NZ-Serie: 1000 Jahre Kirchenbau im Kreis Birkenfeld - Teil 7: Moderne
Letzter Teil der Serie unserer Zeitung: Kirchbau der Moderne – Ein Spiel mit Form und Material
Die Kirche St. Walburga in Oberstein wurde von 1966 bis 1968 erbaut. Mit ihrem originellen Faltdach, den Backsteinwänden und dem besonderen Lichteinfall repräsentiert sie den Kirchenbau der Moderne im Kreis Birkenfeld. Neben St. Walburga entstanden noch weitere innovative Kirchen in der Stadt Idar-Oberstein. Fotos: Erik Zimmermann
Erika Zimmermann

Die Sakralarchitektur seit dem Ersten Weltkrieg (1914–1918) wird als „Kirchenbau der Moderne“ bezeichnet. Mit den gesellschaftlichen Umwälzungen zu Beginn der Weimarer Republik setzte der Kirchenbau neuere Tendenzen aus Architektur und Theologie um. In den Städten betonten evangelische Kirchen und Gemeindehäuser den Zusammenhang von Gemeinde, Diakonie und Bildung.

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In der katholischen Kirche rückten die Geistlichen in den 1920er-Jahren näher zum Kirchenvolk, was eine völlige Neukonzeption des Altarraumes nötig machte. Der zu dieser Zeit vorherrschende expressionistische Baustil wurde auch auf den Kirchenbau übertragen.

Die Wirtschaftskrise zwischen den Kriegen ließ im Hunsrück und an der Nahe keine großen Kirchenbauten zu. Der Expressionismus fand seinen Niederschlag in den Wandbildern der 2021 geschlossenen Kirche in Heimbach (1924–1926). Häufig ging die neue Zeit sehr subjektiv mit dem baugeschichtlichen Erbe um: Bei der Renovierung der Obersteiner Felsenkirche (1927–1929) durch den Architekten Wilhelm Heilig wurden viele bauhistorische Details zerstört. Wenig später unterbrach der Nationalsozialismus die kreative Phase in der Sakralarchitektur.

Die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg waren infolge der Kriegs-zerstörungen und der Flüchtlingsströme durch einen regen Kirchenbau geprägt. Um den Mangel an Gottesdienststätten zu lindern, konnten evangelische Gemeinden versetzbare Wanderkirchen bei der Landeskirche mieten. Seit 1967 dient eine solche Zeltkirche in Hoppstädten der Gemeinde als Versammlungsraum.

Als Idar-Oberstein 1956 wieder Garnisonsstadt wurde und die Bevölkerung durch den Zuzug von Soldatenfamilien anwuchs, entstanden gleich fünf moderne Stadtkirchen. Da nun im Kirchenbau verbindlichen Vorgaben für Grundriss und Materialien eines Gotteshauses fehlten, hatten die Architekten weitgehend freie Hand. Einige bevorzugten auffallende Bauten aus Sichtbeton, oft mit gewagten Dachformen. Ein Beispiel für den modernen Kirchenbau ist die katholische Kirche St. Walburga (1966–1968) in Oberstein. Das Backsteingebäude bildet den architektonischen Gegenpol zur gegenüberliegenden Felsenkirche. Beeindruckend ist das raumbeherrschende Faltdach der Kirche. Durch ihren schlichten Innenraum, den besonderen Lichteinfall und die vielen freien Backsteinwände eignet sich St. Walburga auch sehr gut für Kunstausstellungen.

Gegen Mitte der 1960er-Jahre wuchs in der Sakralarchitektur das theologische Verständnis von Kirche als „Kirche für andere“ (nach Dietrich Bonhoeffer). Kirchenbauten wurden als funktionale Gemeindezentren entworfen, die Räumlichkeiten für die verschiedenen Funktionen der Gemeinde in einem Baukomplex zusammenfassten. Der Gottesdienstraum war nur noch einer unter anderen. Der Baustil orientierte sich an der Profanarchitektur. In Brücken entstand so 1967 eine neue Kirche mit Gemeindehaus und Pfarrhaus; 1983/84 fand eine Erweiterung des Gemeindezentrums statt.

Dank des deutschen Wirtschaftswunders konnten in der Nachkriegszeit viele kleine Dorfkirchen renoviert werden. Der Ingolstädter Restaurator Willibald Diernhöfer (1904–1989) legte nicht nur die mittelalterlichen Fresken in der Hottenbacher Kirche frei, sondern machte sich auch um den Hunsrücker Bauerbarock verdient.

Am Anfang stand die Rettung der Malereien in der Stipshausener Kirche (1956/57), die im 19. Jahrhundert mit brauner Ölfarbe übermalt worden waren. Das Presbytergestühl lag schon vor der Kirche und sollte als Brennholz versteigert werden. Kunsthistoriker aus ganz Deutschland kamen nach Stipshausen, um von Diernhöfer zu lernen, der auch in anderen Bauernbarock-Kirchen tätig wurde. Daneben ist der Trierer Baurat Otto Vogel (1898–1994) zu nennen, der zahlreiche Kirchensanierungen im Kreis Birkenfeld begleitete: Niederbrombach (1963/64), Georg-Weierbach (1963/1965) und Weierbach (1971/1976).

Zu den Charakteristika des modernen Kirchenbaus gehört das Spiel mit neuen Formen und Materialien wie buntverglaste Kirchenfenster. Bedeutende Glasfenster stammen von Jakob Schwarzkopf (Achtelsbach/1970) sowie Diether F. Domes in der evangelischen Kirche Baumholder (1985/86) und St. Barbara in Oberstein (1991/92).

Daneben gibt es Arbeiten auf Grundlage des in der Region traditionell verarbeiteten Achats: In Siesbach wurde das Kirchenfenster hinter der Kanzel mit 600 Achatscheiben beklebt, wobei vier Felder biblische Szenen darstellen. 2014 schufen die international bekannten Edelsteinkünstler Bernd und Tom Munsteiner für die evangelische Kirche in Stipshausen die weltweit einzigen, komplett aus Achat bestehenden Kirchenfenster. Für die beiden drei Meter hohen Fenster wurden rund 8000 Achatplättchen mit einer Dicke von 1,5 Millimeter geschnitten, sodass der Stein transparent wurde.

Seit Beginn des 21. Jahrhunderts wurden in Deutschland nur noch wenige Kirchen errichtet. Neubauten gibt es nur dort, wo Kirchengemeinden durch Zuzug wachsen oder Kirchen der 1960er- und 70er-Jahre wegen Baumängeln ersetzt werden müssen. Da die Zahl der Gemeindeglieder und der Geistlichen sinkt, ist die Zukunft vieler Kirchen offen. Eine Lösung besteht darin, Gemeindesäle in historische Kirchen zu integrieren: In der evangelischen Kirche Baumholder entstanden zusätzlich zum Kirchenraum zwei Gemeindesäle; alle drei Räume können durch Glasfaltwände voneinander getrennt werden. Das Projekt wurde 2012 mit dem Architekturpreis der Evangelischen Kirche im Rheinland ausgezeichnet. In der Berschweiler Kirche geht man zurzeit mit dem Einbau einer mobilen Trennwand einen ähnlichen Weg (die NZ berichtete).

Mit dem fortschreitenden Säkularisierungsprozess werden die Herausforderungen für den Kirchenbau, der über ein Jahrtausend die Kultur im Birkenfelder Land prägte, weiter wachsen.

Von Erik Zimmermann

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