Bad Kreuznach/Birkenfeld
Kinder in Birkenfeld schwer vernachlässigt: Eltern gehen in Berufung

Symbolbild.

Uwe Zucchi/dpa

Bad Kreuznach/Birkenfeld. Eine Bewährungsstrafe will das Ehepaar erreichen, das 2014 vom Amtsgericht Idar-Oberstein zu jeweils zwei Jahren Haft wegen Verletzung der Fürsorgepflicht bei ihren 2009 und 2011 geborenen Kindern verurteilt wurde. Das Berufungsverfahren vor der siebten Strafkammer Bad Kreuznach findet zudem auf Antrag der Staatsanwaltschaft statt, die eine Verurteilung wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen anstrebt.

Von unserer Mitarbeiterin Christine Jäckel

Der 39 Jahre alte Mann, der zuletzt als Lehrer an einer Schule in der Region arbeitete und seine 30-jährige Ehefrau lebten mit Sohn und Tochter bis 2012 in Birkenfeld in einem Einfamilienhaus.

Nachbarn war aufgefallen, dass die Kinder zwar manchmal zu hören, aber nie zu sehen waren, und verständigten das Jugendamt. Die Geschwister wurden im November 2012 aus der Familie genommen. Der Junge war zu diesem Zeitpunkt dreieinhalb Jahre, seine Schwester 21 Monate alt. Beide haben große Entwicklungsdefizite, die sie zeitlebens nicht mehr aufholen können. „Der Junge wird vermutlich eine Behinderung zurückbehalten“, zitierte die Vorsitzende Richterin Caroline Walper aus dem Urteil der ersten Instanz.

Wie hatte das Familienleben dermaßen aus dem Ruder laufen können, dass den beiden Kleinkindern trotz geregelten Einkommens und normal begabter Eltern jede Fürsorge verwehrt blieb? Diese Frage blieb auch nach den Aussagen der beiden Angeklagten offen, denn es gab Möglichkeiten der Abhilfe, mit denen die Eltern die Situation hätten verbessern können. Wie ein Zeuge aussagte, hatte zwar jedes der Kinder ein Zimmer für sich im Obergeschoss des Hauses. Diese Zimmer waren aber nahezu kahl, stark verschmutzt und ohne Spielzeug. Darin hielten sich der Junge und das Mädchen vermutlich mindestens 20 Stunden am Tag auf. Ihr Vater holte sie nacheinander zum Essen ins Untergeschoss, wenn er am Nachmittag nach Hause kam. Den Sohn, der wie seine Schwester nicht reden und nicht richtig laufen konnte, fütterte er mit Fertigbrei und Kinderriegeln. Die Mitarbeiter des Jugendamtes und die Polizisten, die die Kinder abholten, stellten außerdem fest, dass das Mädchen nicht dran gewöhnt war zu baden. Es fehlte an Kinderbekleidung und Schuhen.

Überforderung führen beide Elternteile ins Feld für die massive Vernachlässigung des Haushalts und der Kinder. Der 39-jährige, der im Juli 2014 aus dem Schuldienst entlassen wurde, sah sich außerstande, neben seinen beruflichen Verpflichtungen für Sauberkeit zu sorgen, geschweige sich mit seinen Kindern zu beschäftigen. Auch gegen die zunehmende Apathie seiner Frau fühlte er sich machtlos.

Die 30-Jährige erklärte, dass sie nach dem Umzug nach Birkenfeld in tiefe Depression verfiel und Selbsttötungsgedanken hatte. „Ich habe mich gefühlt, als wäre ich in Watte eingepackt, ich habe mich gehasst“, erzählte sie einer Sachverständigen. Unglücklicherweise blieb es bis zuletzt bei der Rollenverteilung, dass die Ehefrau diejenige war, die Entscheidungen traf und sie bis zuletzt nicht bereit war, das Wohl ihrer Kinder zu sehen. „Kinder weg nur über meine Leiche“, hatte sie der Mitarbeiterin des Jugendamtes schon bei einem früheren Besuch angedroht.

  • Das Verfahren wird am 8. September um 14 Uhr fortgesetzt.

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