Die Gesamtzahl dieser Delikte untergliedert sich in folgende Hauptfallgruppen: Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, sexueller Übergriff (15 Fälle, im Vorjahr 18 Fälle), sexuelle Belästigung (11 Fälle, Vorjahr 13 Fälle), exhibitionistische Handlungen (5 Fälle, Vorjahr 12 Fälle), sexueller Missbrauch von Kindern: (25 Fälle, Vorjahr 31 Fälle) und Erwerb beziehungsweise Besitz oder Verbreiten kinderpornografischer Schriften (78 Fälle, Vorjahr 53 Fälle). Die Zahlen lieferte die Kriminalinspektion auf Bitten der NZ.
Aus Sicht des Frauennotrufs Idar-Oberstein als spezialisierte Fachstelle zum Thema sexualisierte Gewalt sei sehr zu begrüßen, dass es vonseiten der NZ ein Interesse daran gibt, wie sich die Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) 2021 insbesondere im Bereich der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung verhält, sagt Notruf-Mitarbeiterin Barbara Zschernack.
„Schaut man in die allgemeine Kriminalstatistik, ist es recht kompliziert, geeignete Zahlen herauszuziehen. Und wenn man sich mit der Kurzauswertung der Polizeilichen Kriminalstatistik der Polizeiinspektion Idar-Oberstein, dem Kriminalitätsjahrbuch 2021, beschäftigt, dann findet man dort nur die Deliktgruppe Gewaltkriminalität, die auch Zahlen zu Vergewaltigung und sexueller Nötigung beinhaltet, die aber nicht explizit ausgewiesen sind“, führt sie aus.
Hier werde aus ihrer Sicht deutlich, wie wenig der gesellschaftliche und öffentliche Blick nach wie vor auf sexualisierte Gewalt gerichtet werde und somit nicht nur das Ausmaß verschleiert bleibe, sondern auch die Geschädigten viel zu wenig sichtbar seien. Im Bereich von Gewalt in engen sozialen Beziehungen habe sich die PKS bereits deutlich verbessert: „Dies wäre auch absolut nötig für Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung.“
Des Weiteren sei auffällig, dass im Bereich der Polizei Idar-Oberstein die Straftaten laut Kriminalitätsjahrbuch 2021 insgesamt rückläufig seien und bei den Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung dennoch ein leichter Anstieg von zwei Fällen zu verzeichnen sei: Insbesondere bei dem Erwerb, Besitz oder Verbreiten von kinderpornografischen Schriften sei eine Zunahme um 50 Prozent zu verzeichnen. „Hier muss man natürlich auch berücksichtigen, dass von dem riesigen Ausmaß vielleicht auch mehr in den Blick der Ermittler geraten ist, aber natürlich ist jeder Fall einer zu viel.“
Insgesamt sei es schwierig, sich ein Bild davon zu machen, wie groß das Ausmaß sexualisierter Gewalt in der Region sei, angefangen bei alltäglichen Grenzverletzungen und sexualisierten Übergriffen, zum Beispiel auch im Ausbildungs- oder Arbeitskontext bis hin zu den Straftatbeständen: „Und die Fälle, die es nach einer Strafanzeige bis zu einer Gerichtsverhandlung schaffen, werden auch nicht vollumfänglich über die Pressestellen der Amts- oder Landgerichte veröffentlicht, sodass man sich kein Bild machen kann wie bei anderen Delikten wie zum Beispiel Diebstahl oder Körperverletzung.“
Die Fachstelle Frauennotruf Idar-Oberstein werde in naher Zukunft aktiv dazu beitragen, dass das Thema Vergewaltigung noch mehr ins öffentliche Bewusstsein rückt. Ein wichtiger Schritt in diesem Zusammenhang: „Dafür wurde im vergangenen Jahr ein Kooperationsvertrag mit der hiesigen Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Klinikum Idar-Oberstein zur Umsetzung der medizinischen Soforthilfe nach Vergewaltigung abgeschlossen.
Im Vordergrund steht die medizinische Versorgung, bei Bedarf kann eine anonyme Spurensicherung für den Fall einer späteren Strafanzeige erfolgen, und die Betroffenen werden auf die psychosozialen Angebote unserer Fachstelle aufmerksam gemacht.“ Zur Verbreitung des Angebots sind Info-Flyer und Plakate bereits gedruckt und warten nun auf das Verschicken an die vielen Arztpraxen in der Region, um für das Angebot zu sensibilisieren und Frauen den Weg zur medizinischen Versorgung nach einer erlittenen Vergewaltigung zu ebnen.
Vonseiten des Idar-Obersteiner Frauenhauses heißt es: „Wir haben über die Jahre hinweg eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Polizei und auch der Kripo entwickelt. Man kennt sich. Kurze Wege sind möglich“, betont Mitarbeiterin Andrea Konrald-Allmann. Aus ihrer Sicht wichtig: „Es wäre allerdings sicher gut, wenn wir wüssten, das vonseiten der Polizei zuverlässig entsprechendes Infomaterial unserer Fachstellen an die Betroffenen weitergereicht und die Frauen oder auch Männer – das geht aus dieser Statistik nicht hervor – zu den Themenbereichen Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, sexueller Übergriff und sexuelle Belästigung ermutigt werden, sich an die Fachberatungsstellen unseres Trägervereins Frauen helfen Frauen zu wenden.“