Kreis Birkenfeld
Landtagskandidaten in der digitalen Welt: Internet und Co. nicht jedermanns Sache

Kreis Birkenfeld. So unterschiedlich hoch ihr Bekanntheitsgrad ist, so verschieden sind auch ihre Aktivitäten in puncto Neue Medien: Facebook, Twitter, Flickr und Co. sind nicht die Sache aller Landtagskandidaten im Kreis Birkenfeld. Manch einer kommt auf diesem Terrain traumwandlerisch sicher daher, bei anderen sieht das eher wacklig aus.

www.thomas-petry.infoVon unserem Redakteur Andreas Nitsch

Nehmen wir Hans Jürgen Noss. Der sozialdemokratische Landtagsabgeordnete (seit 2003) besticht durch eine übersichtliche, aber dennoch detaillierte Internetseite, die hinsichtlich seines beruflichen und politischen Werdegangs keinerlei Fragen offenlässt. „1967-1970 Lehre als Groß- und Außenhandelskaufmann“ ist dort ebenso erwähnt wie „1979-1987 und seit 2014 Stadtrat Birkenfeld“ sowie „Mitglied in der Kommission beim Landesbeauftragten für den Datenschutz“. Ein umfangreiches Pressearchiv steht zur Verfügung, und alle Reden, die Noss im Landtag gehalten hat, können nachgelesen werden. Schmankerl am Rande: In seinem ersten Auftritt im Plenum am 4. Juni 2003 warf er CDU-Vertreter Michael Hörter „Rosstäuscherei und bloße Effekthascherei“ vor.

Hans Jürgen Noss lässt Privatleben weitgehend außen vor

Sein Privatleben lässt Noss allerdings weitgehend außen vor. Geburtsdatum und -ort (20. November 1952 in Saarlouis) sowie Konfession (römisch-katholisch) gibt er noch preis, doch außer seinen Hobbys (Lesen, Sport, vor allem Fußball) verrät der SPD-Mann dann aber nichts mehr über sich.

Umso überraschender findet sich unter dem Reiter „Wahlkreis“ die Rubrik „Mundart“. Dort berichtet Noss, dass es in seinem Wahlkreis üblich ist, „Platt“ zu sprechen. „Wer mal einen Abend bei Hunsrücker Platt verbringen will, dem sei der Besuch eines Konzerts von Martin Weller ans Herz gelegt“, rät Noss. Sympathisch auch: In der Rubrik darunter finden sich die Rezepte für Birkenfelder Grombierwurschd und Idar-Obersteiner Spießbraten. Ein besonderer Service ist, dass alle Texte in verschiedene Sprachen übersetzt werden können – sogar in Jiddisch, Chichewa und Malabarisch.

Fotos – fast ausschließlich sein politisches Engagement betreffend – zeigt er bei Flickr und Facebook, wo Noss ebenfalls aktiv ist. Wie viele Facebook-Freunde Noss hat, verrät er nicht. Diese Funktion hat er ausgeblendet. Seit 2009 nutzt Noss zudem den Kurznachrichtendienst Twitter. 392 Follower hat er, Noss selbst folgt 180 Zwitscherern.

Einen Schuss frischer kommt CDU-Kandidat Damian Hötger daher, „Der starke Schwarze mit dem hellen Kopf“, wie seine Internetseite überschrieben ist. Auf der Startseite hält Landesvorsitzende Julia Klöckner ein Plädoyer für den Anwalt aus Idar-Oberstein, zudem fallen Verweise auf die Bundes-CDU und MdB Antje Lezius ins Auge. Hötger stellt nicht sich selbst in den Mittelpunkt, er sieht sich vielmehr als Mosaikstein des Ganzen – der CDU eben.

Auch Hötger verrät nicht viel über sein Privatleben. „Geboren am 11. Mai 1981 in Neuwied, aufgewachsen in Idar-Oberstein, römisch-katholisch“ – dies nennt Hötger vor seinem beruflichen und politischen Werdegang, bevor er am Schluss zumindest einige seiner Hobbys aufzählt: „Wandern, Lesen, mit Freunden etwas unternehmen.“

Unter dem Menüpunkt „Zukunft gemeinsam gestalten“ geht Hötger kurz und knapp auf seine Ziele ein. „Bessere Infrastruktur“, „Den ländlichen Raum stärken“ und „Bildung ist der Rohstoff Nummer eins im 21. Jahrhundert“ ist dort unter anderem zu lesen. Ganz unten auf Hötgers Seite finden sich Verlinkungen zu den Internetauftritten der Verbandsgemeinden im Kreis und der Stadt Idar-Oberstein, ein Verweis auf seine Anwaltskanzlei und die Aufforderung „Finde mich bei Facebook“ – und das war's auch schon.

Bei Facebook kommt Hötger dann etwas mehr aus sich heraus, verrät auch viel über Privates. Kein Wunder: 1541 „Freunde“ wollen informiert sein. Es gibt Fotos en masse, und der CDU-Kandidat tut kund, dass er unter anderem die Musik von Cat Stevens, Chris de Burgh und den Killers mag. Außerdem haben es ihm die Filme „Herr der Ringe“, „Heimat“ und „Harry Potter“ angetan. Im TV favorisiert Hötger unter anderem die „Tagesschau“, aber auch „Stromberg“. Und wer wissen will, welche Veranstaltungen der 34-Jährige besuchen wird, ist bei Facebook ebenfalls richtig.

Dürftig hingegen – nimmt man Noss und Hötger zum Maßstab – tritt FDP-Mann Matthias Keidel auf. Dem neuen farblichen Auftritt der Liberalen, die ihr Spektrum von Blau und Gelb um Magenta erweitert haben, ist auch Keidels Präsenz angepasst. Enttäuschend sind die vier Menüpunkte auf Keidels Startseite. Zunächst lässt sich ein FDP-Aufnahmeantrag öffnen. Wenigstens das funktioniert. Unter „Termine“ sind jedoch keinerlei Veranstaltungen abgelegt, stattdessen wird auf zwei bereits abgehakte Treffen mit dem Bundesvorsitzenden Christian Lindner am 2. Februar und Marie-Agnes Strack-Zimmermann am 15. Februar verwiesen. Ein „Kontakt“ zu Keidel lässt sich nur über den Umweg Kopfleiste realisieren, das „Wahlprogramm“ bleibt trotz mehrmaligen Anklickens verborgen. Viel mehr gibt die Seite nicht her. Ach ja, und dann ist in der Kopfleiste noch der Reiter „Aktuelles“ verzeichnet – mit drei dürftigen Meldungen, die letzte datiert vom 3. Februar.

Ein möglicher Grund für dieses Manko ist schnell gefunden: Der 22-Jährige aus Kirschweiler hängt sich bei Facebook voll rein: 1291 Personen gefällt seine Seite im sozialen Netzwerk darunter auch Angehörige anderer Parteien. Keidel stellt dort Fotos ins Netz – ob von der Kundgebung mit Christian Lindner in Landau (6. März) oder vom Infostand in Oberstein (5. März) -, aber auch Videosequenzen und Radiomitschnitte. Unübertroffen ist bislang die sogenannte Schnuller-Affäre. Unbekannte hatten Keidel-Plakate mit Saugern für Babys verschönert – der Liberale nahm's gelassen, kommentierte das Skandälchen geschickt und erhielt bundesweit Aufmerksamkeit. Klasse!

Matthias Keidel kann die Zahl seiner Follower noch steigern

Die Zahl seiner Follower (47), die er bei Twitter bislang um sich geschart hat, kann Keidel sicherlich noch steigern, seine Tweets, die er regelmäßig absetzt, sind pfiffig. Beispiel gefällig? „Nach dem tvduell: Wer ist für mich die bessere Ministerpräsidentin? Ganz klar: Volker@Wissing ;) SchauenWirNachVorn“ – oder auch mutig: „Halte einzelne Bewohner-Gruppen in Straßenabschnitten Wildbad Kreuths inzwischen für nicht integrierbare Parallelgesellschaften. CSU.“

Mit ganz vorn bei den Internetseiten liegt zweifelsfrei Thomas Petry (Grüne). Abwechslungsreich, übersichtlich, brandaktuell und höchst informativ – so kann man www.thomas-petry.info auf den Punkt bringen. Als bisher einziger der Kandidaten bekennt sich der Architekt in seinem Lebenslauf nicht nur zu seinem Geburtsdatum (25. März 1964) und zu seinem Geburtsort (Idar-Oberstein), sondern auch zu seinem Nachwuchs (zwei Kinder). Dafür lässt er die Konfession weg. Petry erläutert unter dem Menüpunkt „Vor Ort“ ausführlich seine Vorstellungen zu Themen wie Nationalpark und Modellprozess „Mitmachen“, aber auch zu Punkten wie „Frauenhaus“ und „Kino“.

Gleichzeitig verrät der Kandidat, was ihm im Land wichtig ist: unter anderem Integration, Klimaschutz und Energiewende. In seiner „Galerie“ sind nicht etwa Fotos abgelegt, sondern zehn Wahlplakate, auf denen nicht nur die Grünenspitzenkandidaten abgebildet sind, sondern auch Ziele und Ideen genannt werden. Sympathisch auch: Petry weist auf die Möglichkeit der Briefwahl hin und erklärt, wie sie funktioniert. Links zu Bundesverband, Bundestagsfraktion, Grüner Jugend und Böll-Stiftung runden den Abwechslungsreichtum auf Petrys Seite ab, ein Hinweis auf die nächsten Termine (11. März, 5.45 Uhr, Bahnhof Oberstein: Frühverteilung – bereits vergangene Veranstaltungen kann man ebenfalls nachlesen) fallen ebenfalls direkt ins Auge. Und wer will, kann das Wahlprogramm nachlesen. Zum Schmunzeln hält Petry auch etwas parat: das Bild vom Steinbeißer. „An diesem Stein beißt Julia Klöckner sich die Zähne aus“ steht auf einem Poster, dass den Grundstein des Nationalparks, einen Findling am Erbeskopf, zeigt.

Ähnlich aufgebaut ist Petrys Facebook-Seite (1571 „Freunde“), die neben zahlreichen Fotos zu seinem politischen Engagement und aktuellen Posts etwa zum Weltfrauentag auch Humorvolles zu bieten hat. Das 15-Sekunden-Video von dem Schlumpf („Ich fühle mich krank. Ich glaube, ich hab' Montag“) ruft beim Besucher ein Schmunzeln hervor. Unter der Rubrik „Sport“ verrät Petry, dass sein Herz dem 1. FC Kaiserslautern gehört, aber auch den Leichtathleten des TSV Schott Mainz. Zudem gefällt ihm die Musik von Uriah Heep, der Germein Sisters und des Romeo-Franz-Ensembles.

Apropos „Gefällt mir“: Den Daumen-hoch-Button nutzt der Grüne beinahe schon inflationär – bislang 593-mal. Jürgen Trittin, zahlreiche THW-Ortsverbände und das Kammerwoog-Freibad wurden von mit dem Daumen bedacht, aber auch die Unterhaltungsseite „Snickers für Linkshänder“, der Zentralverband deutscher Schornsteinfeger und das Feinkostgeschäft Die Wildkammer in Bad Sobernheim.

Seit 2010 ist Thomas Petry zudem bei Twitter vertreten. Er hat 236 Verfolger und folgt selbst 234 Twitterern. Seine Tweets sind stets sachlich – das zeigen: „Der Nationalpark ist eine sehr gute Chance für unsere Region und gleicht einem Rohdiamanten, der zu einem Brillanten geschliffen wird“ oder „Regionale Entwicklung ist für unseren ländlichen Raum besonders wichtig! Dabei unsere Stärken stärken und Schwächen schwächer machen.“

Wer etwas über Manuela Holz erfahren möchte, ist unter www.linke-kv-birkenfeld.de gut aufgehoben. Auf der Seite des Linkenkreisverbandes wird die Kinderkrankenschwester und Altenpflegerin kurz vorgestellt. Sie verzichtet zwar auf Angaben zu Alter, Familie und Hobbys, im Gegenzug gibt sie aber ihre Handynummer bekannt. Eingebettet zwischen einem Hinweis zur kostenlosen Fluglärm-Beschwerdehotline der Deutschen Luftwaffe und der Forderung „Hartz IV muss weg“ erzählt Manuela Holz etwas mehr von sich. Sie hat ein abgeschlossenes Studium im Bereich Pflegebegutachtung/-management, engagiert sich bei der Gewerkschaft Verdi und kämpft für die Abschaffung von Hartz IV. Ebenso betätigt sie sich als ehrenamtliche Helferin im Mehrgenerationenhaus Idar-Oberstein, wo sie auch einen Sprachkurs für Flüchtlinge leitet.

Es folgen Angaben zum Wahlprogramm. Ziele sind unter anderem „Gute Arbeit und fairer Lohn für alle, eine gute Verkehrsanbindung, eine gute Versorgung mit allen Dingen und Dienstleistungen des täglichen Lebens.“ Zudem ist sie „für den Ausbau erneuerbarer Energien mit Herz und Verstand unter Beteiligung der Bürger und der Naturschutzverbände. Zur Verspargelung unserer Heimat gibt es Alternativen!“ Zudem setzt sie sich „für die Verringerung der Abhängigkeit vom Militär zugunsten zukunftsweisender Gewerbeansiedlungen ein“.

Manuela Holz ist beinahe täglich bei Facebook unterwegs

Bei Facebook ist Manuela Holz sehr rege. Zwar findet man herzlich wenige Fotos und persönliche Angaben nur nach einer Freundschaftsanfrage, doch Facebook-Posts gehören für sie zum Alltagsgeschäft. Dienstagmorgen etwa schrieb sie nach einer Sondersendung bei Nahe-TV zum Thema Flüchtlinge: „Nicht nur über Symptome sprechen, sondern über die Ursachen. Es ist Krieg! Schluss mit den Interventionen, Stopp den Waffenlieferungen, Geldströme trockenlegen ... und eine gute Sozialarbeit für potenzielle IS-Anhänger. Im Übrigen kann man eine Ideologie in den Köpfen der IS oder Al-Nusra nicht mit Waffen bekämpfen.“ Bei Twitter ist die Linkenvertreterin nicht präsent.

Der Kandidat der Freien Wähler, Raimund Fey, lächelt dem Internetbesucher auf seiner Internetseite entgegen, in kariertem Hemd und mit Sakko. Recht knapp listet Fey „Persönliches“ (geboren am 12. März 1964 in Wederath, Gemeinde Morbach; verheiratet seit dem 17. Mai 1991; Naturfreund und Befürworter des Nationalparks Hunsrück-Hochwald) auf, zeigt kurz seinen beruflichen Werdegang auf und verweist auf sein „ehrenamtliches Engagement“ (seit 2008 VdK Morbach, seit 2011 Freie Wähler Morbach, seit 2015 Mitglied bei den Freien Wählern Bundesvereinigung und Landesvereinigung Rheinland-Pfalz). Das war es dann aber auch schon. Kein Wort zu Zielen, kein Gedanke zum Wahlprogramm. Facebook oder Twitter? Fehlanzeige.

Noch dünner ist das Erscheinungsbild des AfD-Vertreters Mario Kuhn im Netz. Eine eigene Internetseite sucht man vergebens, und auf der Facebook-Seite des AfD-Kreisverbandes Birkenfeld taucht Kuhn eher sporadisch auf. Twitter nutzt Kuhn nicht.

Und wie präsentiert sich der parteilose Franz Jansen (80) aus Hoppstädten-Weiersbach, der nun schon zum zehnten Mal bei großen Wahlen antritt? Keine eigene Internetseite, kein Facebook, geschweige denn Twitter. Aber immerhin gibt es bei YouTube ein vier Minuten langes Video über den selbst ernannten Friedenskämpfer.

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