Letztlich kam es zu einem Kompromiss: Die Stadtverwaltung Idar-Oberstein wird prüfen, ob es auf dem Bahnhofsvorplatz in Oberstein überhaupt rechtlich möglich ist, eine Videoüberwachung zu installieren, bevor es zu einer möglichen Ausweiterung auf andere städtische Bereiche kommt. Auf eine Kostenüberprüfung verzichtet man zunächst.
Dieser Vorschlag wurde in der jüngsten Stadtratssitzung bei zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung angenommen. Vorangegangen war eine intensive Debatte vor dem Hintergrund eines Antrags der CDU-Fraktion. Deren Sprecher Frederik Grüneberg hatte erläutert: „Wir möchten, dass die Möglichkeiten der Kameraüberwachung der Fußgängerzonen Idar und Oberstein sowie vom Bahnhofsvorplatz, dem Platz ,Auf der Idar‘, dem Helmut Kohl-Europaplatz und dem Maler Wild-Platz geprüft wird. Zudem soll eine Kostenschätzungen für die Installation, Wartung und Betreuung dieser Kameraüberwachungen in einer der nächsten Sitzungen des Hauptausschusses präsentiert werden.“
Hilfspolizisten einsetzen?
Grüneberg sprach von Angst und Unsicherheit, gerade bei Dunkelheit, die vor allem Frauen und ältere Menschen betreffe: „Das Thema liegt uns schon länger am Herzen.“ Er stellte klar: Der Vorfall in der Fußgängerzone Oberstein am 18. März, als ein Mann von Jugendlichen geschlagen worden sei, habe hiermit nichts zu tun. „Da hätte auch eine Videoüberwachung nichts gebracht.“ Auch sein Fraktionskollege Karl-Heinz Totz (Vorsitzender der Senioren Union auf Landesebene) hatte bereits im September 2024 im Stadtrat auf die Problematik hingewiesen und Antworten der Verwaltung gefordert. Seine Fragen seien aber nicht ausreichend beantwortet worden, sagte er. Ein weiteres Gespräch im Januar 2025 habe zwei Möglichkeiten in den Fokus gerückt: per Video neuralgische Punkte zu überwachen oder den Mitarbeiterbereich des Ordnungsamtes durch zwei Hilfskräfte kostengünstig zu verstärken.
Sicherheit und Freiheit sind keine Gegensätze – sie bedingen einander. Lassen Sie uns gemeinsam für eine Stadt arbeiten, in der Sicherheit durch Zusammenhalt entsteht, nicht durch Kameras.“
Monja Roepke, Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen
Selbst wenn statistisch betrachtet bisher keine exorbitanten Vorfälle lägen, diene der Einsatz von Kameras dem womöglich auch subjektiven Sicherheitsgefühl der Bürger und sei auch als Präventionsmaßnahme zu verstehen. Totz formuliert zum ursprünglichen Antrag einen Zusatz: Es sei zu überprüfen, ob durch interne Umbesetzung oder befristete Neueinstellung von zwei Hilfspolizisten ohne Vollzugslehrgang die beiden in der KFZ-Stilllegung und Verkehrsüberwachung gebundenen voll ausgebildeten Kräfte freigesetzt werden könnten, um im Streifendienst tätig zu werden. OB Frank Frühauf ließ den nachgeschobenen Antrag am Mittwoch nicht zu. Deses Thema solle nicht im Kontext mit dem aktuellen CDU-Antrag erörtert werden: „Wir reden jetzt nicht über Personal.“
Marx: „Hoher Aufwand“
Bürgermeister Friedrich Marx erläuterte Hintergründe einer möglichen Videoüberwachung: Es handele sich dabei um einen Grundrechtseingriff, der eine Menge Hürden beinhalte. Videoüberwachung sei nur möglich, wenn die gesetzlichen Grundlagen erfüllt seien. Dazu gehörten die Aspekte Erforderlichkeit sowie Verhältnismäßigkeit, die eine Häufung von Straftaten in einem bestimmten Bereich beinhalte, und die sei in den Bereichen der Stadt nicht gegeben. Zudem sei jeder einzelne Bereich separat zu betrachten, pauschale Lösungen gebe es nicht. Dazu kämen technische und finanzielle Aspekte, die Betrieb und Wartung betreffen: „Ein enorm großer Aufwand.“ Marx schlug letztlich eine kleinere Lösung vor: erst einmal unter allen erforderlichen Aspekten den Bahnhofsvorplatz für eine mögliche Überwachung ins Visier zu nehmen.
„Das subjektive Empfinden der Bürger zu verbessern, ist dann sinnvoll, wenn es objektiv etwas bringt.“
Bernhard Zwetsch (FDP)
Monja Roepke (Bündnis 90/Die Grünen) gab hierzu ein Statement ab, das viel Beifall erhielt und mehrfach von anderen Ratsmitgliedern im Verlauf der Debatte zitiert wurde: „Die CDU-Fraktion beantragt den Ausbau der Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen. Dieser Antrag klingt zunächst nach einem einfachen Rezept für mehr Sicherheit. Doch bei genauerer Betrachtung offenbart er sich als Scheinlösung, die unsere Grundrechte gefährdet, ohne die versprochene Sicherheit zu liefern.“ Anlasslose Videoüberwachung sei nicht nur rechtlich problematisch – sie sei in vielen Fällen schlicht unzulässig: „Die Faktenlage ist eindeutig: Internationale Studien zeigen, dass Kameras Kriminalität bestenfalls verlagern, aber selten verhindern. In London, der am stärksten videoüberwachten Stadt Europas, hat sich die Aufklärungsquote durch Kameras kaum verbessert. Wollen wir wirklich viel Geld in eine Technologie investieren, deren Nutzen so fragwürdig ist?“
Es gebe bessere, grundrechtskonforme Wege zu mehr Sicherheit: „Gut beleuchtete Plätze, mehr Präsenz von geschultem Personal, soziale Kontrolle durch belebte öffentliche Räume – all das wirkt nachweislich präventiv. Statt in Überwachungstechnik sollten wir in Menschen investieren: in Streetworker, in aufsuchende Sozialarbeit, in Präventionsprogramme.“
Sicherheit entstehe nicht durch Kameras, sondern durch gesellschaftlichen Zusammenhalt und kluge Stadtplanung. Roepke weiter: „Hier sollten wir ansetzen, statt den einfachen, aber falschen Weg zu gehen. Bedenken wir die gesellschaftlichen Folgen einer Überwachungsgesellschaft. Menschen, die sich beobachtet fühlen, verhalten sich anders. Sie vermeiden bestimmte Orte, schränken ihre Bewegungsfreiheit ein, passen sich an.“ Die Aufzeichnung der öffentlichen Sitzung des Stadtrates habe der Stadtrat abgelehnt: „Vielleicht sollten wir ja mal damit anfangen, damit unsere Appelle alle Bürger direkt erreichen können, bevor wir diese unter Generalverdacht stellen.“
Worst: „Teurer Placebo-Effekt“
Stefan Worst (Bürger für Bürger) sprach mit Blick auf die Videoüberwachung von einem „Placebo-Effekt“, der viel Geld koste. Moritz Forster (SPD) sieht in der Einrichtung des schon lange geforderten Jugendraums am Bahnhof eine sinnvollere Investition als in Kameras. Zudem müsse man das „verzerrte Bild“ in den digitalen Netzwerken dringend geradeziehen: Er äußerte sein Unverständnis darüber, wie die AfD den jüngsten Vorfall in Oberstein auf Facebook instrumentalisiere.
Bernhard Zwetsch (FDP) zeigte sich irritiert: „Das Thema hatten wir doch schon so oft, es kommt immer wieder. Ich verstehe das nicht.“ Das subjektive Empfinden der Bürger zu verbessern, sei dann sinnvoll, wenn es objektiv etwas bringe. Jürgen Müller (Die Linke) sprach von einem „populistischen Antrag“ der CDU: „Nun ja, wenn der Antrag von der AfD gekommen wäre, dann hätte ich das ja noch verstanden…“
Michael Schmolzi (LUB) kommentierte: „Besser in Menschen investieren als in Technik.“ Dirk Rohde (AfD) setzte sich ebenfalls für mehr Personal zur Überwachung ein.