Ortsbürgermeister halten nichts von Zusammenlegung der Wahlbezirke
Landeswahlleiter bezieht für Pläne mächtig Prügel – Wahlboykott möglich
Geht es nach den Plänen des Landeswahlleiters, wird bei der Bundestagswahl Ende September in Wickenrodt (hier ein Foto von den jüngsten Kommunalwahlen) kein Wahllokal mehr eingerichtet. Foto: Reiner Drumm (Archiv)
Reiner Drumm

VG Herrstein-Rhaunen. Die geplanten Zusammenlegungen der Wahllokale bei der Bundestagswahl Ende September ruft in den Dörfern der VG Herrstein-Rhaunen Unverständnis, Empörung und Wut hervor. Sogar von Wahlboykott ist die Rede. 33 der 50 Ortsgemeinden sind von den Plänen betroffen. Nur 17 Orte sollen mit ihrem Wahllokal eigenständig bleiben.

Lesezeit 3 Minuten

Horbruchs Ortsbürgermeister Klaus Hepp bringt es auf den Punkt: „Für mich ist diese Art von Verwaltung praktische Diktatur in Reinkultur. Das hat nichts mit Basisdemokratie und kommunaler Selbstverwaltung zu tun. Wer den Bürgern oder den Mandatsträgern so offen misstraut, der soll die Arbeit im Wahllokal dann auch selbst machen.“ Viele seiner Ortsbürgermeisterkollegen pflichten Hepp bei. „Hier wird etwas über unsere Köpfe entschieden, das man so nicht hinnehmen sollte“, betont auch Timo Dönig (Bollenbach). Alfred Reicherts (Langweiler) schließt sich seinen Vorrednern an: „Dies ist ein krasser Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung. Man unterstellt den ehrenamtlichen Helfern der kleinen Gemeinden indirekt Unfähigkeit. Solange das Wahlverfahren künftig nicht durch die Möglichkeiten der Digitalisierung modernisiert wird, gilt: „Never change a running system (Verändere kein funktionierendes System).“

Michael Adam (Wickenrodt) fügt hinzu: „Die angestrebte Zusammenlegung können wir nicht nachvollziehen. Ich möchte den älteren Leuten nicht erklären, sie müssten bei der nächsten Wahl nach Breitenthal fahren, weil ein Landes- wahlleiter eine super Idee hatte.“ Hubert Paal (Berschweiler) denkt ähnlich: „Wir verlieren in der Gemeinde ein Stückchen unserer Identität. Ich hoffe sehr, dass diese bürgerunfreundliche und unsinnige Vorgehensweise noch gestoppt werden kann.“

Nach Meinung von Verena Mächtel (Bundenbach) zeige ein solches Ansinnen auch, „dass das Ehrenamt eigentlich keine Wertschätzung mehr hat und man sich nicht mehr wundern muss, wenn keiner mehr etwas ehrenamtlich tun möchte“. Ob eventuell Gegenmaßnahmen getroffen werden, kann sie aktuell noch nicht sagen, auch nicht ob es gegebenenfalls zu einen Wahlboykott kommen wird. „Ausschließen möchte ich dies aber nicht.“ Ähnlich äußert sich Herbert Friedrich (Hausen): „Ich hoffe, dass der Landeswahlleiter noch mal darüber nachdenkt, ob es nicht zu einem Wahlboykott kommen könnte.“ Regelrecht empört ist Kirsten Beetz (Oberhosenbach). „Seit Jahrzehnten führen wir verantwortungsvoll und unter Wahrung der demokratischen Grundordnung im Ehrenamt Wahlen durch. Und nun wird unterstellt, in den kleinen Wahllokalen ginge es nicht mit rechten Dingen zu. Für meine Begriffe ist das eine unglaubliche Unverschämtheit, das Maß ist nun voll. Wir sollten uns vorbehalten, gegen solche etwaigen Anordnungen den Klageweg zu beschreiten“, teilt sie mit. Letzteres erwägt auch Erich Paulus (Wirschweiler). Er sagt zudem: „Es ist mir völlig egal, was für den Kreiswahlleiter praktikabel ist. Für uns ist es inakzeptabel. Dies ist eine reine Bürokratie ohne Mehrwert.“ Claudia Endres hat für Schwerbach bei der VG-Verwaltung bereits ein Veto eingelegt. „Wie weit sind wir dann davon entfernt, dass die kleinen Gemeinden fremd verwaltet werden?“, fragt sie sich. Ein Gemeinderat wäre ja somit nicht mehr notwendig für eine solch kleine Gemeinde wie Schwerbach. Und mit viel Ironie schiebt sie hinterher: „Ist das schon in der Planung?“

Gerd Böhnke (Krummenau) fragt sich, „warum wir nicht früher informiert wurden? Ganze neun Tage liegen zwischen dem Anschreiben an die Verwaltung und dem Meldetermin an den Kreiswahlleiter. Ist diese Änderung der Bundeswahlordnung an unseren Abgeordneten vorbeigegangen?“ Markus Hey (Griebelschied) glaubt, dass sich die Wahlbeteiligung in den kleineren Orten weiter reduzieren wird. Speziell viele ältere Bürger würden oder könnten nicht auf die Briefwahl zurückgreifen. Zudem hätten sie auch nicht die Möglichkeit, in den Nachbarort zu kommen. „Auch Gösenroth ist gegen diese Anordnung. Welche Maßnahme wir ergreifen, ist noch offen. Einen Wahlboykott wird es aber nicht geben“, sagt Albert Echternacht. Er geht aber davon aus, dass aus Gösenroth wenige oder niemand nach Rhaunen fahren wird. „Und dass sich in diesem Fall aus der Gemeinde jemand als Wahlhelfer meldet, ist eher unwahrscheinlich. Aber leider hat bereits die Zusammenlegung der VG Rhaunen und VG Herrstein gezeigt, dass es wenig auf den Bürgerwillen aus Gösenroth beziehungsweise der kleinen Gemeinden ankommt.“ „Wenn das Vorhaben der Wahlleiter Schule macht, ist nicht abzusehen, wann dann die erforderliche Zahl von Stimmzetteln einfach erhöht wird und noch größere Wahlbezirke konstruiert werden“, prophezeit Alfons Klingels (Oberkirn). Die Pläne des Landes- und Kreiswahlleiters hält er „für eine Unverschämtheit“.

VG-Bürgermeister Uwe Weber steht hinter Hepp und Co. Die Verwaltung sei der gleichen Meinung wie die Ortsbürgermeister, schreibt Weber: „Wir sind hier lediglich ein durchlaufender Posten und haben dies – wie alle anderen VG-Verwaltungen – umzusetzen.“

Von unserem Redakteur Andreas Nitsch

Top-News aus der Region