Corona war an diesem Abend immer präsent, auch wenn die Erzählung in großer Besetzung nur den zweiten Teil des Literaturabends im Abentheurer-Haus füllte: Mit den Lesungen wurde die Reihe der Kulturveranstaltungen in der VG Birkenfeld nach der langen Unterbrechung durch die Pandemie eröffnet. Liebold geht noch einen Schritt weiter: Es sei nach dieser Zwangspause auch die erste im Kreis Birkenfeld. Er und Ortsbürgermeisterin Andrea Thiel hatten das Konzept entwickelt und dem Literarischen Colloquium Berlin (LCB) zugesandt, das unter dem Titel „Und seitab liegt die Stadt“ ein Förderprogramm aufgelegt hat, mit dem bundesweit literaturbezogene Veranstaltungen im ländlichen Raum gefördert werden. Das Geld für die Förderung kommt aus dem Bundesprogramm „Ländliche Entwicklung“. Das Projekt in Abentheuer erhielt zusammen mit 39 anderen Orten den Zuschlag. Ohne die Fördermittel des LCB und die finanzielle Unterstützung der heimischen Wirtschaft hätte man sich diese Veranstaltung nicht leisten können, erklärte Ortsbürgermeisterin Thiel. Das gilt wohl vor allem den Corona-Einschränkungen. Es musste eigens eine Schnellteststation neben dem Abentheurer-Haus aufgebaut werden. Wer zum Literaturabend wollte, musste sich von DRK-Mitarbeitern testen lassen oder hatte sich andernorts eine Bestätigung besorgt. Wer keinen tagesaktuellen Test vorweisen konnte, kam nicht ins Haus – die Veranstalter blieben rigoros. Im Saal des Abentheurer-Hauses wurden die Corona-bedingten Sicherheitsmaßnahmen ebenfalls penibel eingehalten. So blieb wegen der Abstandsregeln auch nicht viel Platz fürs Publikum: Gerade einmal 28 Zuhörer hörten sich die Lesungen der vier Autoren und die Musik der Klangkünstlerin an.
Das große Geld macht man mit solchen Besucherzahlen nicht, doch das war auch nicht der Hintergrund für diesen Literaturabend. „Es geht darum, Kultur wieder auf den Weg zu bringen“, informierte Andrea Thiel. „Künstler bekommen die Gelegenheit, sich darzustellen, und wir können den Menschen im Dorf etwas bieten.“
Fünf Abende umfasst das Projekt „Abent(h)euer Literatur“, bis Ende November werden im monatlichen Rhythmus Künstler ins Abentheurer-Haus kommen. Meist tritt ein Autor – am 23. Juli zusätzlich ein Chansonnier – auf. Nur die Auftaktveranstaltung am Freitag machte eine Ausnahme. Sie stand unter dem Motto „Heimat“. Die Autoren lasen Auszüge aus eigenen Geschichten vor: Jörg Staiber beschrieb einen Dialog zwischen Edelsteinhändlern und was es mit einem „Stein des Bösen“ auf sich hat, Laura Dümpelfeld ließ ein mystisches Baumwesen in Abentheuer eine neue Heimat finden, Sascha Leidinger ging mit GPS durch die „unberührte Natur des Hunsrücks“.
Dieser Abend war damit auch der Auftakt für ein Buchprojekt, das Geschichten und Illustrationen von Autoren und anderen Künstlern enthalten wird – alles unter dem Oberbegriff „Heimat“, mit dem speziell die Nationalparkregion im Hunsrück gemeint ist. Das Buch soll im nächsten Jahr veröffentlich werden. Zwölf Autoren habe man bis jetzt, sagt Liebold. Er beschreibt das Projekt so: „Im Rahmen von ,Und seitab liegt die Stadt', der von mir ins Leben gerufenen Initiative ,Fantastischer Hunsrück' und dem Projekt ,Heimat' am Kunstzentrum Bosener Mühle wird ein Wettbewerb für die Bürger ausgerufen, sich literarisch und künstlerisch mit dem Thema Heimat auseinanderzusetzen. Die besten Geschichten werden in das Buch aufgenommen. Auch eine Ausstellung der Bilder ist geplant.“
Im zweiten Teil des Abends versetzten sich die drei Autoren der Auftaktveranstaltung in Rollen aus Liebolds Geschichte um Kunst in Zeiten der Selbstzweifel und der Corona-Krise. Staiber zum Beispiel spielte Rolf, den Mann, der sich fragt, welchen Sinn das macht, was er gerade tut. Dümpelfeld warf ihm als Kunstfigur Gudrun vor, dass Grübeln der falsche Weg ist. „Du kannst so viel nachdenken, wie du willst, du wirst zu keinem Ende kommen. Du zermürbst dich.“