Das ganze Dorf feiert aus diesem Anlass rund um das Gotteshaus ein zweitägiges Fest, alle örtlichen Vereine und Gruppen sowie die Ortsgemeinde sind beteiligt.
Rückblick: Schon vor knapp fünf Jahren ist im Presbyterium überlegt worden, wie die alten Glocken gerettet werden können. Auch das Dachgebälk war längst marode geworden, die Balken im Glockenstuhl waren morsch, teilweise angefault. Bei der Restauration des Stuhls entdeckte Architekt Alwin Bertram, ein Spezialist für Kirchenrenovierung und die Erneuerung historischer Bausubstanz, dass in der Kirche eigentlich Platz für drei Glocken ist. Schon während seines Studiums hatte Bertram das Wickenrodter Gotteshaus aufgemessen, und weil sein Herz an der Kirche hängt, hat er spontan beschlossen, der Kirchengemeinde eine Glocke zu spenden. Es dauerte nicht lang, da meldete sich auch die Ortsgemeinde zu Wort. Sie wollte und wird die vierte Glocke beisteuern.
Rund 5000 Euro kostet eine Glocke, allein der Guss macht schon etwa 1500 Euro aus, erklärt Pfarrer Lothar Hübner. Das ganze Dorf wird auf den Beinen sein, um das Glockenfest am Samstag, 30. September, und Sonntag, 1. Oktober, zu besuchen. Wenn die Glocken nur wenige Meter neben der Kirche gegossen werden, so wie es zur Zeit von Martin Luther üblich war, sollen in den Inschriften neben den Jahreslosungen auch der Hinweis auf 500 Jahre Reformation enthalten sein. Unter anderem werden die fünf Mottos, die Reformatoren des 16. Jahrhunderts als Reaktion auf die Behauptung der römisch-katholischen Kirche, die einzig wahre apostolische Kirche zu sein, zusammengefasst haben – Sola Fide (allein der Glaube), Sola Scriptura (allein die Schrift), Solus Christus (allein Christus), Sola Gratia (allein die Gnade) und Soli Deo Gloria (Gott allein gehört die Ehre) aufgetragen – wie auch eine Lutherrose, verrät Pfarrer Hübner. Vor allen Dingen sei der Glockenguss aber auch eine Botschaft an die Bevölkerung. „Wir stehen zu unserer Kirche. Wir machen unsere Kirche nicht zu – auch wenn es Stimmen gibt, die sagen, dass sich dies nicht mehr lohne“, betont Hübner kämpferisch.
Die Vorbereitungen auf dem Festgelände laufen bereits. Ein Bagger wird eine Grube ausheben, ein Ofen wird aufgestellt, ein Zelt dient als Überdachung. Die Glocken sollen am Sonntag gegen 13 Uhr gegossen werden. Dieser Vorgang dauert allerdings nicht lange. Zuvor wird ein innen hohler Glockenkern gemauert und mit Lehm bestrichen. Die Lehmschicht muss dann austrocknen. Anschließend bringt man ein Trennmittel auf (Talg, Fett oder Grafit). Und auf diese Schicht kommt wiederum Lehm, der genau die Form der späteren Glocke hat. Diese Schicht wird falsche Glocke genannt. Nachdem sie getrocknet ist, werden auf ihr die Verzierungen und Schriften aus Wachs aufgebracht. Es folgen weitere Schichten Lehm. Die äußere Form heißt Mantel. Ist sie fertig, wird sie mit einem Feuer im hohlen Kern im Ganzen ausgebrannt. Anschließend wird der Mantel abgehoben, die falsche Glocke zerschlagen und danach der Mantel wieder aufgesetzt. Über Rinnen wird die auf 1100 Grad erhitzte Glockenspeise (meist eine Zinnbronze aus 76 bis 80 Prozent Kupfer und 20 bis 24 Prozent Zinn) durch das Gussloch in die Form geleitet. Nach der Abkühlzeit wird die Glocke aus der Form geholt.
Dies soll am Sonntag gegen 13 Uhr geschehen. „So genau sagen kann man das nicht“, sagt Glockengießer Hermann Schmitt aus Brockscheid in der Eifel. Zu guter Letzt wird die Glocke aufgestellt und angeschlagen. Erst dann ist sicher, ob der Guss geglückt ist. Wenn das so ist, hat sich die Glockengießerei Schmitt für die nächsten 300 Jahre ein Denkmal gesetzt – so lange hält eine Glocke im Schnitt. Beim Anschlagen der Glocken mit einem Hammer darf sich jedermann beteiligen. Doch damit ist das Prozedere noch nicht beendet. „Am Reformationstag, Dienstag, 31. Oktober, sollen die neuen Glocken in einem Festgottesdienst feierlich eingeweiht werden“, erklärt Pfarrer Hübner.
Wer am Sonntag Aschenbraten essen möchte, kann sich bei Michael Adam, Tel. 06785/117.441, oder bei Andreas Halberstadt, Tel. 06785/943.488, anmelden.