"Kuladig": Evangelische Kirche als Objekt des Monats vorgestellt
Kulturprojekt Hottenbach macht Fortschritte – Erste Beiträge veröffentlicht
Die Hottenbacher Kirche ist im Rahmen des „Kuladig“-Projekts als Objekt des Monats vorgestellt worden. Pfarrer Erik Zimmermann geht in einem Videobeitrag auf die Geschichte des Gotteshauses ein. Foto: Reiner Drumm
Reiner Drumm

Hottenbach. Die Hottenbacher Kirche ist im Rahmen des „Kuladig“-Projekts der Koblenzer Kulturwissenschaft und des Innenministeriums Rheinland-Pfalz als Objekt des Monats vorgestellt worden. Zusammen mit einem Bericht über das Soldatendenkmal sind dies die ersten digitalen Beiträge im „Kuladig“-Projekt, die auf den Plattformen www.kuladig.de und www.kuladigrlp.net abrufbar sind.

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Für die Mediengestaltung einer Virtual Reality Animation der ehemaligen Synagoge gewährt das Land über die Uni Koblenz-Landau der Gemeinde eine doppelte Anschubfinanzierung in Höhe von 2000 Euro. Diese virtuelle Reise durch den Betsaal der ehemaligen Synagoge soll im kommenden Jahr auf der Plattform verfügbar sein.

Im Rahmen des Landesprogramms „Kuladig-RLP“ ist Hottenbach eine von zwölf weiteren Kommunen in Rheinland-Pfalz, die bei der Digitalisierung des kulturellen Erbes Hilfe von oberster Stelle erhalten. Hottenbach zählt zudem zu den zehn neu aufgenommenen Kommunen, die als Modellkommunen besonders intensiv bei der Digitalisierung des kulturellen Erbes unterstützt würden. 20 Kommunen sind seit 2019 im Rahmen des Landes- und Uniprojekts bereits bei der Digitalisierung ihres kulturellen Erbes unterstützt worden, teilt das Ministerium mit. 180.000 Euro investiert das Land zwischen 2019 und 2021 in das Projekt der Uni, von dem im laufenden Jahr nun auch Hottenbach profitieren soll.

Thema war schnell gefunden

Angelaufen ist das Projekt im März. Mit Blick auf den großen jüdischen Bevölkerungsanteil in den vergangenen Jahrhunderten im Dorf und mit Wissen um das diesjährige Jubiläumsjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ war das Leitthema für Hottenbach „Jüdisches Leben auf dem Land im Zeitraum vom 17. bis zum 20. Jahrhundert“ schnell gefunden. Seitdem wurden Projektgruppen gegründet, es gab mehrere Videokonferenzen, und in vielen Quellen ist recherchiert worden. Mit einer Fachgruppe der Universität Koblenz wurde eine Ortsbegehung veranstaltet. Am Ende könnte ein digitaler Dorfrundgang mit kleinen Schildern und QR-Codes darauf entstehen, der Hottenbacher und Gäste gleichermaßen auf diesen Teil der besonderen Geschichte von Hottenbach aufmerksam macht.

Die evangelische Kirche soll eine Station bilden. Das Gotteshaus im Zentrum der Hunsrückgemeinde besteht aus einem Chorturm aus dem späten 13. Jahrhundert sowie aus einem kreuzförmigen Anbau aus dem frühen 20. Jahrhundert. Die besondere Atmosphäre im Innenraum wird durch die Holzdecke, die wiederverwendete Holzempore sowie die Stumm-Orgel hinter dem Altar geschaffen. Im Bereich des alten Chorturmes sind Deckenfresken im Kreuzgradgewölbe erhalten geblieben. Auch befindet sich dort ein Viergötterstein. Dieser wurde an dieser Stelle geborgen und gibt Aufschluss darüber, dass sich ursprünglich an diesem Ort eine römische Villa Rustica befunden hat. Auf der Internetseite www.kuladigrlp.net geht Pfarrer Erik Zimmermann in einem YouTube-Beitrag auf die Besonderheiten der Kirche ein.

Seit dem 18. Jahrhundert bis zur Zeit des Nationalsozialismus bildete die kleine Ortsgemeinde Hottenbach ein regionales Zentrum des Landjudentums. Im späten 18. Jahrhundert machte die jüdische Gemeinde im Ort fast 20 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Es bildeten sich jüdische Siedlungsbereiche im Ort, und im Jahre 1796 wurde eine Synagoge mit dazugehöriger Mikwe – ein rituelles Tauchbad – errichtet.

Ein jüdischer Friedhof und eine jüdische Schule bildeten weitere Bestandteile der ausgeprägten jüdischen Gemeinde. Auch war Hottenbach von 1804 bis 1822 Sitz des angesehenen und einflussreichen Landesrabbiners Hirz Kann (1771–1836). Sein Rabbinatsbezirk umfasste das gesamte Arrondissement Birkenfeld. Über die Integration der jüdischen Bevölkerung spricht Gert Dalheimer, der zahlreiche historische Dokumente analysiert hat.

Diskriminierungen ausgesetzt

Trotz des hohen Bevölkerungsanteils und der festen Etablierung im Ort war die jüdische Bevölkerung vielfach Diskriminierungen ausgesetzt. Die unter französischer Herrschaft in den 1790er-Jahren angestrebten Bemühungen, Juden gleiche Rechte zu gewährleisten, wurden durch die christliche Bürgerschaft nur unwillig mitgetragen und teilweise sogar boykottiert. Wie solche Diskriminierung aussehen konnte, verrät eine Anekdote, die mit dem Objekt des Monats Dezember zu tun hat.

Erneut Pfarrer Zimmermann erinnert in einem Videobeitrag an ein Ereignis aus dem August des Jahres 1800. Der im Hunsrück als Schinderhannes bekannte Räuberhauptmann Johannes Bückler überfiel mit seiner Bande den jüdischen Kaufmann Wolf Wiener in Hottenbach. Die Räuber raubten den Kaufmann aus und misshandelten ihn und seine Familie. Nachdem die Bande geflohen war, bat Wiener den Ortspfarrer und die Dorfadministration, für ihn die Sturmglocke zu läuten. Diese aber weigerten sich mit der Aussage, die Kirchenglocken seien nur für Christen da.

Im Teilprojekt Hottenbach entstanden in diesem Jahr neben der Kirche weitere Objekte, die von der Geschichte des Landjudentums in Hottenbach und darüber hinaus von der reichhaltigen Dorfgeschichte Hottenbachs erzählen. Beispielsweise wurden unter anderem neben der ehemaligen Synagoge auch der jüdische Friedhof, die beiden Traditionsgasthäuser Faust und Dalheimer sowie die ehemalige Bürgermeisterei für „Kuladig“ erfasst.

Von unserem Redakteur

Andreas Nitsch

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