Gebühren nicht erhoben
Müssen Birkenfelder für Straßenreinigung nachzahlen?
Die Stadt Birkenfeld hat mit der Anschaffung einer Kehrmaschine im Jahr 2021 die Straßenreinigung übernommen. Doch aktuell zahlt die Stadt die Kosten, ohne Einnahmen zu generieren.
Frank Leonhardt. picture alliance / dpa

Die Stadt Birkenfeld kann aufgrund einer fehlenden Satzung die Straßenreinigung seit fast vier Jahren den Bürgern nicht in Rechnung stellen. Einnahmen, die in der Kasse fehlen. So könnte der Stadt auch langfristig ein Schaden entstanden sein.

Seit dem Jahr 2021 wird die Reinigung der städtischen Straßen in Birkenfeld durch den städtischen Bauhof durchgeführt – doch die anfallenden Straßenreinigungsgebühren hat die Stadt Birkenfeld von ihren Bürgern bisher nicht erhoben. Und das bei klammen Stadtkassen. Das Problem: Es fehlt in der aktuellen Satzung, die noch aus der Zeit vor dieser Umstellung stammt, eine neue Gebührenkalkulation.

Kehrmaschine arbeitet bisher kostenlos

Im Oktober 2020 hatte der Stadtrat die Anschaffung einer Kehrmaschine für den städtischen Bauhof zugestimmt. Eine Reaktion darauf, dass sich bei der regelmäßigen Ausschreibung der Arbeiten immer weniger Firmen meldeten und gleichzeitig die Kosten gestiegen waren. Seit Mitte 2021 ist die Kehrmaschine nun im Einsatz. Statt einer Fremdfirma ist also seitdem die Stadt für die Reinigung der Straßen verantwortlich. Gleichzeitig wurde die Reinigung auf alle Straßen in Birkenfeld ausgeweitet.

Die Idee: Der Kauf und die Instandhaltung der Kehrmaschine finanziere sich über Straßenreinigungsgebühren selbst, so stellte es sich der ehemalige Stadtbürgermeister Miroslaw Kowalski 2020 vor. Das Problem: Die Gebührenzahlung musste auch auf alle Grundstückseigner an Birkenfelder Straßen ausgeweitet werden, es braucht somit eine neue Gebührenkalkulation, die bis heute nicht finalisiert ist. Somit konnte die Stadt Birkenfeld seit der Übernahme der Straßenreinigung keine Gebühren mehr erheben.

Deswegen hat die Fraktion der Freien Wähler in der vergangenen Stadtratssitzung einen Antrag an den Stadtbürgermeister Hans-Peter Lampel gerichtet, der solle die für die Erstellung der Gebührenkalkulation verantwortliche Verwaltung der Verbandsgemeinde Birkenfeld auffordern, dem Stadtrat schnellstens einen Entwurf für eine neue Straßenreinigungssatzung zur Beratung vorzulegen. „Trotz mehrfacher mündlicher Nachfragen von Stadtratsmitgliedern in den Ausschuss- und Ratssitzungen der vergangenen Jahre hat die Verwaltung bis zum heutigen Tage, also nach mehr als drei Jahren, dem Stadtrat keinen Entwurf vorgelegt“, merken die Freien Wähler im Antrag kritisch an.

Verwaltungsfehler? Warum die Stadt keine Gebühren erheben konnte

Doch was ist der Grund für die jahrelange Verzögerung? Eine bloße Erweiterung der bestehenden Satzung sei nicht möglich gewesen, teilt die VG-Verwaltung mit. Stattdessen sei es notwendig gewesen, zwei neue Satzungen zu erarbeiten. „Dies erforderte umfangreiche Vorarbeiten. Während zuvor 31 Straßen im Stadtgebiet gereinigt wurden, war nun eine Ausweitung auf sämtliche Straßen der Stadt vorgesehen“, fügt die Verbandsgemeindeverwaltung hinzu. Dabei handele es sich der VG-Verwaltung zufolge um 120 Straßen im Stadtgebiet. „Dies machte es erforderlich, jede Parzelle einschließlich der Gehwege aller Straßen vorab öffentlich zu widmen.“ Dieser aufwendige Prozess habe zu erheblichen Verzögerungen geführt. „Mit der bisherigen Dauer des Vorgangs sind wir auch grundsätzlich nicht zufrieden“, gibt die VG-Verwaltung zu. Voraussichtlich könnten von der Stadt allerdings spätestens in der zweiten Jahreshälfte zwei „rechtssichere Satzungen“ beschlossen werden.

Bei der Erstellung der Satzung setzt die VG-Verwaltung jetzt auf externe Expertise. Ralf Bitterwolf vom Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz soll bei der Satzungserstellung beraten. „Die Erhebung von Gebühren, insbesondere im Bereich der Straßenreinigung, ist eine komplexe rechtliche Materie und unterliegt regelmäßig gerichtlicher Überprüfung. Um eine rechtssichere Grundlage zu gewährleisten, wurde daher Herr Bitterwolf vom Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz konsultiert“, teilt die VG-Verwaltung mit. Aufgrund der Mitgliedschaft der Verbandsgemeinde und der Stadt im Gemeinde- und Städtebund erfolge diese Beratung kostenfrei. Mit der Gebührenkalkulation hat die VG-Verwaltung zusätzlich einen externen Dienstleister beauftragt. „Die Gebührenkalkulation für die Straßenreinigung ist ein anspruchsvolles Fachgebiet, mit dem in der Verwaltung bislang keine eigenen Erfahrungen vorliegen“, begründet die Verwaltung diese Entscheidung.

Für welchen Zeitraum müssen Bürger nachzahlen?

Zwei Maßnahmen, die die Freien Wähler im Stadtrat für überflüssig halten. „Die Verwaltung muss solche Aufgaben mit eigenem Personal wahrnehmen können“, heißt es in deren Antrag. Durch die entgangenen Einnahmen aus der Straßenreinigung sei der Stadt bereits ein „erheblicher Schaden“ entstanden. Es bestehe aus Sicht der Freien Wähler dringender Handlungsbedarf und nach „mehr als drei Jahren“ keine Zeit für weitere Verzögerungen. „Im Hinblick auf den städtischen Haushalt ist eine Verbesserung der Einnahmeseite dringend geboten, deshalb sind Einnahmeausfälle in dieser Höhe unbedingt zu vermeiden.“

Doch welcher Schaden ist der Stadt entstanden? Die Freien Wähler berechnen den Einnahmeausfall auf 90.000 Euro pro Jahr, die VG-Verwaltung geht unter Heranziehung der Straßenreinigungsgebühren aus dem Jahr 2021, wo diese zuletzt erhoben worden sind, von rund 41.000 Euro pro Jahr aus. Geld, das der Stadt, die für 2025 eine Finanzierungslücke von 1,8 Millionen Euro in ihrem Haushalt einplant, fehlt.

Für wie viele der verpassten Jahre die Straßenreinigungsbeiträge, nach dem Aufstellen einer neuen Satzung, von den Birkenfelder Bürgern nachgefordert werden können, ist derzeit unklar. „Eine Nachforderung ist grundsätzlich möglich. Der konkrete Zeitraum, für den eine rückwirkende Erhebung rechtlich zulässig ist, wird derzeit durch Herrn Bitterwolf geprüft“, teilt die VG-Verwaltung mit.

„Wir werden eine Dienstaufsichtsbeschwerde einreichen“, kündigen die Freien Wähler an. Zusätzlich will die Stadtratsfraktion rechtlich prüfen lassen, inwiefern ein potenzieller Schaden, der bei nicht möglichen Nachforderungen entstehen würde, durch die Stadt von der Verbandsgemeinde eingefordert werden könnte. „Alle Gebühren, die nicht im Nachhinein erhoben werden können, werden wir von der VG einfordern“, sagt Wolfgang Thomas, Fraktionsmitglied der Freien Wähler.

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