen), Richard Brunk (FDP), Stefan Worst (Liste Worst/ Bürger für Bürger), Michael Schmolzi (LUB) und Frank Schnadthorst (Freie Liste) unter der Moderation von NZ-Redakteurin Vera Müller diverse Themen und Fragestellungen. Einzig Jürgen Müller (Die Linke) fehlte kurzfristig. Übertragen wurde das Ganze von Nahe-TV im Livestream.

„Niemand soll wegen seiner Behinderung Nachteile haben.“ Das wünschte sich Michael Jerusalem von den Politikern. In einem Workshop hatte Martina Becker die Statements mit ihm und anderen Teilnehmern erarbeitet.

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Bevor es losging, hatte die Lebenshilfe Obere Nahe als Gastgeber des Wahl-Cafés noch eine Aktion vorbereitet. Gemeinsam mit Geschäftsführerin Martina Becker machten mehrere behinderte Mitarbeiter der Lebenshilfe-Werkstätten deutlich, was für sie das Grundgesetz bedeutet: „Die Würde eines jeden ist unantastbar.“ Sie lasen persönliche Stellungnahmen vor und überreichten im Anschluss allen hölzerne „Würdetäfelchen“. Die Kandidaten wurden gebeten, mittels eines aufgedruckten QR-Codes selbst ein Statement zu Demokratie und Grundrechten abzufilmen und ins Internet einzustellen. Die Aktion geht zurück auf den Bonner Diakon und Bildhauer Ralf Knoblauch, der sich die Würde des Menschen (Artikel 1 Grundgesetz) als Lebensthema gesetzt hat.

Auf und Ab bei der Finanzkraft

Nach einer kurzen Vorstellung der Teilnehmer und der Spielregeln (es wurde gezielt gefragt, zusätzlich gab es Joker, mit denen man bei bestimmten Themen das Wort ergreifen konnte) ging es auch gleich in „medias res“. Vera Müller fragte nach der Macht und Ohnmacht des Stadtrats: Frederik Grüneberg und Moritz Forster, die beide seit fünf Jahren dem Gremium angehören, skizzierten das Auf und Ab vor allem in Bezug auf die Finanzkraft der Stadt. Trotz der schnellen Rückkehr zur „Politik der leeren Kassen“ habe man – Stichwort Schuldenabbau und kurzfristige Absenkung der kommunalen Steuern – gute Beschlüsse gefasst, resümierte Grüneberg: „Das geht nur gemeinsam.“

Diese „Würdetäfelchen“ verteilte die Lebenshilfe an die Kandidaten.
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Auch Forster unterstrich, dass bei der Arbeit in den städtischen Gremien Parteibücher keine Rolle spielten. Michael Schmolzi und Frank Schnadthorst berichteten, dass sie zu Beginn ihrer Amtszeit ein wenig erschreckt gewesen seien „über gewisse Respektlosigkeiten im Rat“ (Schmolzi), das habe sich aber im Laufe der Legislaturperiode gelegt: „Wir haben wichtige Entscheidungen meist einvernehmlich getroffen“, lobte Schnadthorst.

Ist in der Zeit des „warmen“ Gewerbesteuerregens alles richtig gemacht worden, wollte die NZ-Moderatorin vom einzigen in der Runde wissen, der bisher noch nicht im Stadtrat sitzt. Richard Brunk bestätigte, dass „kein Geld aus dem Fenster“ geworfen worden sei. „Es hat mir gut gefallen, dass erst mal Schulden getilgt wurden.“ Michael Schmolzi hob hervor, dass das viele Geld auch Nachteile gebracht habe: „Wir bekommen nichts mehr aus dem Entschuldungsfonds des Landes und auch kaum noch Fördermittel.“

Die Zeit der „Traumschlösser“ – als Beispiel nannte er den Brunnen am Christuskirchplatz – sei damit endgültig vorbei: „Wir sind gezwungen, noch mehr zu priorisieren.“ Es sei „der falsche Zeitpunkt für kurzfristigen Reichtum gewesen“, konstatierte auch Frederik Grüneberg, der vor allem die Kommunikation in jener Zeit kritisierte. „Wir hätten den Bürgern viel deutlicher machen müssen, dass nur ein Drittel des Geldes tatsächlich in der Stadt verbleibt. Und wir hätten keine falschen Erwartungen wecken dürfen.“

Vieles wird schlechtgeredet

Wie wird es weitergehen im Stadtrat, wenn im Sommer möglicherweise bis zu neun Fraktionen einziehen, wollte Vera Müller wissen. „Das wird auf jeden Fall spannend“, antwortete der Dienstälteste der Runde, Stefan Worst, der seit 15 Jahren im Rat sitzt, früher für die SPD, nun für eine eigene Liste. „Wie verhalten wir uns, wenn ein guter Vorschlag aus den Reihen jener kommt, mit denen keiner zusammenarbeiten möchte?“ Das mache ihr „ein wenig Angst“, bekannte Monja Roepke von den Grünen. Sie hoffe, „dass die meisten hier am Tisch den Einzug in das neue Gremium schaffen“ – die Zusammenarbeit in den vergangenen fünf Jahren befindet auch sie als gut.

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Michael Schmolzi (LUB) und NZ-Redakteurin Vera Müller: Im Wahl-Café wurde intensiv und sehr fair diskutiert.
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Vera Müller sprach auch die schlechte Stimmung in der Stadt an, dass vor allem in den sozialen Netzwerken vieles schlecht geredet werde. Das sieht auch Frank Schnadthorst so, der seine Kollegen (und eigentlich alle Idar-Obersteiner) aufrief, stattdessen die positiven Dinge herauszustellen: Man habe in den vergangenen Jahren doch so viel erreicht. Der neue Stadtpark, erwachsen aus einer Idee Jugendlicher, sei dafür das beste Beispiel: „Wir haben ein tolles Vereinsleben, eine sehr gute Gastronomie – wir müssen das alles nur besser vermarkten.“

Monja Roepke warf das „hervorragende Kulturprogramm“ in diese Waagschale. Michael Schmolzi sieht ein Problem in der immer noch vorhanden Rivalität einzelner Stadtteile untereinander. Brunk forderte, noch mehr Plätze zu schaffen, wo sich Jugendliche treffen könnten. Dann sei auch das vor allem von der CDU ausgegebene Wahlkampfthema „Sicherheit, Sauberkeit, Ordnung“ (SOS) in den Griff zu kriegen. Die drei Dinge bedeuteten Lebensqualität, argumentierte Grüneberg.

Was wünschen sich die Kandidaten?

Schließlich fragte Vera Müller jeden Kandidaten nach seinen persönlichen Zielen für die nächsten fünf Jahre in der Kommunalpolitik. Monja Roepke nannte die Einrichtung von Behindertenbeiräten auf Stadt- und Kreisebene, ein Mobilitätskonzept und bezahlbaren Wohnraum. Stefan Worst möchte die Schulen weiter stärken und einen funktionierenden ÖPNV.

Michael Schmolzi wünscht sich, dass das Land die Kommunen endlich finanziell auskömmlich ausstattet. Moritz Forster möchte „die Infrastruktur in der Stadt in Ordnung bekommen“. Frederik Grüneberg wünscht sich, dass „wir Räume schaffen, in denen die Menschen aufeinander zugehen können“. Zudem gelte es, das Ehrenamt und die Feuerwehr zu stärken.

Richard Brunk wünscht sich, dass das Kulturangebot besser beworben und die Verwaltung modernisiert wird. Frank Schnadthorst erhofft sich mehr Bürgerbeteiligung und dass die Fraktionen im neuen Stadtrat weiterhin respektvoll miteinander umgehen.

Am Ende einer ebenso munteren wie fairen Diskussionsrunde rief Vera Müller dazu auf, am 9. Juni wählen zu gehen. Denn: „2024 ist ein Jahr, in dem die Demokratie auf dem Prüfstand steht“, wie Lebenshilfe-Geschäftsführerin Martina Becker zu Beginn gesagt hatte. Müller dankte dem Team von Nahe-TV um Lukas Herzog für den Einsatz unter beengten Verhältnissen.

  • Die von Nahe-TV aufgezeichnete Diskussion kann man sich im Internet unter dem Link https://is.gd/O7EOIf ansehen.

Von Stefan Conradt

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