Die erste „richtige“ Stadtratssitzung dieser Tage nach der Kommunalwahl: alles so wie immer – oder doch nicht? Und was kommt auf den Rat zu? Womit befasst sich Oberbürgermeister Frank Frühauf? Was wünscht er sich? Was bereitet ihm Sorgen? Die NZ fragte nach.„Veränderungen und Herausforderungen in meinem Amt sind nichts Neues. Dass nunmehr dem Gremium zahlreiche neue Ratsmitglieder angehören, haben die Wähler so entschieden. Im Übrigen haben wir – wie bereits nach der letzten Kommunalwahl 2019 – auch dieses Mal für neue wie bisherige Rats- und Ausschussmitglieder eine hausinterne Schulung zu den Regelungen der Gemeindeordnung und der Geschäftsordnung des Stadtrates angeboten“, sagt der 55-Jährige.
Frühauf: Großes Vertrauen in den neuen Stadtrat
Seine Aufgabe gemeinsam mit Bürgermeister Friedrich Marx und der Verwaltung sei es, die kommenden Herausforderungen anzugehen, die vom Stadtrat und seinen Ausschüssen zu treffenden Entscheidungen vorzubereiten und die Beschlüsse gesetzeskonform umzusetzen: „Ich habe großes Vertrauen darin, dass der Stadtrat, wie bisher auch, zukünftig zwar kritisch und teilweise kontrovers, aber am Ende ganz überwiegend sachorientiert beraten und entscheiden wird. Denn letztlich sollte es das gemeinsame Anliegen von Stadtvorstand, Stadtrat und Verwaltung sein, die Stadt Idar-Oberstein zukunftsfähig weiterzuentwickeln.“
Die schwierigsten Herausforderungen der kommenden Jahre seien sicherlich die angespannte Haushaltslage, aber auch die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben und Forderungen, die den Kommunen von Bund und Land aufgebürdet worden seien und weiterhin würden. Beides korrespondiere miteinander. „Dies zeigen auch die Appelle anderer Oberbürgermeister, die angesichts der begonnenen Haushaltsplanung für das Jahr 2025 schon jetzt darauf hinweisen, dass die den Kommunen zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel nicht reichen werden, um die Pflichtaufgaben, die den Städten und Gemeinden übertragen sind, zu erfüllen. Kommunen werden gezwungen sein, an der Steuerschraube zu drehen, und trotzdem drohen ihnen Neuverschuldungen“, betont Frühauf, seit 2015 OB der Stadt.
Die Parlamentarier von Bund und Land verabschiedeten Gesetze, die sich zum Teil gravierend auf die Haushaltslage der Kommunen auswirkten und folglich auch auf die Lebensbedingungen der Bürgerinnen und Bürger: Die Kommunalpolitiker sollen dann vor Ort die Probleme lösen – fehlende Kitaplätze, fehlende Klassenräume in den Schulen, Katastrophenschutz. „Ich mache mir Sorgen um die Demokratie, wenn sich am jetzigen völlig unzureichenden System der Finanzierung der kommunalen Haushalte nichts ändert. Mit den zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln werden die Aufgaben in den Gemeinden und Städten, den Keimzellen der Demokratie, nicht zu bewältigen sein. Umso wichtiger wird es sein, die vor Ort zu treffenden Entscheidungen sorgsam vorzubereiten und der Öffentlichkeit transparent zu vermitteln“, erläutert der OB.
Wie OB Frühauf die Stadt attraktiver gestalten will
Leider werde oft nur das Negative in der Stadt aufgezeigt und vor allem in den sozialen Netzwerken durch wenige immer noch schlechter geredet. Nichtsdestotrotz gebe es natürlich in manchen Bereichen der Stadt Probleme. Aktuell mit Müllchaos und Ruhestörung: „Hier muss dringend eine dauerhafte Lösung her, auch bei der Leerung der Glascontainer im gesamten Kreisgebiet, wo sich die Problematik ebenfalls verschärft hat. Ich habe mit Bürgermeister Marx besprochen, dass wir diese Thematik mit unseren Ämtern weiterhin intensiv verfolgen, um zu einem dauerhaften Ergebnis zu kommen. Wichtig ist hierbei eine Gesamtlösung und Aufklärung in Problembezirken. Wir koordinieren hierzu gerade einen Termin mit Kreisverwaltung, AWB, Ordnungsamt, den Dezernenten und weiteren Akteuren.“
Für Sauberkeit und Ordnung auf Privatgelände wie zum Beispiel Einkaufsmärkten seien jedoch die Eigentümer oder Pächter selbst zuständig. „Aber auch da fehlt oft eigenes Engagement. Dem werden wir aber ebenfalls konsequenter nachgehen.“
Das Thema Wirtschaftsförderung, das Ladensterben, ein leerer Pop-up-Store in Oberstein: Wie schätzt Frühauf die Situation ein? „Es geht ja vielen Kleinstädten wie uns, und selbst in Großstädten wird es immer schwieriger sein, die Fußgängerzonen in ihrer heutigen Form zu erhalten. Auch die Innenstädte von Idar-Oberstein haben in den vergangenen Jahren mit typischen Problemen mittelgroßer Städte zu kämpfen: Leerstand, eine rückläufige Frequenz von Besuchern und damit einhergehend ein Rückgang des Einzelhandels. Um diesen Herausforderungen entgegenzuwirken, hat die Stadtverwaltung einen umfassenden Plan für die Innenstadtentwicklung in verschiedenen Bereichen schon vorgestellt und umgesetzt.“
Ziel sei es, die Innenstadt wieder attraktiver für Einwohner und Besucher zu gestalten. Ein Kernstück dieses Plans sei die Revitalisierung des historischen Stadtkerns. Geplant seien Investitionen in die Infrastruktur, die Schaffung von neuen Wohn- und Arbeitsräumen sowie die Verbesserung des kulturellen Angebots: „Wir wollen die Innenstadt zu einem lebendigen und attraktiven Ort machen, der sowohl zum Einkaufen als auch zum Verweilen einlädt. Verwaltung und Stadtrat können aber auch nur einen Rahmen setzen, entscheidend ist private Initiative.“
Frühauf: „Idar-Oberstein befindet sich an einem Scheideweg“
Teilweise herrschten utopische Vorstellungen, was die Verwaltung in den Innenstädten kaufen, mieten oder betreiben soll. Fördermitteltöpfe anzapfen und bereitstellen – siehe Sanierungsgebiet Idar – um private Investitionen zu erreichen, seien geeignete Mittel, um den Strukturwandel auch in den Innenstädten abzufedern. Die Stadt schaffe hierfür die rechtlichen Rahmenbedingungen, unter anderem durch die vergleichsweise schnelle Schaffung von Planungsrecht oder die Erteilung von Genehmigungen für Investitionen in die Stadtentwicklung.
Frühauf wird deutlich: „Idar-Oberstein befindet sich an einem Scheideweg. Aber Stadtrat und Verwaltung arbeiten weiterhin daran, hier eine positive Entwicklung in Gang zu setzen und die Innenstadtentwicklung langfristig zu verbessern. Das benötigt zwar Geduld, wir sind jedoch fest entschlossen, alle Themen mit Nachdruck anzugehen und Idar-Oberstein als lebenswerte Stadt für ihre Bewohner zu erhalten.“
Die medizinische Versorgung in der Stadt: ein Thema, das viele Menschen beschäftigt. „Das Klinikum Idar-Oberstein spielt eine wichtige Rolle für die medizinische Versorgung in der Region. Es sieht sich jedoch mit einem zunehmenden Mangel an Fachärzten konfrontiert. Die Ursachen hierfür sind vielfältig: Einerseits zieht es viele junge Mediziner in größere Städte oder ins Ausland, andererseits spielt der demografische Wandel eine Rolle. Immer mehr Ärzte im Kreis erreichen das Rentenalter, und es fehlt an qualifiziertem Nachwuchs. Das bedeutet, dass sich dieses Problem in Zukunft noch verschärfen wird, und daher versuchen wir jetzt schon gemeinsam mit dem Kreis, dagegen zu steuern.“ Auch würden weiterhin Gespräche geführt zur Problematik MVZ Urologie, um zu einer Lösung zu kommen: „Darüber bin ich im ständigen Austausch mit dem Klinikum.“
Was wünscht man sich als OB im Jahr 2024?
„Gerade in der ländlichen Region wie bei uns wünsche ich mir eine bessere Förderung und finanzielle Ausstattung durch das Land und den Bund. Damit wir vor Ort einen Handlungs- und Gestaltungsspielraum haben und wir nicht durch die Gesetzeslage gezwungen sind, immer wieder die Steuern zu erhöhen.“ Dazu gehörten auch Landes- und Bundesgesetze, die von den Kommunen umsetzbar sind und nicht daran scheitern, dass für vieles die finanzielle Ausstattung nicht gegeben sei: „Das sorgt nicht nur für Unverständnis beim Bürger, sondern führt auch bei der kommunalen Politik vor Ort zu Verdruss, weil man manches einfach nicht mehr erklären kann.“
Vor der Sitzung des Stadtrates gab es eine Kundgebung, um Kritik an der Satzung des noch zu gründenden Behindertenbeirats zu üben - eine Aktion von Bündnis 90/Die Grünen der Stadt Idar-Oberstein.Beirat für Behinderte wird gegründet: Diskussion im Stadtrat Idar-Oberstein
Noch ein Wunsch: „Dass die Idar-Obersteiner Schmuck- und Edelsteinindustrie als Weltkulturerbe anerkannt wird, denn ihre mehr als 500-jährige Geschichte ist einmalig. Wünschenswert wäre auch ein Artilleriemuseum als weiteres touristisches Highlight. Dies wäre ein weiteres Alleinstellungsmerkmal für unsere Region.“