Der Integrationsbeauftragte der Kreisverwaltung, Jan Jakobi, warf zunächst einen Blick auf die Situation zugewanderter Frauen im BIR-Kreis. Zudem stellten Barbara Zschernack, Andrea Konrad-Allmann und Sabine Müller-Frank dem 13-köpfigen Gremium die drei essenziellen Einrichtungen des in Idar-Oberstein ansässigen Vereins „Frauen helfen Frauen im Landkreis Birkenfeld“ vor. Dies sind der Frauennotruf, das Frauenhaus und die Interventionsstelle.
Es sei eine „gewagte Aufgabe“, die hochkomplexe Situation zugewanderter Frauen im Kreis Birkenfeld darzustellen, weil dafür zu wenig aktuelle und belastbare Daten zur Verfügung stünden, betonte Jakobi. Schlaglichtartig ging er auf vorliegende Fakten und Zahlen ein: Im Kreis Birkenfeld leben – Stand 31. Dezember 2023 – 10.200 Ausländer. Davon sind 5295 männlich und 4905 weiblich. Was die Herkunftsländer angeht, gibt es aber bei der Geschlechterverteilung erhebliche Unterschiede. Von 1280 Menschen aus Syrien, die im Kreis Birkenfeld leben, sind 730 männlich und 550 weiblich. Eine männliche Mehrzahl von 215 Personen gibt es auch bei den insgesamt 340 Personen aus Afghanistan, die sich im Kreis aufhalten. Anders sieht es bei den 1275 Menschen aus, die aus der Ukraine gekommen sind: Hier sind 785 weiblich und 490 männlich.
Wie Jakobi weiter ausführte, gibt es bei der ausländischen Bevölkerung im Kreis Birkenfeld grundsätzlich einen großen Anteil an Menschen, die erst vor wenigen Jahren geflüchtet sind. Das sei beispielsweise ein Unterschied zum Kreis Bad Kreuznach mit seiner starken türkischen Community, die sich als eine Folge aus der Gastarbeiterzeit dort gebildet habe.
Jakobi lenkte die Aufmerksamkeit zudem auf eine weitere statistische Angabe, die auch hinsichtlich der Situation zugewanderter Frauen von Bedeutung ist: Im Kreis Birkenfeld sind mehr als ein Viertel (25,9 Prozent) aller Kinder unter sechs Jahren Ausländer. Neben dem allgemeinen Problem, dass es – so der Hinweis von Andrea Konrad-Allmann – in manchen Kulturkreisen hinsichtlich der Rollenverteilung das Klischee gibt, dass Frauen zu Hause bleiben sollen und von Kontakten abgeschnitten werden, sind bei einem solch hohen Anteil an Kindern im Vorschulalter zugewanderte Frauen besonders in Betreuungsaufgaben eingebunden.
Frauen deutlich unterrepräsentiert
Diese Zahlen aus einer bundesweiten Befragung spiegelten sich auch im Kreis wider. So gebe es gerade bei geflüchteten Frauen mit Kindern unter vier Jahre nur einen sehr geringen Prozentsatz (4 Prozent), der berufstätig ist. Auch bei der Teilnahme an Sprachkursen und anderen Maßnahmen sind geflüchtete Frauen mit Kleinkindern im Vergleich zu Männern deutlich unterrepräsentiert. „Grundsätzlich besteht also gerade mit Blick auf die Erwerbstätigkeit und die Teilnahme an Integrationsmaßnahmen bei zugewanderten Frauen noch ein sehr großer Handlungsbedarf“, konstatierte Jakobi.
Ausführlich gingen anschließend Barbara Zschernack, Andrea Konrad-Allmann und Sabine Müller-Frank auf die Arbeit des gemeinnützigen Vereins „Frauen helfen Frauen“ ein. Der Verein setzt sich – unter anderem mit finanzieller Unterstützung des Landes, des Kreises und zu einem kleineren Teil der Stadt Idar-Oberstein – seit 1985 für die Belange von Frauen und Kindern ein, die von Gewalt betroffen sind. Diese will er mit seinen konkreten Angeboten stärken und schützen und zugleich die Öffentlichkeit für dieses anhaltende Problem sensibilisieren.
Unter der Trägerschaft des Vereins stehen inzwischen drei Projekte. Bereits seit 1986 gibt es das Frauenhaus mit angeschlossener Außenfachstelle zum Thema häusliche Gewalt. Diese Zufluchts- und Schutzeinrichtung für von Beziehungsgewalt Betroffene nimmt jährlich zwischen 20 und 30 Frauen mit ebenso vielen Kindern auf.
2024 seien dort allerdings schon 27 Frauen und 42 Kinder untergebracht worden, informierte Konrad-Allmann. Die Bewohnerinnen kommen zwar überwiegend aus dem Landkreis, aber auch Frauen aus anderen Regionen finden dort eine vorübergehende Bleibe, zumal es inzwischen eine bundesweite digitale Ampelkarte gibt, die mit Grün anzeigt, in welchen Frauenhäusern noch ein Platz zur Verfügung steht. In der Regel, so Andrea Konrad-Allmann, bleiben die Betroffenen rund 30 Tage. In dieser Zeit übernimmt das Mitarbeiterinnenteam des Vereins unter anderem die fallbezogene ambulante und nachgehende Beratung der Frauen und leistet zudem pädagogische Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen, die mit ihren Müttern in die Einrichtung gekommen sind.
Der vom Verein betriebene Frauennotruf Idar-Oberstein – erreichbar unter Tel. 06781/45599 – ist Anlaufstelle für Opfer sexualisierter Gewalt. Die Mitarbeiterinnen beraten und unterstützen die betroffenen Mädchen und Frauen nicht nur, sondern bieten auch Angehörigen und Vertrauenspersonen Beratungsmöglichkeiten an. Im Jahr 2023 habe das Team 338 Beratungskontakte abgearbeitet, davon 121 persönlich, 147 telefonisch und 70 per Video oder E-Mail, berichtete Zschernack.
Interventionsstelle hat viel Arbeit
2021 hat der Verein zudem eine Interventionsstelle eingerichtet. Sie wird aktiv, wenn sie von den Polizeidienststellen im Kreis eine entsprechende Meldung erhält und es um Hilfe für Frauen geht, die von Gewalt in engen Beziehungen und Stalking betroffen sind.
Im Sinne eines proaktiven Ansatzes durch aufsuchende Arbeit leistet das Team rund um Sabine Müller-Frank unter anderem psychosoziale Erstberatung und individuelle Sicherheitsberatung. Außerdem informieren die Mitarbeiterinnen über das Gewaltschutzgesetz und begleiten betroffene Frauen zum Amtsgericht. Im Jahr 2023 ist die Interventionsstelle aufgrund von 71 Meldungen aktiv geworden. Darunter waren sechs Hochrisikofälle, bei denen die Frauen in besonderem Maße von Gewalt bedroht waren.
„Sie haben uns eindrucksvoll vor Augen geführt, was sie täglich an Unterstützung leisten. Wir wissen, dass das Geld, mit dem wir als Kreis den Verein unterstützen, gut angelegt ist“, betonte Landrat Kowalski nach der Präsentation. Er wurde darüber informiert, dass auch in diesem Jahr am Internationen Tag gegen Gewalt an Frauen am Montag, 25. November, eine Solidaritätsaktion seitens der Kreisverwaltung und ihrer Gleichstellungsbeauftragten Melanie Becker-Haßdenteufel geplant ist. red